Teleskope über das Internet nutzen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Würzburg astronews.com
1. September 2020
Ein Studium ohne normalen Vorlesungsbetrieb, Praktika und
Seminare - mit dieser neuen Situation müssen sich Universitäten seit dem
Frühjahr beschäftigen und nach neuen Wegen zur Ausbildung ihrer Studierenden
suchen. Die Universität Würzburg setzt dabei, zusammen mit der RWTH Aachen, auf
Multi-Messenger-Astronomie in der Cloud - und dies sehr erfolgreich.
Das FACT-Teleskop auf La Palma kann von
Studierenden vom Computer aus gesteuert werden.
Foto: Jens Björn Buß (CC-BY
SA 3.0) [Großansicht] |
Als sich im Frühjahr das neue Corona-Virus in Deutschland breitmachte,
standen auch die Universitäten vor großen Herausforderungen. An einen regulären
Vorlesungsbetrieb war nicht mehr zu denken, Hörsäle und Seminarräume waren
geschlossen; wenn Lehre stattfinden konnte, dann nur noch online und digital.
Als Reaktion auf diese Herausforderung hatte der Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft – eine Gemeinschaftsinitiative von Unternehmen und
Stiftungen – die sogenannte MINT-Challenge ins Leben gerufen. Gesucht waren
digitale Lehr- und Lernformate, die es den Studierenden ermöglichen, ihr Studium
in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,
Technik) während der Corona-Pandemie fortzusetzen und die langfristig eine
bereichernde Ergänzung des MINT-Studiums darstellen sollen.
Mehr als 150 Bewerbungen waren in der Folge beim Stifterverband eingegangen;
jetzt stehen die Gewinner fest. Mit dabei ist ein Verbundprojekt der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der RWTH Aachen:
Multi-Messenger-Astronomie in der Cloud. Es wurde als "Best Practice für
digitale Lehr- und Lernformate im MINT-Studium" hervorgehoben.
In Würzburg ist dafür Dr. Daniela Dorner vom Lehrstuhl für Astronomie
verantwortlich: "Im Rahmen der Veranstaltung erhalten Studierende Zugriff auf
internationale, wissenschaftliche Messinstrumente und werden dabei mit echten
wissenschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Sie steuern zum Beispiel das
Gammastrahlen-Teleskop FACT von ihrem Rechner aus und werten die genommenen
Daten im Anschluss aus", beschreibt die Wissenschaftlerin das Projekt.
Das Teleskop FACT steht am Roque de los Muchachos-Observatorium auf der
Kanareninsel La Palma und registriert die nur wenige Nanosekunden langen und
sehr schwachen Lichtpulse von sogenanntem Tscherenkow-Licht. Seine Daten liefern
Astronomen einen einzigartigen Blick in das Universum. Außerdem ist es das
einzige seiner Art, das über das Internet gesteuert werden kann und das
Studierenden den Zugang zu wissenschaftlichen Daten gewährleistet. Die
Universität Würzburg ist einer der an FACT beteiligten Partner.
Gestartet hat Daniela Dorner das Projekt 2016/17 an der Universität Erlangen,
wo sie zu damals als Gastprofessorin tätig war. Inzwischen sind zahlreiche
weitere Universitäten mit daran beteiligt. "In Diskussionen mit meinem Kollegen
an der RWTH Aachen ist die Idee entstanden, dass wir vergleichbare
Veranstaltungen an den jeweiligen Universitäten kombinieren und gemeinsam
digital durchführen", so Dorner. Dadurch habe sich die Möglichkeit ergeben, die
Veranstaltung um weitere wissenschaftliche Instrumente zu erweitern, die von den
verschiedenen Universitäten betrieben werden. "Dies ermöglicht den Studierenden
nicht nur mehr interessante wissenschaftliche Inhalte, sondern bietet ihnen auch
die Chance zum Austausch mit internationalen Kommilitonen", so die Astronomin.
Corona stellt Dorner und ihre Kollegen deshalb vor keine allzu große
Herausforderung: "Da die Messinstrumente über den gesamten Globus verteilt sind,
findet ein Großteil der Veranstaltung sowieso mithilfe von Rechnern und dem
Internet im Computerraum statt", sagt die Wissenschaftlerin. Dies habe es
deutlich erleichtert, die Veranstaltung auch in Corona-Zeiten digital und
international weiterzuführen.
Auf den Lorbeeren des Stifterverbands ausruhen will sich das Team um Dorner
aber nicht. Nun versucht werden, andere Universitäten und Wissenschaftler, die
an ähnlichen Projekten arbeiten, für das Projekt zu gewinnen und mit ihnen
gemeinsam die Veranstaltung zu erweitern. Schließlich, so Dorner, sei solch ein
zukunftsorientiertes Lehrangebot unerlässlich, um Studierende auf die
technologischen Herausforderungen der Zukunft gut vorzubereiten.
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