Der Feuerring der Venus
Redaktion
/ Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
21. Juli 2020
Mithilfe von Computersimulationen haben Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler hochaufgelöste Bilder der Venus-Oberfläche ausgewertet, um
eine bestimmte Form der vulkanischen Aktivität zu kartieren. Dabei spürten sie
einen bislang unentdeckten Feuergürtel auf unserem Nachbarplaneten auf. Die
Ergebnisse sind nicht nur für das Verständnis der Vorgänge auf der Venus
interessant.
Der kreisrunde Berg im Vordergrund ist eine
500 Kilometer große Corona in der Galindo-Region
der Venus. Die dunklen Rechtecke sind ein
Artefakt.
Foto: NASA/JPL/USGS [Großansicht] |
Auf der Oberfläche der Venus entdeckten Planetenforscher schon vor Jahren auf
hochauflösenden Bildern der NASA-Mission Magellan eigenartige
ringförmige Strukturen. Coronae (lat. Kronen; Einzahl: Corona) werden diese
genannt, und ETH-Forschende um Taras Gerya, Professor für Geophysik am
Departement Erdwissenschaften, erforschten vor einigen Jahren mithilfe von
Computermodellen, wie diese Strukturen entstanden sein könnten.
Bis heute gehen die meisten Forschenden davon aus, dass sogenannte
Mantelplumes, die tief aus dem Inneren des Planeten aufsteigen, die
kreisförmigen Strukturen an der Oberfläche hervorbringen. Mantelplumes sind
Säulen aus heißem, geschmolzenen Gestein, das durch Konvektionsbewegungen im
unteren Mantel bis zur Kruste gelangt. Dort breitet sich der oberste Teil der
Säule pilzförmig aus. Die mitgeführte Hitze schmilzt die darüber liegende Kruste
kreisförmig auf. Kontinuierlich aus der Tiefe emporsteigendes Material
verbreitert den Kopf des Plume und weitet die Ringstruktur auf der Oberfläche
aus – eine Corona entsteht. Die harte Kruste, welche den Mantelplume umgibt,
zerbricht und taucht schließlich unter den Rand der Corona ab, was lokal
tektonische Prozesse in Gang setzt.
Doch die Topografie von Coronae sind mitnichten homogen oder einfach zu
beschreiben. "Auf der Venus-Oberfläche kommen solche Strukturen in einer großen
Vielzahl von Formen und Größen vor", sagt Anna Gülcher, Doktorandin in Geryas
Forschungsgruppe. Mithilfe eines größeren Satzes von verbesserten
3D-Simulationen hat Gülcher die Coronae deshalb erneut untersucht, um die
Vielfalt der Oberflächentopografie mit darunter ablaufenden Prozessen zu
verknüpfen. Die neuen Simulationen zeigen, dass die Topografie einer Corona
davon abhängt, wie dick und stark die Kruste an der Stelle ist, an welcher ein
Mantelplume auftrifft. Dabei ging klar hervor, dass die Coronae-Topografien
davon abhängen, wie aktiv die darunterliegende Magmasäule ist.
Diese Unterscheidung erlaubte es der Forscherin und ihren Kollegen, über
hundert große Coronae der Venus in zwei wesentliche Gruppen einzuteilen, nämlich
solche, unter denen derzeit ein aktiver Plume aufsteigt und geschmolzenes
Material mitführt, und jene, unter denen der Plume erkaltet und inaktiv geworden
ist. "Jede Corona-Struktur hat eine spezifische Signatur, die anzeigt, was
darunter vor sich geht", sagt Gülcher.
Alle aufgrund ihrer Aktivität eingeteilten Coronae trug die Forscherin auf
einer Venus-Karte ein. Zu ihrer Überraschung konnte sie die meisten der
Strukturen, die über aktiven Mantelplumes liegen, auf einem Gürtel in der
unteren Hemisphäre der Venus verorten. Nur wenige aktive liegen außerhalb dieses
Bandes. "Wir nannten es deshalb in Anlehnung an den 'Pazifischen Feuerring der
Erde' den 'Feuerring der Venus'", so Gülcher.
Sie geht davon aus, dass der Feuerring der Venus mit einer Zone
zusammenfällt, in der besonders viel Plume-Material aufstößt. Es sei jedoch
wichtig zu beachten, dass auf der Erde die Plattentektonik für die Lage und
Dynamik des Feuerrings verantwortlich sei. Auf der Venus sei es vertikaler
Hotspot-Vulkanismus, der auf der Erde nur an wenigen Orten vorkomme. Weshalb
sich die Mantelplumes auf der Venus genau in solch einem Gürtel anordnen und was
dies heißt in Bezug auf Prozesse, die sich tief im Inneren dieses Planeten
abspielen, ist eine wichtige Frage. Diese könnte in künftigen Studien mit
Computersimulationen im großen Maßstab angegangen werden, erklärt Gülcher.
In ihren Modellen simulieren die Forschenden nur wenige hundert Kilometer des
obersten Teils eines Mantelplumes. In Realität aber könnten solche Magmasäulen
über 1000 Kilometer lang sein. "Die gesamte Länge zu simulieren, kommt aufgrund
der erforderlichen Rechenkapazität nicht in Frage", sagt Gülcher. Nur schon die
aktuellen Simulationen sind achtmal größer als bisherige. Gerechnet wurden sie
auf dem Euler-Cluster der ETH. Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die
Planetenforschenden auch neue Einsichten darüber, wie Mantelplumes im Inneren
der Erde funktionieren. Sie dürften verantwortlich sein für die Entstehung von
Hotspot-Vulkanismus wie er sich beim Hawaiianischen Inselarchipel äußert.
Über die Ergebnisse ihrer Untersuchung berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature Geoscience erschienen ist.
|