Wenn Weiße Zwerge kristallisieren
von Stefan Deiters astronews.com
14. Januar 2019
Mit dem Astrometriesatelliten Gaia der europäischen
Weltraumagentur ESA werden gerade Milliarden von Sternen der Milchstraße mit
hoher Präzision vermessen. Die Daten liefern auch wichtige Informationen für
Teilbereiche der Astrophysik, an die man zunächst vielleicht nicht denkt -
beispielsweise zum Abkühlverhalten und der Kristallisation von Weißen
Zwergsternen.

Künstlerische Darstellung der Kristallisation
im Inneren eines Weißen Zwergs.
Bild: University of Warwick / Mark Garlick [Großansicht] |
Weiße Zwergsterne sind Überreste von Sternen, deren Masse in etwa der unserer
Sonne entspricht und die am Ende ihres stellaren Lebens nicht als Supernovae
explodieren, sondern nach einer kurzen Phase als Planetarischer Nebel zu einem
Weißen Zwergstern werden. Dieses sind die zunächst glühend heißen ausgebrannten
Kerne der ehemaligen Sonnen, die über einen langen Zeitraum - mehrere Milliarden
Jahre - langsam abkühlen. Irgendwann sollten dabei in ihrem Inneren
Kristallisationsprozesse einsetzen - ein Phänomen, das bereits vor einem halben
Jahrhundert vorhergesagt wurde.
"Bislang kannten wir nur die genauen Entfernungen von einigen hundert Weißen
Zwergen und davon befanden sich viele in Sternhaufen, so dass sie alle dasselbe
Alter hatte", erläutert Pier-Emmanuel Tremblay von der University of Warwick
in Großbritannien die Bedeutung der jetzt vorliegenden Daten des europäischen
Astrometriesatelliten Gaia. "Dank Gaia haben wir jetzt
Entfernung, Helligkeit und Farbe von Hunderttausenden von Weißen Zwergen in der
äußeren Scheibe der Milchstraße in einem großen Bereich von Massen und mit
verschiedenem Alter."
Durch die genaue Bestimmung der Entfernung konnte auch die exakte Helligkeit
der ausgebrannten Sonnen ermittelt werden. Das Team um Tremblay hat nun über
15.000 Weiße-Zwerg-Kandidaten in einem Umkreis von 300 Lichtjahren analysiert und konnte darin
eine Gruppe identifizieren, in der gerade Kristallisationsprozesse ablaufen
müssen.
Diese Kristallisation sollte beginnen, sobald die Temperatur im Inneren des
Sterns unter einen bestimmten Wert fällt - ganz ähnlich, wie Wasser irgendwann
zu Eis wird, nur bei deutlich höheren Temperaturen. Weiße Zwerge werden im
Inneren bei etwa 10 Millionen Grad Celsius fest.
Diese Kristallisation, die mehrere Milliarden Jahre dauern kann, hat für die
Abkühlung der Weißen Zwerge Konsequenzen: Sie verzögert durch die dabei
entstehende Wärme das allmähliche Abkühlen der Sternreste. Die Sterne können
dadurch jünger erscheinen, als sie eigentlich sind. "Weiße Zwerge werden
traditionell für die Altersbestimmung beispielsweise von Sternhaufen oder des Halos
verwendet", so Tremblay. "Wir müssen nun also bessere Modelle über die
Kristallisation von Weißen Zwergen entwickeln, um eine genauere Altersbestimmung
durchführen zu können."
Bis unsere Sonne zu einem Weißen Zwerg wird, werden noch mehrere Milliarden
Jahre vergehen. Anschließend wird es wohl noch einmal fünf Milliarden Jahre
dauern, bis aus ihr ein auskristallisierter Körper geworden ist.
"Dieses Ergebnis zeigt, wie vielfältig sich die Gaia-Daten anwenden
lassen", unterstreicht Timo Pristu, Gaia-Projektwissenschaftler bei der
ESA. "Es ist faszinierend, wie die Erfassung von Sternen am Himmel und die
Messung ihrer Eigenschaften schließlich zu einem Beweis für ein Plasmaphänomen
in einem so dichten Materiezustand führt, der sich in keinem irdischen Labor
nachbilden lässt."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
vergangenen Woche in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist.
Korrekturhinweis (15. Januar
2019): In einer ersten Version des Artikels hieß es "Das Team um Tremblay hat
nun über 15.000 Weiße Zwerge in einem Umkreis von 300 Jahren analysiert". Es
handelte sich um Weiße-Zwerg-Kandidaten in einem Umkreis von 300 Lichtjahren.
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