Planetenentstehung um AB Aurigae?
von
Stefan Deiters astronews.com
20. Mai 2020
Schon länger hatte man es vermutet, nun könnte mit dem
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO die entscheidende
Beobachtung gelungen sein: Um den Stern AB Aurigae entstehen gerade Planeten.
Ein Team entdeckte eine Spiralstruktur um die junge Sonne, in der es einen
charakteristischen Knick gibt, der auf die Geburt eines Planeten um den 520
Lichtjahre entfernten Stern hindeutet.
Die Staubscheibe um AB Aurigae. Unten eine Detailansicht, die
vermutete Region mit der Planetenentstehung ist markiert. Der
blaue Kreis unten links stellt maßstabsgetreu die Größe der
Umlaufbahn von Neptun dar.
Bild: ESO / Boccaletti et al. [Großansicht] |
"Man hat bislang Tausende von extrasolaren Planeten entdeckt, doch wir wissen
noch immer nur sehr wenig darüber, wie sie entstehen", so Anthony Boccaletti vom
Observatoire de Paris. Die Astronomie ist sich zwar inzwischen sicher,
dass Planeten durch das Zusammenballen von kaltem Gas und Staubklumpen in
Staubscheiben um junge Sterne wie AB Aurigae entstehen, die neuen, heute
vorgestellten Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO könnten aber Genaueres über die physikalischen
Prozesse dabei verraten.
"Wir müssen junge Sternsysteme beobachten, um genau den Moment zu erwischen,
zu dem Planeten sich bilden", so Boccaletti. Bislang war es aber nicht gelungen,
hinreichend detaillierte Aufnahmen der Staubscheiben um junge Sonnen zu
gewinnen, die es erlauben, Strukturen zu erkennen, die auf eine gerade
ablaufende Planetenentstehung hindeuten.
Dank des Very Large Telescopes und seines Instruments SPHERE könnte
sich dies nun geändert haben: Das Team beobachtete mit SPHERE das 520 Lichtjahre
entfernte System AB Aurigae im Sternbild Fuhrmann. Um den jungen Stern ist eine
Scheibe aus Gas und Staub mit einer
eindrucksvollen Spiralstruktur zu erkennen. Diese würde, so
Emmanuel Di Folco vom Laboratoire d’Astrophysique de Bordeaux, auf
Babyplaneten hindeuten, die "Störungen in der Scheibe in Form von Wellen
erzeugen, wie die Bugwelle eines Bootes auf einem See." Durch den Umlauf des
jungen Planeten um seine Sonne entsteht dann eine Spiralstruktur.
Auf den neuen Aufnahmen ist auch eine helle gelbliche Region zu erkennen, in
der der Spiralarm einen Knick zu haben scheint. Diese Stelle hat in etwa eine
Entfernung von AB Aurigae, wie der Neptun von unserer Sonne. Hier, so das Team,
dürfte sich einer der jungen Planeten verbergen, die gerade entstehen und für
die Spiralstruktur verantwortlich sind.
Dass um AB Aurigae Planeten entstehen könnten, hatten zuletzt Beobachtungen mit dem Radioteleskopverbund Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA) im Jahr 2017 vermuten lassen, doch auch zuvor hatte die
Staubscheibe um den Stern immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen (astronews.com
berichtete). Im
Jahr 2019 und Anfang 2020 haben dann Boccaletti und sein Team versucht, mithilfe
des Very Large Telescope ein detailliertes Bild der Staubscheibe um den
Stern zu gewinnen. Die neuen Aufnahmen sind die detailliertesten Ansichten des
AB-Aurigae-Systems, die bislang gewonnen wurden.
Die SPHERE-Beobachtungen zeigen nämlich auch das schwache Licht von kleinen
Staubkörnern und die Emissionen aus der inneren Staubscheibe. Sie bestätigten
die Existenz der schon von ALMA beobachteten Spiralstruktur und fanden darin
zudem einen besonders hellen, etwas verbogenen Bereich, der auf die Entstehung
eines Planeten hindeutet. "Dieser wurde von einigen theoretischen Modellen zur
Planetenentstehung vorhergesagt", so Anne Dutrey vom Laboratoire
d’Astrophysique de Bordeaux. "Es ist der Punkt, an dem sich zwei Spiralarme
treffen - einer geht von dort nach innen, der andere nach außen und sie
verbinden sich am Ort des Planeten. Sie ermöglichen das Wachstum des Planeten
aus dem Gas und dem Staub der Scheibe."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronominnen und Astronomen in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint.
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