Higgs-Teilchen zerfällt in Quarks
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
3. September 2018
Am Forschungszentrum CERN in Genf ist es nun gelungen, den
Zerfall des Higgs-Teilchens in bottom-Quarks zweifelsfrei nachzuweisen. Die
beteiligten Forscher sprechen von einem wichtigen Schritt, da dadurch
der Higgs-Mechanismus der Massenerzeugung auch für Quarks nachgewiesen wurde,
also für die Materie, aus der unsere Umwelt besteht.
Kollision zweier Protonen im
CERN-Beschleuniger LHC, bei der das Higgs-Boson
kurzzeitig erzeugt wird und dann in zwei (bottom)
Quarks zerfällt.
Bild: CERN [Großansicht] |
Das vor einigen Jahren am CERN entdeckte Higgs-Teilchen, manchmal aufgrund
seiner Andersartigkeit irreführend "Gottesteilchen" genannt, hält die
Grundlagenforscherwelt seitdem in Atem. Von dem Elementarteilchen wird vermutet,
dass es eine bedeutende Rolle in der Physik des Allerkleinsten spielt, die auch
für den Ablauf der Entstehung des Universums kurz nach dem Urknall entscheidend
verantwortlich ist. Dadurch konnte die Welt so entstehen, dass wir in ihr leben
können. "Bereits kleine Änderungen der 'Stellschrauben' zu ganz frühen Zeiten
würden ein Universum erzeugen, das kein Leben erlaubt", sagt Professor Norbert
Wermes vom Physikalischen Institut der Universität Bonn.
Der sogenannte Higgs-Mechanismus soll - so die Theorie - für die Masse der Elementarteilchen
verantwortlich sein - und zwar durch Wechselwirkung mit einem Higgs-Feld. Dies
kann man sich
ähnlich vorstellen, wie ein Mensch, der durch ein Meer aus Honig laufen muss und sich
dadurch richtig
"schwer" fühlt. Die Entdeckung des zum Higgs-Feld gehörenden Higgs-Bosons gelang 2012 durch seinen Zerfall
in Teilchen, die nur indirekt für den Aufbau unserer materiellen Welt
verantwortlich sind. Die kleinsten Bausteine der uns umgebenden Materie (und von
uns selbst) heißen Quarks, aus denen Atomkerne und zusammen mit Elektronen
schließlich Atome, Moleküle, anorganische und organische Materie aufgebaut sind.
Eine entscheidende Frage bei der Higgs-Entdeckung war daher, ob der
Massengebungsmechanismus auch für "unsere" Materie gilt, das heißt auch für
Quarks. Nicht verwunderlich ist es, dass die Experimente, die am Large
Hadron Collider (LHC) des CERN in Genf durchgeführt wurden, sich das
schwerste Quark für ihre Suche aussuchten, in welches das Higgs zerfallen kann:
in ein Paar sogenannter bottom-Quarks oder b-Quarks.
Die Interaktion des schwersten Quarks mit dem Higgs muss laut Theorie stärker
als mit den anderen Quarks sein. "Sechs Jahre intensiver Analyse der Messdaten
mit immer mehr verfeinerten Computer-Algorithmen hat es gedauert, bis die beiden
Experimente ATLAS und CMS den Erfolg ihrer Suche publizieren konnten", so Wermes.
Grund für die lange Dauer der Untersuchung ist, dass es hoher Experimentierkunst
bedarf, den trotz der Stärke der Higgs-Interaktion immer noch recht seltenen
Zerfall des Higgs in zwei b-Quarks zu finden. Er wird nämlich milliardenfach von
anderen Reaktionen überdeckt, die sich nur unwesentlich von dem Suchobjekt
unterscheiden.
Eine wichtige Voraussetzung für den Nachweis war, dass die b-Quarks eine
Billionstel Sekunde lang mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fliegen, bevor sie selbst auch
zerfallen. In dieser Zeit legen sie eine winzige Flugstrecke zurück, wodurch sie
sich von den überdeckenden Reaktionen unterscheiden. Neue Entwicklungen auf dem
Gebiet des maschinellen Lernens lieferten schließlich den Durchbruch. An den
Analysen war maßgeblich die Arbeitsgruppe um Dr. Tatjana Lenz, Dr. Götz Gaycken
und Prof. Wermes vom Physikalischen Institut der Universität Bonn beteiligt.
In den Experimenten ist es gelungen, den Zerfall des Higgs in bottom-Quarks
zweifelsfrei nachzuweisen. Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, dass die
Entdeckung durch eine statistische Fluktuation vorgetäuscht wurde, ist in jedem
der beiden Experimente kleiner als eins zu zehn Millionen. "Damit ist gezeigt,
dass der Mechanismus der Massenerzeugung mithilfe des Higgs-Teilchens auch für
die Massen 'unserer' Materie, das heißt von Quarks, verantwortlich ist – und
zwar genau so, wie es die Theorie von Higgs, Brout und Englert vorhersagt, für
die es 2013 den Nobelpreis gab", so Wermes.
Die Ergebnisse lassen hoffen, dass noch weitere Eigenschaften des Higgs und
seine Rolle bei der Entwicklung des Universums am LHC experimentell geklärt
werden können. "Es ist ein großer Erfolg einer langen und intensiven Forschung,
die nur mit modernsten Techniken und Methoden möglich war", sagt Wermes. "Ich
bin froh, dass es gelungen ist, und sehe den weiteren Experimenten, dieses
ominöse Teilchen besser zu verstehen, mit großer Erwartung entgegen."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physics Letters B erscheinen soll.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde nach
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