Neutrinos aus dem fernen All
Redaktion
/ Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
21. November 2013
Mithilfe des IceCube-Neutrinodetektors in der
Antarktis könnte Forschern jetzt erstmals der Nachweis von hochenergetischen
Neutrinos von außerhalb unseres Sonnensystems gelungen sein.
Insgesamt wurden 28 Neutrinos beobachtet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von
Supernovae, Schwarzen Löchern, Pulsaren oder anderen extremen
astrophysikalischen Phänomenen stammen.
Das
Neutrino-Observatorium IceCube in der Antarktis.
Foto: Lindstrom, IceCube / NFL [Großansicht] |
Aus dem Universum prasseln ständig unterschiedlichste Arten von Teilchen auf
die Erdatmosphäre. Die meisten davon, wie etwa Protonen, Elektronen oder
Heliumkerne haben eine gewisse Masse und sind elektrisch geladen. Wenn sie mit
anderen Teilchen zusammenstoßen oder in Magnetfeldern des Kosmos, der Sonne oder
der Erde abgelenkt werden, ändern sie ihre Richtung und Energie.
Anders dagegen die ladungslosen und extrem leichten Neutrinos: Sie rauschen
beinahe ungestört durch alle Materie hindurch. In jeder Sekunde passieren
Milliarden von Neutrinos jeden Quadratzentimeter der Erde. Die überwiegende
Mehrheit dieser Elementarteilchen entstand in Zerfalls- oder
Umwandlungsprozessen in der Sonne oder der Erdatmosphäre. Weit seltener sind
Neutrinos, die aus Quellen außerhalb unseres Sonnensystems stammen, vom äußeren
Rand unserer Galaxie oder aus noch größerer Ferne.
Gerade solchen astrophysikalischen Neutrinos sind aber für Wissenschaftler
hochinteressant. Sie geben Einblick in die mächtigen kosmischen Objekte, von
denen sie einmal ins All geschleudert wurden: Supernovae, Schwarze Löcher,
Pulsare, aktive galaktischen Kerne und andere extreme extragalaktischen
Phänomene. Wissenschaftler des IceCube-Experiments in der Antarktis, an
dem auch Forscher des Exzellenzclusters Universe der Technischen Universität
München beteiligt sind, glauben jetzt erstmals solche Neutrinos beobachtet zu
haben.
Die 28 Ereignisse wurden zwischen Mai 2010 und Mai 2012 gemessen. Jedes
dieser Neutrinos hatte eine Energie von mehr als 50 Teraelektronenvolt (TeV).
Das ist tausendmal mehr als jemals ein Neutrino in einem irdischen
Beschleunigerexperiment erreicht hat. "Dies sind die ersten Nachweise von
Neutrinos von außerhalb unseres Sonnensystems", sagt Professor Dr. Elisa Resconi
von der TU München, die auch Mitglied der IceCube-Kollaboration ist.
"Diese Ereignisse können weder durch andere Ursachen erklärt werden, etwa durch
atmosphärische Neutrinos, noch durch andere hochenergetische Ereignisse, wie
etwa Myonen, die durch Wechselwirkungen mit der kosmischen Strahlung in der
Erdatmosphäre entstehen."
Nach Hunderttausenden atmosphärischer Neutrinos sind die Forscher nun sicher
endlich auch Neutrinos nachgewiesen zu haben, die ihre Erwartungen an
astrophysikalische Neutrinos erfüllen und damit höchstwahrscheinlich von
kosmischen Beschleunigern stammen. "Nun müssen wir klären, woher diese Neutrinos
stammen und wie sie entstanden sind. Wir stehen damit erst am Anfang einer neuen
Astronomie mit Neutrinos", blickt Resconi auf die nun vor dem Team liegenden
Aufgaben.
Die jetzt detektierten Neutrinos sind zwar nicht die ersten Neutrinos, von
denen ein Ursprung außerhalb des Sonnensystems nachgewiesen werden konnte, aber
die ersten mit derart hohen Energien. So erreichten Neutrinos von der berühmten
Supernova 1987A die Erde rund drei Stunden vor dem Lichtblitz, der sich erst
seinen Weg nach außen bahnen musste. "Die jetzt mit IceCube
nachgewiesenen Neutrinos haben allerdings millionenfach höhere Energien als jene
von der Supernova 1987A", betont Dr. Markus Ackermann, der Leiter der
Neutrinoastronomiegruppe beim Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) am
Standort Zeuthen bei Berlin.
IceCube ist ein ins ewige Eis des Südpols eingeschmolzenes
Neutrino-Observatorium, dessen Installation im Jahr 2010 nach sieben Jahren
Bauzeit abgeschlossen wurde. Mit einer Größe von einem Kubikkilometer stellt es
den weltweit größten Neutrino-Detektor dar. In einer Tiefe von 1.450 bis 2.450
Metern sind 86 vertikale Drahtseile mit insgesamt 5.160 optischen Sensoren
versenkt.
IceCube beobachtet die Neutrinos mittels winziger blauer
Lichtblitze, dem Cherenkov-Licht, das entsteht, wenn Neutrinos mit Eis
interagieren und dabei Teilchenschauer geladener Teilchen erzeugen. Betrieben
wird das Observatorium von einem internationalen Konsortium unter Leitung der
US-amerikanischen University of Wisconsin, an der rund 250
Wissenschaftler und Ingenieure aus USA, Deutschland, Schweden, Schweiz, Japan
sowie weiteren Ländern beteiligt sind.
Über ihre aktuellen Entdeckungen berichten die Wissenschaftler in der morgen
erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 22. November 2013 um den
Absatz über die Unterschiede zu den Neutrinos der Supernova 1987A ergänzt.
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