Mysteriöses Objekt von einem anderen Stern
von Stefan Deiters astronews.com
21. November 2017
Vor wenigen Wochen entdeckten Astronomen erstmals einen
Asteroiden, der offenbar nicht aus unserem Sonnensystem stammt. Jetzt legten sie
die Ergebnisse gründlicher Beobachtungen mit dem Very Large Telescope
und anderen Teleskopen vor. Das inzwischen 1I/2017 U1 (`Oumuamua) getaufte Objekt ist
danach dunkelrot, zigarrenförmig und mindestens 400 Meter lang.
So könnte das interstellare Objekt `Oumuamua
auf Grundlage der jüngsten Beobachtungen
aussehen.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Der Besucher von jenseits des Sonnensystems wurde am 19. Oktober 2017
mithilfe des Teleskops Pan-STARRS 1 entdeckt, das regelmäßig den Himmel nach
Asteroiden und Kometen absucht, die auf ihrer Bahn um die Sonne der Erde
bedrohlich nahe kommen könnten. Anfangs hielt man den Brocken für einen kleinen
Asteroiden oder Kometen, doch nach gründlicheren Bahnberechnungen stellte sich
schnell heraus, dass das Objekt nicht aus unserem Sonnensystem kommen konnte (astronews.com
berichtete).
Die Bezeichnung für das ursprünglich als A/2017 U1 katalogisierte Objekt
wurde daher geändert zu 1I/2017 U1. Die Internationale Astronomische Union schuf
dazu die neue Objektklasse der "interstellaren Asteroiden". 1I/2017 U1 erhielt
zudem einen aus der hawaiianischen Sprache stammenden Namen: `Oumuamua. Bei dem
Zeichen vor dem "O" handelt es sich um einen Okina, einen speziellen Konsonanten
aus der hawaiianischen Sprache. Ausgesprochen wird der Name von 1I/2017 U1 in
etwa "H O u mu a mu a".
"Wir mussten schnell handeln", so Olivier Hainaut von der Europäischen
Südsternwarte ESO in Garching, der zum Beobachterteam gehört. "`Oumuamua war
schon am sonnennächsten Punkt vorbei und bereits wieder auf dem Weg zurück in
den interstellaren Raum." So begann man sofort mit Beobachtungen des Objekts,
das sich immer weiter von der Sonne entfernte und so schnell dunkler wurde.
Die Beobachtungen mit dem Instrument FORS am Very Large Telescope
der ESO in Chile in vier verschiedenen Filterbereichen kombinierten die
Forscherinnen und Forscher um Karen Meech vom Institute of Astronomy
auf Hawaii mit Daten anderer großer Teleskope. Sie stellten so fest, dass `Oumuamua
sich alle 7,3 Stunden einmal um die eigene Achse dreht und die Helligkeit des
Objekts dabei dramatisch schwankt - um einen Faktor zehn.
"Diese ungewöhnlich starken Helligkeitsschwankungen deuten darauf hin, dass
das Objekt sehr langgezogen sein muss, etwa zehnmal so lang wie breit, mit einer
komplexen, gewundenen Form", vermutet Meech. "Wir fanden auch heraus, dass es
eine dunkelrote Farbe besitzt, ähnlich wie Objekte im äußersten Bereich des
Sonnensystems. Außerdem konnten wir bestätigen, dass es vollständig inaktiv ist,
weil wir in seiner direkten Umgebung nicht den geringsten Hinweis auf Staub
finden konnten."
Aus diesen Daten folgert das Team, dass es sich bei `Oumuamua um einen
dichten, möglicherweise aus Gestein oder aus Material mit einem hohen Anteil an
Metallen bestehenden Brocken handelt, auf dem es praktisch kein Eis oder Wasser
gibt. Die dunkle rötliche Oberfläche erklären sie sich durch den Einfluss der
kosmischen Strahlung über viele Millionen Jahre. Sie schätzen, dass `Oumuamua
eine Länge von mindestens 400 Metern hat.
Vorläufige Bahnberechnungen haben ergeben, dass der interstellare Asteroid
ungefähr aus der Richtung des hellen Sterns Wega im Sternbild Leier kommen
könnte. Das bedeutet jedoch nicht, dass er tatsächlich aus dem Wega-System
stammt. Zwar bewegt sich der Brocken mit einer Geschwindigkeit von rund 95.000
Kilometern pro Stunde, doch hätte er für die Strecke dorthin 300.000 Jahre
benötigt und vor dieser Zeit befand sich der Stern Wega nicht einmal in der Nähe
der heutigen Position. `Oumuamua könnte sich also schon seit Hunderten von
Millionen Jahren durch unsere Galaxis bewegt haben, bevor der Brocken zufällig
in unser Sonnensystem geraten ist.
Interstellare Asteroiden sollten im Prinzip nichts Besonderes sein.
Astronomen schätzen, dass in jedem Jahr ein Objekt wie `Oumuamua ins innere
Sonnensystem gelangen sollte. Sie sind allerdings sehr lichtschwach und äußerst
schwer aufzuspüren. Erst die gründliche Suche nach erdnahen Asteroiden mit
leistungsfähigen Teleskopen wie Pan-STARRS 1 macht Entdeckungen von
interstellaren Besuchern inzwischen möglich.
"Wir beobachten dieses einzigartige Objekt weiter", so Hainaut, "und wir
hoffen, genauer bestimmen zu können, woher es kam und wohin es auf seiner Reise
durch die Galaxis als nächstes fliegt. Und jetzt, da wir den ersten
interstellaren Gesteinsbrocken gefunden haben, bereiten wir uns auf die nächsten
vor!"
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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