Geburtshelfer von Planetensystemen?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
9. April 2019
Interstellare Objekte in Wolkenkratzergröße, wie der vor
zwei Jahren entdeckte `Oumuamua, könnten neuen Sternsystemen helfen, schneller
Planeten zu bilden. Das zumindest ist das Ergebnis einer jetzt vorgestellten
Studie. Wahrscheinlich driften unzählige solcher Asteroiden durch unsere
Milchstraße und dringen regelmäßig in andere Sonnensysteme ein.
Künstlerische Darstellung des
interstellaren Objekts ‘Oumuamua . Wie das Objekt
genau aussieht, weiß allerdings niemand.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Möglicherweise hat ein Gesteinsbrocken aus einem Lichtjahre entfernten
Planetensystem auch Planeten in unserem Sonnensystem "Starthilfe" gegeben. Das
zeigt eine neue Studie der Astrophysikerinnen Susanne Pfalzner vom Jülich
Supercomputing Centre in Deutschland und Michele Bannister von der Queen’s
University Belfast in Nordirland: Die Milchstraße könnte voller driftender
interstellarer Objekte wie der Asteroid `Oumuamua sein, der unserem Sonnensystem
im Oktober 2017 einen kurzen Besuch abgestattet hat (astronews.com berichtete).
Planetensysteme bilden sich und werfen dann Billionen von winzigen Welten in den
interstellaren Raum hinaus, so wie Pusteblumen ihre Samen streuen. Diese
driftenden Felsbrocken können als eine Art Keimzellen dienen, aus denen
schließlich ganze Planeten entstehen.
"Nach bestehenden Modellen bilden sich Planeten langsam aus mikrometergroßen
Gas- und Feinstaubteilchen in protoplanetaren Scheiben um einen Stern, die sich
Millionen von Jahren immer mehr verdichten", erklärt Pfalzner. Doch es gibt auch
Beobachtungen, die ein anderes Bild zeichnen. Manche Planeten müssen in weitaus
kürzerer Zeit entstanden sein, als es nach dem Standardmodell möglich wäre.
Interstellare Objekte wie Oumuamua könnten diese Widersprüche in Einklang
bringen. Die Forscherinnen schätzen, dass es in der Milchstraße, unserer
Heimatgalaxie, Quadrillionen (das ist eine 1 mit 24 Nullen) von `Oumuamua-ähnlichen
Objekten gibt, in einem Würfel mit einer Kantenlänge von einem Lichtjahr etwa 29
Billionen (eine 1 mit 12 Nullen). Zum Vergleich: Proxima Centauri, der
sonnennächste Stern, ist mehr als vier Lichtjahre entfernt.
Diese Planetoiden – wahrscheinlich relativ klein, dunkel und schnell –
bewegen sich frei im Weltraum, nachdem sie aus der Umlaufbahn um ihre
Heimatsterne geworfen wurden. Die interstellaren "Exilanten" könnten eine
entscheidende Rolle bei der Bildung von Planeten spielen, wenn sie von der
protoplanetaren Scheibe um einen anderen Stern eingefangen würden. "Viele dieser
Objekte bewegen sich vermutlich zu schnell, um von protoplanetaren Scheiben
eingefangen zu werden", erklärt Pfalzner. "Und von denen, die gefangen werden,
fallen die meisten wahrscheinlich in den Stern hinein."
Dennoch, so berechneten die Astrophysikerinnen, sollte es um jeden Stern
mindestens 10 Millionen dieser interstellaren Objekte geben. "Beim
Einfangprozess gehen also die meisten verloren. Doch da es so viele dieser
Objekte gibt, bleiben am Ende trotzdem noch reichlich von ihnen übrig", erklärt
Bannister. "Tausende davon sind wahrscheinlich mehr als einen Kilometer groß.
Einige wenige könnten die Größe von Zwergplaneten wie Ceres oder Pluto haben –
oder wie unser Mond."
Mit ihrer Schwerkraft könnten die Planetoiden Materie anziehen – Gas, Staub,
kleine Gesteinsbrocken – und so schließlich zu vollwertigen Planeten anwachsen.
Dieses Szenario würde das Problem mit der Geschwindigkeit der Planetenbildung
lösen. "Nach dem üblichen sogenannten Akkretions-Modell würde es bis zu
Zehntausende Jahre dauern, um aus mikroskopischen Staubpartikeln auch nur auf
millimeter- oder zentimetergroße Materieteilchen zu kommen", so Bannister. "Die
Bildung von erdähnlichen Planeten braucht dann noch einmal viele Millionen
Jahre, die von Gasgiganten wie Jupiter sogar noch länger."
Dennoch finden sich in jüngeren Sternclustern Planeten, die nur eine Million
Jahre alt sind. "Wenn sich Planeten nicht langsam aus mikrometergroßen Staub-
und Gasteilchen aufbauen müssten, würde das ihren Entstehungsprozess enorm
beschleunigen", erklärt Pfalzner. "Als die Idee aufkam, war sie so einleuchtend.
Ich hoffe, dass viele andere Forscher sie aufgreifen und das Modell testen
werden." Dieser Mechanismus würde auch auf sich selbst zurückwirken: Systeme mit
mehr Planeten werfen mehr Gesteinsbrocken wie `Oumuamua aus, die dann mehr
Planeten in anderen Systemen erzeugen: Planetensysteme helfen beim Aufbau von
Planetensystemen.
"Wenn sich unser Modell als richtig herausstellt, würde es auch erklären,
warum die ältesten Sterne weniger Planeten haben, als wir es bei neueren
Sternsystemen beobachten", so Pfalzner. "Frühe Planetengenerationen wären auf
konventionelle Art entstanden – und hätten dann mit ausgeworfenen `Oumuamuas die
Keimzellen für neue protoplanetare Scheiben geliefert." Die Planetenbildung in
der gesamten Galaxie könnte immer mehr zunehmen, da immer mehr verirrte Felsen
im Raum herumfliegen.
Über ihre These berichten die Wissenschaftlerinnen in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheinen wird.
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