Die Atmosphäre eines besonderen Exoplaneten
von
Stefan Deiters astronews.com
8. Juli 2019
Den beiden Weltraumteleskopen Hubble und
Spitzer ist es gelungen, Daten für eine detaillierte Analyse der Atmosphäre
eines extrasolaren Planeten zu liefern, dessen Masse zwischen der unserer Erde
und der des Neptun liegt. Einen solchen Planeten gibt es in unserem Sonnensystem
nicht. Die Zusammensetzung der Atmosphäre der fernen Welt hat die Forscher
überrascht.
So könnte Gliese 3470 b aussehen: Über einem Gesteinskern
befindet sich eine dicke Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium
(oben). Entstanden ist der Planet vermutlich ganz in der Nähe
seines Sterns, innerhalb der sogenannten Eislinie (unten) in
der protoplanetaren Scheibe. Bild:
NASA, ESA und L. Hustak (STScI) [Großansicht] |
Ziel der Beobachtungen war der Planet Gliese 3470 b und sein Stern Gliese
3470, der rund 100 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Krebs liegt.
Mit der etwa 12,6-fachen Masse der Erde ist der Planet deutlich "leichter" als Neptun (mit über 17 Erdmassen), aber auch
erheblich "schwerer" als unsere Heimatwelt. In den letzten Jahren wurden
zahlreiche Planeten mit ähnlichen Eigenschaften um andere Sonnen entdeckt, in
unserem Sonnensystem gibt es allerdings keinen vergleichbaren Planeten. So war
es bislang auch schwierig, mehr über die chemische Zusammensetzung dieser Welten
zu erfahren.
Gliese 3470 b tut den Astronomen allerdings den Gefallen, dass er regelmäßig
vor seinem Zentralstern vorüberzieht und auch hinter diesem verschwindet. Die
Weltraumteleskope Hubble und Spitzer haben 12 solcher Transits vor dem Stern und
20 Mal sein Verschwinden hinter dem Stern verfolgt. Dabei wurde die Absorption
des Sternenlichts beim Vorüberziehen und auch das Fehlen des reflektierten
Lichts vom Planeten während des Verschwindens hinter dem Stern sorgfältig
registriert und ausgewertet.
"Es ist das erste Mal, dass wir die spektrale Signatur einer solchen Welt
vorliegen haben", freut sich Björn Benneke von der Universität im kanadischen
Montreal. "Es ist eine wichtige Entdeckung aus der Sicht der Forschung über die
Entstehung von Planeten. Der Planet umkreist seine Sonne in nur sehr geringem
Abstand, ist deutlich masseärmer als Jupiter und konnte dennoch eine gewaltige
Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium ansammeln, die kaum von schweren Elementen
'verschmutzt' ist." Wie man eine solche Welt nun nennen soll, weiß der
Wissenschaftler nicht - Supererde oder Subneptun oder vielleicht doch ganz
anders?
"Wir hatten eigentlich eine Atmosphäre erwartet, die mit schweren Elementen
wie Sauerstoff und Kohlenstoff angereichert ist, woraus dann Wasserdampf oder
Methan entstehen kann, wie es etwa bei Neptun der Fall ist", so Benneke.
"Stattdessen haben wir eine Atmosphäre vorgefunden, die kaum schwere Elemente
enthält und in ihrer Zusammensetzung unserer Sonne ähnelt."
In extrasolaren Planetensystemen wurden bereits zahlreiche jupiterähnliche
Planeten entdeckt, die ihren Stern in nur geringem Abstand umkreisen und daher
"heiße Jupiter" genannt werden. Sie dürften in größerer Entfernung von ihrer
Sonne entstanden und dann im Laufe der Zeit in die Nähe ihres Zentralsterns
gewandert sein. Der Planet um Gliese 3470 scheint hingegen genau dort entstanden
zu sein, wo wir ihn heute sehen können.
Eventuell hat er sich also tatsächlich gefährlich nah an seiner Sonne gebildet. Zunächst
entstand ein Gesteinskern, der dann sehr schnell Wasserstoff aus der
protoplanetaren Scheibe angezogen hat, die den jungen Stern umgab. "Wir haben es
hier mit einem Objekt zu tun, das in der Lage war, Wasserstoff aus der
protoplanetaren Scheibe aufzusammeln, aber trotzdem nicht zum Jupiter geworden
ist", so Benneke. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Scheibe aufgelöst
hat, bevor es dazu kommen konnte.
Mit neuen Instrumenten, etwa an Bord des Hubble-Nachfolgers
James Webb, sollte es möglich sein, bald noch mehr über die Atmosphäre von GJ
3470 b zu erfahren. Über ihre Beobachtungen berichten die Forscher in einem
Artikel, der in der Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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