Explosion oder Kollaps am Ende?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung astronews.com
22. Januar 2020
Wie sieht das Schicksal von Sternen mittlerer Masse aus?
Einer internationalen Forschungsgruppe ist es nun gelungen, experimentell die
Bedingungen von Kernprozessen in Materie zu bestimmen, die der im Inneren
solcher Sterne gleicht. Das Ergebnis: Sterne mittlerer Masse dürften sehr
wahrscheinlich explodieren und nicht kollabieren, wie bisher angenommen.
Keplers Supernovaüberrest: Explosionen wie
die diskutierten würden einen Überrest
produzieren, der vergleichbar mit Kepler ist,
jedoch einen weißen Sauerstoff-Neon-Eisen-Zwerg
im Zentrum hat.
Bild: NASA / CXC / NCSU / M. Burkey et
al. (Röntgen)/ DSS (Optisch) [Großansicht] |
Abhängig von ihrer Masse entwickeln sich Sterne im Laufe ihres Daseins sehr
unterschiedlich. Sterne geringer Masse, wie etwa unsere Sonne, werden am Ende zu
Weißen Zwergen. Massereiche Sterne andererseits enden in einer spektakulären
Explosion, die man als Supernova bezeichnet, und lassen entweder einen
Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch zurück. Das Schicksal der massearmen und
massereichen Sterne ist gut verstanden, aber die Situation bei Sternen mittlerer
Masse, die zwischen sieben und elf Sonnenmassen aufweisen, war bisher unklar.
Dies ist überraschend, da sie in unserer Galaxie weitverbreitet sind.
"Das Schicksal der Sterne mittlerer Masse hängt von einem winzigen Detail ab,
nämlich wie leicht das Isotop Neon-20 im Inneren des Sterns sich Elektronen
einfangen kann. Je nach Elektroneneinfangsrate wird der Stern entweder in einer
thermonuklearen Explosion zerstört oder er kollabiert und bildet einen
Neutronenstern", erklärt Professor Gabriel Martínez-Pinedo aus der
Forschungsabteilung Theorie des GSI Helmholtzzentrums für
Schwerionenforschungund dem Institut für Kernphysik der TU Darmstadt.
"Die Arbeiten begannen, als wir erkannten, dass ein stark unterdrückter,
bisher ignorierter und experimentell unbekannter Übergang zwischen den
Grundzuständen von Neon-20 und Fluor-20 ein essentielles Puzzlestück zur
Bestimmung der Elektroneneinfangsrate in Sternen mittlerer Masse ist," ergänzt
Professor Karlheinz Langanke, Forschungsdirektor von GSI und der
Beschleunigeranlage FAIR, die gerade im Bau ist. Durch eine Kombination präziser
Messungen des Beta-Zerfalls von Fluor-20 mit theoretischen Berechnungen gelang
einer internationalen Kollaboration unter Beteiligung von GSI und der TU
Darmstadt nun die Bestimmung dieser wichtigen Rate.
Das Experiment fand unter sehr viel friedvolleren Bedingungen statt als im
Inneren von Sternen, nämlich am Beschleunigerlabor der Universität Jyväskylä.
Gemessen wurde ein überraschend starker Übergang zwischen den Grundzuständen von
Neon-20 und Fluor-20, was zu einem Elektroneneinfang in Neon-20 bei einer sehr
viel geringeren Dichte führt als bisher angenommen. Für den Stern bedeutet dies,
entgegen bisheriger Annahmen, dass er sehr viel wahrscheinlicher von einer
thermonuklearen Explosion zerstört wird, als zu einem Neutronenstern zu
kollabieren.
"Es ist beeindruckend, dass ein einzelner Übergang so einen starken Einfluss
auf die Entwicklung so eines großen Objekts wie eines Sterns haben kann", sagt
Dag Falin Strömberg, der als Doktorand an der TU Darmstadt für einen großen Teil
der Simulationsrechnungen verantwortlich war. Da thermonukleare Explosionen
deutlich mehr Material ausstoßen als die von einem Gravitationskollaps
ausgelösten, haben die Ergebnisse Auswirkungen auf die chemische Entwicklung der
Galaxis.
Das ausgestoßene Material ist reich an Titan-50, Chrom-54 und Eisen-60. Daher
könnten ungewöhnliche Titan- und Chrom-Isotopenverhältnisse, die man in einigen
Meteoriten gefunden hat, sowie die Entdeckung von Eisen-60 in Tiefseesedimenten
von Sternen mittlerer Masse produziert worden sein und somit bezeugen, dass
diese in unserer galaktischen Nachbarschaft in der fernen (Milliarden Jahre) und
nicht so fernen (Millionen Jahre) Vergangenheit explodiert sind.
Im Licht dieser neuen Funde scheint das wahrscheinlichste Schicksal eines
Sterns mittlerer Masse eine thermonukleare Explosion zu sein, die eine weniger
leuchtstarke Supernova vom Typ Ia und eine spezielle Art des Weißen Zwergs,
genannt Weißer Sauerstoff-Neon-Eisen-Zwerg, erzeugt. Die (Nicht-)Entdeckung
eines solchen Weißen Zwergs in der Zukunft würde wichtige Einblicke in den
Explosionsmechanismus ermöglichen.
Eine weitere offene Frage ist die Rolle der Konvektion, also der Bewegung
großer Materialmengen im Inneren des Sterns, in der Explosion. An bestehenden
und an zukünftigen Beschleunigerzentren wie der internationalen FAIR-Anlage (Facility
for Antiproton and Ion Research) können bisher unerforschte Isotope und ihre
Eigenschaften untersucht werden.
Über ihre Untersuchung berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht wurde.
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