Neues Neutrino-Observatorium im Pazifik
Redaktion
/ Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
9. September 2020
Im Eis des Südpols sucht man seit mehreren Jahren mit
IceCube nach Neutrinos aus dem All. Das Observatorium hat bereits
spektakuläre neue Erkenntnisse über kosmische Ereignisse mit extrem hohen
Energien gebracht. Um jedoch die kosmische Herkunft von Elementarteilchen mit
noch höheren Energien zu klären, ist ein größeres Neutrino-Teleskops nötig. Dies
soll nun im Pazifik entstehen.
Skizze des geplanten Neutrino-Teleskops
P-ONE im Pazifischen Ozean. Das Teleskop soll
modular aufgebaut sein und aus sieben gleichen
Detektorsegmenten bestehen, wovon das erste in
2023/24 installiert werden soll.
Bild: E. Resconi / TUM [Gesamtansicht] |
Astronomen beobachten das Licht, das von entfernten Himmelsobjekten zu uns
kommt, um das Universum zu erkunden. Licht verrät jedoch nichts über
hochenergetische Ereignisse außerhalb unserer Galaxie, wie etwa über die Jets
aktiver galaktischer Kerne, Gammastrahlenausbrüche oder Supernovae. Denn auf
ihrem langen Weg durch das Universum verlieren Photonen mit extrem hohen
Energien einen Teil ihrer Energie durch Interaktion mit anderen Teilchen. Genau
wie Licht durchqueren Neutrinos das Universum mit (beinahe)
Lichtgeschwindigkeit, interagieren jedoch äußerst selten mit anderen Teilchen.
Sie behalten Energie und Richtungen bei, was sie zu einzigartigen Botschaftern
des hochenergetischen Universums macht.
Seit 2013, als das Neutrino-Observatorium IceCube zum ersten Mal
extragalaktische Neutrinos entdeckte (astronews.com berichtete), bemühen sich
Astrophysiker zu verstehen, aus welchen kosmischen Quellen diese stammen und
welcher physikalische Mechanismus sie auf ihre extremen Energien beschleunigt
hat. Um das Rätsel zu lösen, sind jedoch zusätzliche Detektoren mit noch
größeren Volumina als das des IceCube-Observatoriums erforderlich. Da
Neutrinos nicht direkt, sondern nur mittels Tscherenkow-Strahlung beobachtet
werden können, müssen sich die Detektoren in Eis oder Wasser befinden.
Prof. Elisa Resconi, Sprecherin des Sonderforschungsbereichs 1258 und
Inhaberin des Liesel-Beckmann-Lehrstuhls für Experimentalphysik mit kosmischen
Teilchen an der Technischen Universität München, hat daher kürzlich eine
internationale Initiative zum Bau eines neuen Neutrino-Teleskops im Pazifik vor
der Küste Kanadas gestartet: das Pacific Ocean Neutrino Experiment
(P-ONE). Zu diesem Zweck schloss sie eine Partnerschaft mit einer Einrichtung
der University of Victoria: dem Ocean Networks Canada (ONC),
eines der weltweit größten und fortschrittlichsten kabelgebundenen
Ozeanobservatorien.
Der ONC-Netzwerkknoten im Cascadia-Becken in einer Tiefe von 2660 Metern
wurde für P-ONE ausgewählt. Die weitläufige Tiefseeebene bietet ideale
Bedingungen für ein Neutrino-Observatorium, das sich über mehrere Kubikkilometer
erstreckt. Im Sommer 2018 verankerte ONC ein STRAW (für: Strings for Absorption
Length in Water) genanntes, erstes Erkundungsexperiment im Cascadia-Becken:
Mittels zweier 140 Meter langer Trossen, die mit Lichtsendern und Sensoren
bestückt sind, soll zunächst die Lichtdurchlässigkeit des Ozeanwassers bestimmt
werden. Dieser Parameter ist für das Design von P-ONE entscheidend. Im September
2020 wird STRAW-b installiert, ein 500 Meter langes Stahlkabel mit weiteren
Detektoren. Beide Experimente wurden von Resconis Forschungsgruppe in München
entwickelt und gebaut.
Das erste Segment von P-ONE, ein Ring mit sieben 1000 Meter langen Trossen
mit jeweils 20 Detektoren, soll in der Marinebetriebssaison von ONC im Jahr
2023/24 in Zusammenarbeit mit verschiedenen kanadischen Universitäten
installiert werden. "Astrophysikalische Neutrinos können unser Wissen über das
extreme Universum erheblich erweitern", sagt Darren Grant, Professor an der
Michigan State University (USA), und Sprecher des IceCube-Projekts.
"P-ONE bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, den Einsatz eines großvolumigen
Neutrino-Detektors in der Tiefsee zu demonstrieren. Dies ist ein entscheidender
Schritt hin zu einem global vernetzten Neutrino-Observatorium, mit dem wir in
der Lage wären, diese kosmischen Boten über den gesamten Himmel hinweg zu
beobachten."
Resconi hofft, dass P-ONE mit seinen sieben Segmenten bis Ende des Jahrzehnts
fertiggestellt sein kann. "Das Experiment wird perfekt darauf ausgelegt sein,
die Herkunft der extragalaktischen Neutrinos zu verstehen", so die
Wissenschaftlerin. "Darüber hinaus haben hochenergetische Neutrinos auch das
Potenzial, uns etwas über die Natur der Dunklen Materie zu verraten."
Über das Vorhaben berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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