Erster Magnet für ALPS II installiert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY astronews.com
8. November 2019
Am 28. Oktober 2019 wurde der erste von 24 supraleitenden
Magneten für das internationale Forschungsprojekt ALPS II bei DESY in Hamburg in
einem ehemaligen Beschleunigertunnel installiert. Mit diesem Experiment soll
nach Antworten auf eine der größten Fragen der heutigen Physik gesucht werden:
Was sind die Eigenschaften von Dunkler Materie?
Künstlerische Darstellung des
ALPS-II-Experiments.
Bild: DESY / Scicom-Lab [Großansicht] |
"Es ist wirklich aufregend zu sehen, wie das Projekt, an dem viele von uns
seit so vielen Jahren arbeiten, endlich im Tunnel Gestalt annimmt", sagte
ALPS-II-Sprecher Axel Lindner von DESY. "Wenn die Installation und
Inbetriebnahme wie geplant verläuft, können wir die Messungen in der ersten
Hälfte des Jahres 2021 starten." ALPS steht für "Any light particle search".
Die Natur der Dunklen Materie ist eines der größten Rätsel der Physik.
Beobachtungen und Berechnungen der Bewegung von Sternen in Galaxien zeigen, dass
es im Universum mehr Materie geben muss, als wir mit den uns heute bekannten
Materieteilchen erklären können. Tatsächlich müsste die Dunkle Materie 85
Prozent der gesamten Materie im Universum ausmachen. Allerdings wissen wir
derzeit nicht, was die Bestandteile der Dunklen Materie sind. Aber wir wissen,
dass sie quasi nicht mit der normalen Materie interagiert und im Wesentlichen
unsichtbar ist, daher die Bezeichnung "dunkel".
Es gibt viele Theorien, die versuchen, die Natur der Dunklen Materie und die
Teilchen, aus denen sie bestehen könnte, zu erklären. Einige dieser Theorien
besagen, dass die Dunkle Materie aus sehr leichten Teilchen mit sehr
spezifischen Eigenschaften besteht. Ein Beispiel ist das Axion, das ursprünglich
zur Erklärung von Aspekten der starken Wechselwirkung, einer der fundamentalen
Naturkräfte, postuliert wurde. Es gibt auch rätselhafte astrophysikalische
Beobachtungen in der Evolution von Sternensystemen, die sehr gut durch die
Existenz von Axionen oder Axion-ähnlichen Teilchen erklärt werden können.
Hier setzt ALPS II an. Es wurde entwickelt, um diese Teilchen zu erzeugen und
nachzuweisen. Ein starkes Magnetfeld kann Axionen dazu bringen, sich in
Lichtteilchen, Photonen, umzuwandeln und umgekehrt. "Diese bizarre Eigenschaft
wurde bereits im ersten ALPS I-Experiment, das wir von 2007 bis 2010
durchgeführt haben, genutzt. Trotz seiner geringen Größe erreichte es die
weltweit besten Sensitivitäten für solche Experimente", sagt Benno Willke,
Leiter der ALPS- und Laserentwicklungsgruppe am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert Einstein-Institut) und am Institut für
Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.
ALPS II wird in einem geraden Tunnelabschnitt des ehemaligen
DESY-Teilchenphysikbeschleunigers HERA installiert. Vierundzwanzig supraleitende
Beschleunigermagnete, zwölf auf beiden Seiten einer Wand, beherbergen zwei 120
Meter lange optische Resonatoren. Ein leistungsstarkes und komplexes Lasersystem
erzeugt Licht, das durch den Resonator im Inneren des Magnetfeldes verstärkt
und, so hoffen die Forscherinnen und Forscher, zu einem sehr kleinen Teil in
Teilchen der Dunklen Materie umgewandelt wird. Eine lichtblockierende Barriere -
eine Wand – steht vor der anderen Hälfte von ALPS II. Diese Wand ist allerdings
keine Hürde für Axionen und ähnliche Teilchen, die sie leicht passieren können.
Im zweiten Resonator würden die Teilchen der Dunklen Materie wieder in Licht
umgewandelt. Das winzige Signal wird von speziellen Detektionssystemen erfasst.
Die mehr als 1.000-fache Verbesserung der Empfindlichkeit von ALPS II wird durch
die größere Länge der Magnetstrecke, aber auch durch signifikante Fortschritte
in optischen Technologien ermöglicht. "Diese Fortschritte sind das Ergebnis der
Arbeit an Gravitationswellen-Interferometern wie GEO600 und LIGO und zeigen auf
schöne Weise, wie technologische Fortschritte in einem Bereich Fortschritte in
anderen ermöglichen", sagte Co-Sprecher Guido Müller von der University of
Florida in Gainesville.
ALPS II ist auch ein Beispiel für das Recycling in der Forschung: Es nutzt
nicht nur einen Tunnelabschnitt, in dem einst der
Flaggschiff-Teilchenbeschleuniger von DESY untergebracht war, sondern es
recycelt auch die Magnete, die bis 2007 Protonen durch den Ring trieben. Diese
Magnete mussten umgebaut werden, um den ALPS-Zwecken gerecht zu werden: Die
leichte Biegung, die für den Einsatz in einem Beschleunigerring nötig war,
musste entfernt werden, damit sich Licht durch sie ungehindert ausbreiten kann.
Die ALPS II-Kooperation besteht aus etwa 25 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern der folgenden Institute: DESY, das Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert Einstein Institut) und das Institut für
Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover, die Johannes
Gutenberg-Universität Mainz, die University of Florida in Gainesville und die
Cardiff University. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit von Partnern wie der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Deutschland und dem National
Institute of Standards and Technology in den USA unterstützt.
Das Experiment wird hauptsächlich von DESY, der Heising-Simons Foundation,
der US National Science Foundation, der Deutschen Volkswagenstiftung und der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Bei DESY könnte ALPS II nur
das erste Experiment innerhalb eines neuen strategischen Ansatzes auf der Suche
nach der Dunklen Materie sein. "Internationale Kooperationen bereiten das
IAXO-Experiment zur Suche nach den von der Sonne emittierten Axionen sowie den
MADMAX-Detektor vor, der direkt nach Axionen als Bestandteilen der uns
umgebenden lokalen Dunklen Materie fahndet", erklärte Joachim Mnich, Direktor
für Teilchenphysik bei DESY.
|