Planetenentstehung im Fallturm
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Braunschweig astronews.com
22. November 2018
Die Prozesse, die dazu führen, dass aus winzigen
Staubteilchen große Planeten werden konnten, sind noch immer Gegenstand
aktueller Forschung. Manche Aspekte lassen sich dabei nur schwer im Labor
erforschen - es sei denn, man ist besonders erfinderisch: So entwickelte ein
japanisch-deutsches Team nun extra einen Fallturm für entsprechende Experimente.
Der Fallturm im Labor des Instituts für
Geophysik und Extraterrestrische Physik (IGEP) an
der TU Braunschweig.
Bild: Ingo von Borstel, Hiroaki Katsuragi,
Jürgen Blum/TU Braunschweig [Großansicht] |
Physiker aus Braunschweig und Japan simulieren im Labor Prozesse bei der
Planetenentstehung: Staubklumpen gelten als Grundbaustein bei der Entstehung von
Planeten. Allerdings muss die Forschung erst noch verstehen, wie sich diese
Klumpen physikalisch, zum Beispiel bei einem Zusammenprall, verhalten. Professor
Hiroaki Katsuragi, ein Experte für Granularphysik von der Nagoya University
in Japan, und Professor Jürgen Blum von der Technischen Universität Braunschweig
haben dazu einen experimentellen Ansatz entwickelt.
Nach Modellen von Astrophysikern entstehen aus Staubkörnchen im Weltraum
immer größere Klumpen, bis sich schließlich ein neuer Himmelskörper gebildet
hat. Durch seine wachsende Schwerkraft zieht er weiteren Staub an und wird immer
größer. Stößt der Himmelskörper mit anderen Fragmenten oder Planetenvorstufen
zusammen, entstehen Trümmerstücke und schließlich wieder Staub.
Um mehr darüber zu erfahren, wie sich Staubklumpen und Partikel bei
Kollisionen verhalten und entsprechend zur Planetenbildung beitragen, haben
Katsuragi und Blum ganz besondere Experimente durchgeführt – und dies im Labor
auf der Erde. Blum konstruierte dazu einen 1,5 Meter hohen Fallturm, der unter
Mikrogravitations- und Vakuumbedingungen wie im Weltraum betrieben wird. Dann
schossen die Wissenschaftler vom oberen Rand des Turmes ein millimetergroßes
Projektil auf einen frei fallenden Klumpen aus Staubpartikeln, ein sogenanntes
Cluster. Eine Hochgeschwindigkeitskamera filmte mit 3000 Bildern pro Sekunde,
wie das Projektil auf den Klumpen prallte und den Cluster auseinander brach.
Sie wiederholten das Experiment mit Projektilen aus Plastik, Blei und Glas
verschiedener Größen, die entweder auf porösen Staub oder dichte, starre
Glasperlen trafen. Das Duo aus Granular- und Planetenphysiker analysierte die
stoßinduzierte Ausdehnung der Partikel. Die Expansionsdynamik von porösen
Clustern (lose Partikel) stimmte danach mit der von starren Clustern überein.
Die hierarchische Struktur des dichten, starren Materials hat demnach keinen
Einfluss auf die Dynamik des Aufpralls. Durch die Kollision wurden etwa zwei bis
sieben Prozent der kinetischen Energie des Projektils auf das Cluster
übertragen. Das Projektil behielt etwa 15 Prozent seiner Vorkollisionsenergie,
wobei der Rest der Energie durch Verformung oder Wärme abgeführt wurde.
Die Experimente von Blum und Katsuragi deuten darauf hin, dass sich
universelle Regeln für alle Kollisionen ableiten lassen – unabhängig von Größe
und Material des Projektils und von der Partikelart. "Durch diese universellen
Regeln lassen sich unsere Ergebnisse auch auf die uns unbekannten Körper in
fremden Planetensystemen anwenden. Wir können damit viel besser als zuvor
vorhersagen, was bei Kollisionen dort geschieht", sagt Blum.
Über ihre Experimente berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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