IceCube soll ausgebaut werden
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) astronews.com
17. Juli 2019
Im tiefen Eis der Antarktis versuchen Wissenschaftler einige
der Neutrinos aufzuspüren, die in jeder Sekunde die Erde durchqueren. Mit
Erfolg: Mehrfach bereits gingen den Forschern diese Geisterteilchen ins Netz und
die Daten erlaubten sogar Rückschlüsse darauf, woher sie ursprünglich stammen.
Nun wurde entschieden, das Observatorium im Eis deutlich zu erweitern.
Tief im ewigen Eis der Antarktis späht
IceCube nach den Leuchtspuren, die Neutrinos aus
dem Weltall bei ihren seltenen Kollisionen
auslösen können.
Bild: DESY, Science Communication Lab [Großansicht] |
Das internationale Neutrino-Observatorium IceCube am Südpol wird in
den kommenden Jahren erheblich erweitert. Zusätzlich zu den bestehenden 5160
Sensoren werden weitere 700 optische Module im ewigen Eis der Antarktis
installiert. Die National Science Foundation in den USA hat 23
Millionen US-Dollar für den Ausbau bewilligt. Die Helmholtz-Zentren DESY und KIT
unterstützen mit insgesamt 5,7 Millionen Euro (6,4 Millionen US-Dollar) den Bau
von 430 neuen optischen Modulen, mit denen das Observatorium unter anderem zu
einem Neutrinolabor erweitert wird. Mit insgesamt neun beteiligten Universitäten
und den beiden Helmholtz-Zentren ist Deutschland der größte IceCube-Partner
nach den USA.
IceCube hatte im vergangenen Jahr überzeugende Hinweise auf eine
erste Quelle hochenergetischer Neutrinos aus dem Kosmos veröffentlicht. "Das
IceCube-Upgrade soll nicht nur die Neutrino-Astronomie verbessern, sondern
auch unser Wissen über das Neutrino selbst", erläutert DESY-Forscher Timo Karg,
Projektleiter für die optischen Sensoren im IceCube-Upgrade. "Wir haben
bereits zehn Jahre Daten mit IceCube gesammelt, und die werden durch
das Upgrade erheblich aufgewertet." Bei DESY werden 225 der neuen Sensoren
gebaut, 205 steuert die Michigan State University bei und rund 300
eines anderen Typs liefert die Universität Chiba in Japan.
Neutrinos gehören zu den rätselhaftesten Elementarteilchen. Sie wechselwirken
kaum und können mühelos ganze Planeten, Sterne und Galaxien durchqueren – sie
werden daher auch als Geisterteilchen bezeichnet. Das Neutrino-Observatorium
IceCube späht tief im antarktischen Eis nach den scheuen Elementarteilchen.
Unter der Oberfläche lauert es auf das bläuliche Leuchten, das energiereiche
Neutrinos aus dem Weltall bei ihren sehr seltenen Kollisionen im Eis auslösen
können. Dazu dienen extrem lichtempfindliche Digital Optical Modules
(DOM), die an 86 Kabelsträngen bis zu 2,5 Kilometer tief im durchsichtigen Eis
liegen. Aus der genauen Vermessung der Leuchtspur einer Neutrinokollision lassen
sich Herkunftsrichtung und Energie des Teilchens rekonstruieren.
Da Neutrinos so extrem selten wechselwirken, überwacht IceCube einen
kompletten Kubikkilometer unterirdisches Eis und ist damit der größte
Neutrinodetektor der Welt. Für das IceCube-Upgrade sollen im
antarktischen Sommer 2022/23 im Zentrum des Detektors sieben zusätzliche
Kabelstränge mit den neu entwickelten Sensoren mehr als 1,5 Kilometer tief ins
Eis eingeschmolzen werden. Dabei kommen zwei Typen optischer Module zum Einsatz,
die auch für eine zehnfach größere zukünftige Erweiterung von IceCube,
IceCube-Gen2, getestet werden.
Ein Typ dieser neuen optischen Sensoren, das "multi-Pixel Digital Optical
Module" (mDOM), wurde in Deutschland von den beteiligten Universitäten und
Helmholtz-Zentren entwickelt. Gegenüber den bisherigen Modulen besitzen die
mDOMs, von denen rund 400 installiert werden, eine deutlich größere sowie
segmentierte Detektionsfläche und damit eine signifikant höhere Empfindlichkeit.
"Mit dem IceCube-Upgrade und dem späteren Ausbau zu IceCube-Gen2
erweitert dieses weltweit einzigartige Neutrino-Observatorium unseren Blick ins
All an entscheidender Stelle und trägt dadurch bei, die Rätsel um die Physik der
höchstenergetischsten Prozesse in unserem Universum zu lösen", sagt der Leiter
der KIT-IceCube-Gruppe, Andreas Haungs.
Durch die Erweiterung steigt jedoch nicht nur die Empfindlichkeit des
Observatoriums, es sinkt auch die Energieschwelle, ab der sich Neutrinos
nachweisen lassen. Damit können die Eigenschaften der Teilchen mit bisher
unerreichter Genauigkeit vermessen werden – IceCube wird auch zum
Neutrino-Labor. "Neutrinos sind die am wenigsten verstandenen Teilchen im
Standardmodell der Teilchenphysik," betont Alexander Kappes, Professor an der
Universität Münster und Leiter des mDOM-Projekts. "Sie haben Eigenschaften, die
das Standardmodell nicht erklären kann."
Neutrinos gibt es in drei Sorten. Überraschenderweise können die Teilchen
zwischen diesen Sorten hin und her wechseln. Physiker nennen das
Neutrino-Oszillationen. Eins der Ziele des IceCube-Upgrades ist es, die
Parameter dieser Oszillationen deutlich besser zu bestimmen. Ein weiteres Ziel
ist, die optischen Eigenschaften des Eises genauer zu vermessen, was eine
bessere Rekonstruktion der Eigenschaften beobachteter Neutrinos in allen
Energiebereichen erlaubt. Das schärft nicht nur künftig den Blick des
Neutrinoobservatoriums ins All, sondern ermöglicht auch, die bereits
registrierten Neutrinoereignisse nachträglich genauer zu rekonstruieren.
Beobachtungen mit IceCube und einer großen Zahl anderer, über den ganzen
Globus verteilter Observatorien hatten im vergangenen Jahr zur ersten Ortung
einer kosmischen Quelle energiereicher Neutrinos geführt. Die von IceCube
nachgewiesenen Teilchen kamen demnach aus einer rund vier Milliarden Lichtjahre
entfernten aktiven Galaxie, in deren Zentrum ein gigantisches Schwarzes Loch als
natürlicher Teilchenbeschleuniger fungiert.
Das IceCube-Neutrinoobservatorium befindet sich an der
Amundsen-Scott-Südpolstation. Das Management und der Betrieb des Observatoriums
erfolgt durch das Wisconsin IceCube Particle Astrophysics Center
(WIPAC) an der University of Wisconsin–Madison. Das
Wissenschaftsprogramm wird von mehr als 300 Forscherinnen und Forschern aus 52
Instituten in 12 Ländern bestritten. Nach den USA ist Deutschland der wichtigste
Partner in dem internationalen Projekt. Hier sind neben den Helmholtz-Zentren
DESY und KIT die Universitäten Bochum, Erlangen-Nürnberg, Mainz, Münster und
Wuppertal sowie die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen,
die Humboldt-Universität zu Berlin und die Technischen Universitäten Dortmund
und München beteiligt.
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