Ein Doppel-Proto-Sternsystem im Detail
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
10. Juni 2020
Hochauflösende Beobachtungen eines jungen Sternsystems
offenbaren eindeutig ein Paar von Proto-Sternen im frühesten
Entwicklungsstadium, die tief in die Quelle IRAS 16293-2422 der Ophiuchus-Molekülwolke
eingebettet sind. Einem Team gelang es dank ALMA nicht nur, deren genaue
Konfiguration zu bestimmen, sondern sie konnten auch die Gas- und
Sternbewegungen messen.
Zoom in die Ophiuchus-Molekülwolke mit dem
Sternentstehungssystem IRAS 16293-2422, das aus
dem Protostern B in der oberen rechten Ecke und
den jetzt klar identifizierten
Doppel-Proto-Sternen A1 und A2 unten links
besteht. Eine Detailaufnahme des
Doppelsternsystems ist unten rechts zu sehen.
Bild: MPE / Hintergrund: ESO/Digitized Sky
Survey 2; Davide De Martin [Großansicht] |
Das System IRAS 16293-2422 ist eine der hellsten Sternentstehungsregionen in
unserer Nachbarschaft. Es befindet sich in der Ophiuchus-Molekülwolke in einer
Entfernung von etwa 460 Lichtjahren und wurde bereits eingehend untersucht,
unter anderem weil sich hier zahlreiche komplexe organische Moleküle, die
Bausteine präbiotischer Moleküle, durch ihre Emission zeigen. Bis jetzt war
jedoch die detaillierte Quellen-Konfiguration in dieser Region unklar, wobei
Beobachtungen bei verschiedenen Wellenlängen mehrere kompakte Quellen an leicht
unterschiedlichen Orten zeigten.
Dies lässt sich auf großen Mengen an Materie vor den entstehenden
Proto-Sternen zurückzuführen, die davon in diesen frühesten Stadien ihrer
Entstehung erwartungsgemäß verdeckt werden. Ein internationales Team von
Astronominnen und Astronomen unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für
extraterrestrische Physik (MPE) hat nun hochauflösende Radiobeobachtungen des
ALMA-Interferometers erhalten, die neben dem bekannten Proto-Stern B zwei
kompakte Quellen A1 und A2 deutlich erkennen lassen.
"Unsere Beobachtungen bestätigen die Position der beiden nahe beieinander
liegenden Protosterne und zeigen, dass beide jeweils von einer sehr kleinen
Staubscheibe umgeben sind, die wiederum in eine große Menge an Materie mit
komplexen Mustern eingebettet sind", bemerkt María José Maureira vom MPE. Die
Quelle A1 hat eine Masse von etwas weniger als einer Sonnenmasse und ist in eine
kleine Staubscheibe von etwa der Größe des Asteroidengürtels eingebettet; die
Quelle A2 hat eine Masse von etwa 1,4 Sonnenmassen und ist in eine etwas größere
Scheibe eingebettet.
Interessanterweise erscheint diese Scheibe um A2 auch in einem Winkel zur
Gesamtorientierung der größeren Wolkenstruktur, während die Scheibe um die
Quelle B - in viel größerem Abstand - frontal gesehen wird, was auf eine
ziemlich chaotische Entstehungsgeschichte hinweist. Zusätzlich zur direkten
Abbildung der Staubemission erhielt das Team auch Informationen über die
Bewegung des Gases um die Sterne durch Beobachtungen von Spektrallinien
organischer Moleküle, die den Bereich hoher Dichte, der das nun entdeckte
Doppelsternsystem umgibt, gut nachzeichnen.
Dies ermöglichte es ihnen, eine unabhängige Massenmessung durchzuführen und
zu bestätigen, dass A1 und A2 aneinander gebunden sind. Durch die Kombination
ihrer jüngsten Beobachtungen mit Daten, die in den letzten 30 Jahren gesammelt
wurden, fand das Team heraus, dass die beiden Sterne sich alle 360 Jahre einmal
umkreisen, und zwar in einem Abstand, der dem Pluto-Orbit ähnelt, wobei die
Umlaufbahn um etwa 60° geneigt ist. "Dies ist das erste Mal, dass wir in der
Lage waren, die vollständigen Bahnparameter eines Doppelsternsystems in diesem
frühen Stadium der Sternentstehung abzuleiten", betont Jaime Pineda vom MPE, der
an der Modellierung beteiligt war.
"Mit diesen Ergebnissen sind wir endlich in der Lage, in eines der am
stärksten eingebetteten und jüngsten proto-stellaren Systeme einzutauchen und
seine dynamische Struktur und komplexe Morphologie zu enthüllen: Wir sehen
Verbindungen in der Materie zwischen den zirkumstellaren Scheiben und ihrer
umgebenden Region und wahrscheinlich auch mit der zirkumbinären Scheibe. Die
kleinen Scheiben werden wahrscheinlich immer weiter gefüttert und wachsen noch",
betont Paola Caselli, Direktorin am MPE und Leiterin des Zentrums für
Astrochemische Studien. "Dies war nur möglich dank der großen Sensibilität von
ALMA und der Beobachtung von Molekülen, die diese dichten Regionen einzigartig
nachzeichnen. Moleküle senden uns Signale mit sehr spezifischen Frequenzen, und
aufgrund der Veränderungen dieser Frequenzen in der Region (durch interne
Bewegungen) kann man die komplexe Kinematik des Systems rekonstruieren. Das ist
die Stärke der Astrochemie."
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal.
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