Bennu, Ryugu und die Diamantform
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
3. Juni 2020
Bennu und Ryugu sind zwei erdnahe Asteroiden mit einer
diamantenähnlichen Form, über deren Entstehung lange Zeit gerätselt wurde. Man
vermutete bislang, dass sie beide vom gleichen Mutterasteroiden abstammen
könnten, nur passten nicht alle Beobachtungen zu dieser Theorie. Jetzt
vorgestellte Simulationen werfen aber nun ein neues Licht auf die Entstehung der
beiden Brocken.
Der Asteroid Bennu, aufgenommen von OSIRIS-REx
aus einer Entfernung von etwa acht Kilometern.
Bild: NASA/Goddard/University of Arizona [Großansicht] |
Vor rund viereinhalb Milliarden Jahren, als unser Sonnensystem noch in den
Kinderschuhen steckte, gab es noch keine Erde. Sie war, zusammen mit den anderen
Planeten des Systems, noch als Staub in der sogenannten protoplanetaren Scheibe
verteilt. Über Jahrtausende hinweg klumpte sich dieser Staub langsam zusammen
und bildete immer größere Objekte. Diese kollidierten oft heftig miteinander,
manchmal zerschmetterten sie sich gegenseitig. Mit der Zeit jedoch bildeten sich
daraus planetarische Bausteine und schließlich unser Heimatplanet und seine
Nachbarn.
Auch heute noch zeugen Krater auf der Oberfläche von Himmelskörpern von
diesen Kollisionen. Dies gilt auch für die beiden Asteroiden Ryugu und Bennu,
wie Aufnahmen von der Raumsonde Hayabusa2 der japanischen Raumfahrtagentur JAXA
und der OSIRIS-REx-Mission der NASA zeigen. Die beiden Asteroiden waren jedoch
möglicherweise nicht nur von Kollisionen betroffen, sondern sind sogar durch
solche entstanden, wie eine jetzt publizierte Studie darlegt.
Die jüngsten Untersuchungen haben nicht nur gezeigt, dass beide Asteroiden in
ihrer Form Diamanten ähneln, sondern auch, dass es sich weniger um Einzelobjekte
handelt, sondern eher um Aggregate von Felsen, die durch die Schwerkraft
zusammengehalten werden. Außerdem scheinen beide Asteroiden vom Typ der
kohlenstoffhaltigen Asteroiden zu sein, was bedeutet, dass ihre Zusammensetzung
große Mengen an Kohlenstoff enthält. Diese Ähnlichkeiten veranlassten die
Forschenden zu der Annahme, dass Ryugu und Bennu von größeren Asteroiden
abstammen, vielleicht sogar vom selben Objekt. Dennoch zeigten weitere
Beobachtungen, dass die beiden Asteroiden auch Unterschiede aufweisen. Am
bemerkenswertesten sind die unterschiedlichen Hydratationswerte: Ryugu scheint
trockener zu sein als Bennu.
Wenn aber die beiden Asteroiden tatsächlich vom selben Objekt stammen, wie
könnten dann die unterschiedlichen Hydratationsniveaus erklärt werden, wenn man
ihre ausgeprägte Diamantenformen in Betracht zieht? An dieser Stelle kam Martin
Jutzi vom Physikalischen Institut und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt
PlanetS an der Universität Bern ins Spiel, dessen Spezialgebiet 3D-Simulationen
von Kollisionen sind. Damit konnte Jutzi in der Vergangenheit unter anderem
nachweisen, dass der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko viel jünger ist als
angenommen, und er konnte die Entstehung der Saturnmonde klären, die aussehen
wie kosmische Ravioli und Spätzle.
"Für die aktuelle Studie habe ich die Kollisionen eines potenziellen
Mutter-Asteroiden mit anderen Objekten modelliert und berechnet, wie sich dies
auf die Dichte der Fragmente auswirken könnte", erklärt er. Mithilfe seiner
Berechnungen konnte das Team zeigen, dass sich die Kollisionsfragmente wieder
zusammensetzen und die Diamantenform bilden können. Frühere Studien hatten
angedeutet, dass die Form auf einen thermischen Effekt zurückzuführen ist, der
die Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden beschleunigt und zu einer
äquatorwärts gerichteten Verschiebung des Materials führt.
Da dieser Effekt jedoch eine lange Zeit benötigt, um die Diamantenform zu
erzeugen, wäre es schwierig gewesen, ihn mit den sehr alten Kratern in Einklang
zu bringen, die darauf hindeuten, dass die Form schon früh in der Geschichte der
Asteroiden entstanden ist. "Wir konnten die These, dass die Form auf thermische
Effekte zurückzuführen ist, nun also dank unserer Simulationen widerlegen",
erklärt Jutzi.
Jutzi und seine Kolleginnen und Kollegen zeigten auch, dass die Fragmente
durch die Kollisionen unterschiedlich stark erhitzt werden konnten. "Wir haben
die Modelle zur Berechnung des verursachten Temperaturanstiegs verbessert2,
erklärt Jutzi. Diese Erwärmung treibt die Verdampfung und den Verlust von Wasser
in den Mineralien der Asteroiden an. Die unterschiedliche Erwärmung könnte somit
die Unterschiede beim Wasserverlust und den daraus resultierenden
Hydratationswerten erklären.
Materialproben aus den beiden Asteroiden-Probenentnahme-Missionen werden es
den Forschenden ermöglichen, ihre Ergebnisse in Zukunft zu verifizieren. Die
JAXA-Mission befindet sich derzeit auf dem Rückweg zur Erde. Wenn alles wie
geplant verläuft, wird sie ihre Proben von Ryugu bis Ende des Jahres liefern.
Die NASA-Raumsonde wird versuchen, ihre Proben von Bennu im Herbst zu sammeln
und dürfte sie in etwas mehr als drei Jahren zur Erde zurückbringen. Die
Forschenden hoffen, dass die Proben ihnen helfen werden, Ursprung, Entstehung
und Entwicklung nicht nur von Ryugu und Bennu besser zu verstehen, wie Martin
Jutzi sagt: "Indem wir diese Objekte betrachten, können wir idealerweise auch
unser Verständnis dafür verbessern, wie die planetarischen Bausteine entstanden
sind, die schließlich die Erde geformt haben."
Die neue Studie zur Entstehung von Ryugu und Bennu ist jetzt in Nature
Communications erschienen.
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