First Beam am Large Hadron Collider
von Stefan Deiters astronews.com
10. September 2008
Um 10.28 Uhr war es soweit: Zum ersten Mal hatte ein
Partikelstrahl die 27 Kilometer lange Röhre des Large Hadron Colliders
am Genfer CERN durchlaufen. Dieser First Beam des leistungsfähigsten
Teilchenbeschleunigers der Welt ist ein wichtiger Meilenstein bei der Inbetriebnahme des
gewaltigen internationalen Forschungsprojekts. Erste Resultate
werden in etwa einem Jahr erwartet.
Ein historischer
Moment am CERN: Der First Beam am LHC.
Bild: CERN Geneve |
"Das ist ein fantastischer Moment", freute sich Lyn Evans,
Projektleiter des Large Hadron Colliders (LHC) am Mittwoch. "Wir können
uns nun auf eine neue Ära der Erforschung von Ursprung und Entwicklung des
Universums freuen." Bis es allerdings erste Ergebnisse gibt, wird noch einige Zeit
vergehen: Ein Teilchenbeschleuniger schaltet man nicht einfach an wie eine
Lampe. Tausende verschiedene Elemente der Apparatur müssen exakt aufeinander
abgestimmt und justiert werden. Die beiden Teilchenstrahlen, die im Genfer
Untergrund frontal zur Kollision gebracht werden sollen, haben immerhin eine geringere
Dicke als ein menschliches Haar.
So ist die heutige Inbetriebnahme und das Durchlaufen des ersten Strahls
durch den 27 Kilometer langen Tunnel nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt auf dem Weg
zur vollen Einsatzbereitschaft. In den kommenden Wochen machen sich die
Techniker am CERN langsam mit der Apparatur vertraut, setzten die
Beschleunigungsanlagen ein und bringen schließlich zwei in entgegengesetzte
Richtungen umlaufende Teilchenstrahlen zur Kollision. Doch auch damit ist die
Startphase noch nicht abgeschlossen: Die vier Instrumente, die die
Kollisionsprodukte analysieren sollen, müssen zunächst selbst kalibriert werden.
So rechnet man am CERN erst in etwa einem Jahr mit den ersten Ergebnissen.
Was sich die Wissenschaftler am CERN vorgenommen haben, könnte unser Bild vom
Universum entscheidend verändern: So ist eine der Fragen, die man mit dem LHC
beantworten will, was eigentlich Masse ist. Andere Forscher wollen versuchen,
der sogenannten Dunklen Materie auf die Spur zu kommen und erhoffen sich zudem
neuen Erkenntnisse darüber, warum unser Universum aus Materie und nicht aus
Antimaterie besteht. Bei den Kollisionen im LHC werden für Bruchteile von
Sekunden Bedingungen entstehen, von denen die Wissenschaftler hoffen, dass sie der
Situation kurz nach dem Urknall gleichen. Damals entstand die Materie wie wir
sie heute kennen, eine Untersuchung dieses Materiezustandes könnte daher
wertvolle Hinweise über den Aufbau des Universums liefern.
"Der LHC ist eine Entdeckungsmaschine", meinte auch CERN-Generaldirektor
Robert Aymar. "Sein Forschungsprogramm hat das Potential dazu, unser Bild vom
Universum dramatisch zu verändern. Es ist die Fortsetzung des menschlichen
Strebens nach neuen Erkenntnissen, das so alt ist wie die Menschheit selbst."
Auch von Kollegen aus aller Welt trafen inzwischen Glückwünsche am CERN ein:
"Die Fertigstellung des LHC stellt den Beginn einer Revolution in der
Teilchenphysik dar", meinte etwa Pier Oddone, Direktor des amerikanischen
Fermilab. "Das CERN und seine Mitgliedsstaaten haben die Grundlage dafür gelegt,
dass viele Nationen bei diesem außerordentlichen Unternehmen zusammenarbeiten
können."
Und der Direktor des kanadischen TRIUMF Laboratory meinte: "Man kann fast
sagen: Es ist nur ein kleiner Weg für ein Proton, aber ein riesiger Schritt für
die gesamte Menschheit. Viele haben dabei mitgewirkt, aber die Glückwünsche
gehen an das CERN, das die Welt zu diesem außerordentlichen Abenteuer
zusammengeführt hat."
In verschiedenen Medien war vor der Inbetriebnahme des LHC auch von
möglichen Gefahren die Rede gewesen, die von den Experimenten in Genf ausgehen
könnten. Vor solchen warnt nämlich schon seit Monaten ein recht bunt
zusammengewürfelter Haufen von sogenannten CERN-Kritikern. Mit ihren Szenarien
von entstehenden Schwarzen Löchern, die die Erde verschlingen, fanden sie bei den
Redakteuren von Boulevardzeitungen, aber auch in seriöseren Medien Gehör.
Obwohl sich unter diesen "Kritikern" keine wirklichen Experten für Teilchenphysik befinden, nahm man am CERN die Sorgen ernst: Erst vor
einigen Tagen wurde eine weitere Sicherheitsuntersuchung veröffentlicht, an der
auch Fachleute miitgewirkt hatten, die nicht mit dem CERN in Verbindung stehen.
Jede der befürchteten Katastrophenszenarien wurden darin eindeutig
ins Land der Phantasie verwiesen.
Der britische Daily Telegraph zitierte dann auch den Physiker
Stephen Hawking mit den Worten, dass der LHC winzig sei im Vergleich zu den
Dingen, die im Universum passieren. "Wenn es dabei zu einer Katastrophe kommen
kann, wäre sie schon längst passiert." Begeistert vom LHC zeigte sich in einem Beitrag für die gleiche Zeitung auch
Sir Martin Rees, der königliche Hofastronom von England und Präsident der
ehrwürdigen Royal Society. Rees war anfangs von den sogenannten
CERN-Kritikern als Kronzeuge für ihre Bedenken benannt worden. Der Astronom
fühlte sich allerdings missverstanden und sagte dem Telegraph in der
vergangenen Woche, wer Bedenken hätte, solle einfach den aktuellen
Sicherheitsbericht lesen.
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