Das Amid-Ion, das keines war
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
5. Juli 2018
Im Jahr 2014 hatten Astrophysiker in Beobachtungsdaten des
Herschel-Weltraumteleskops eine Spektrallinie entdeckt, die sie
vorläufig dem Amid-Ion zuordneten. Es wäre der erste Beweis für die Existenz
dieses Moleküls im Weltall gewesen. Nun haben Physiker im Labor nachgemessen und
festgestellt: Ein Amid-Ion kann es nicht gewesen sein.
![Wolken](../../../bilder/2018/1807-008.jpg)
Interstellare Wolken im Sternbild Schütze,
einer Region im Zentrum der Milchstraße, wo
Messungen von Astrophysikern das Vorkommen von
Amid-Ionen nahelegten.
Bild: NASA, ESA, J. Hester (ASU) [Großansicht] |
Manche Regionen von Galaxien werden nicht nur von Sternen, sondern von
gigantischen Staub- und Gaswolken bevölkert. Dieses sogenannte interstellare
Medium bildet die Geburtsstätte von neuen Sternen. Diese entstehen, wenn sich
die Wolken immer weiter verdichten bis es zur Fusionsreaktion kommt. Um diese
Prozesse besser zu verstehen, ist es wichtig die Zusammensetzung des
interstellaren Mediums genau zu kennen. Über die von Radioteleskopen gemessenen
Frequenzen (Spektrallinien) kann die chemische Zusammensetzung des
interstellaren Mediums bestimmt werden.
Für das Amid-Ion hat das Team um Roland Wester vom Institut für Ionenphysik
und Angewandte Physik der Universität Innsbruck nun im Labor zwei bisher
unbekannte Frequenzen zum ersten Mal direkt gemessen und dabei hundertfach
genauer bestimmt als es bisher möglich war. Sie nutzten dafür die sogenannte
Terahertz-Spektroskopie. "Hier kommen Wellenlängen zwischen Mikrowellen und
infrarotem Licht zum Einsatz", erklärt der Physiker. "Damit können die
Rotationsbewegungen von sehr kleinen Molekülen untersucht werden. Bei größeren
Molekülen lassen sich Schwingungen von ganzen Molekülgruppen ermitteln."
Die Gruppe um Wester hat in den vergangenen Jahren in einem vom europäischen
Forschungsrat ERC geförderten Projekt eine Methode entwickelt, mit der in
Ionenfallen gefangene Moleküle mit Terahertzstrahlen angeregt werden. "Das
Amid-Ion besteht aus einem Stickstoff-Atom und zwei Wasserstoff-Atomen, sieht
genauso aus wie Wasser und verhält sich quantenmechanisch auch sehr ähnlich",
sagt Olga Lakhmanskaya aus dem Team von Wester. "Wir haben erstmals die
elementare Anregung der Rotation dieses Moleküls direkt gemessen." Der Nachweis
gelang auch dank einer engen Zusammenarbeit mit dem Theoretiker Viatcheslav
Kokoouline von der University of Central Florida, der für ein Semester
als Gastprofessor an der Universität Innsbruck forschte.
Über den Vergleich mit den Messdaten des Herschel-Weltraumteleskops
konnten die Innsbrucker Physiker nun belegen, dass die bisher gemessene
Spektrallinie nicht von Amid-Ionen stammen kann. "Wir konnten mit unseren
Messungen zeigen, dass die vorläufige Zuordnung nicht korrekt ist", betont Wester. Im Weltall findet man verschiedene Stickstoffmoleküle wie Ammoniak, für
das Amid-Ion steht nach den Innsbrucker Experimenten dieser Nachweis aber weiter
aus.
Die von den Physikern bestimmte zweite charakteristische Spektrallinie könnte
helfen, dem Amid-Ion im Weltall auf die Spur zu kommen. "Wir hoffen, dass in
Zukunft mit neuen Teleskopen auch diese Linie beobachtet werden kann. Dann
könnte man auch über diese Frequenz nach dem Molekül im Weltall suchen." Westers
Team will die neue Methode nun auch auf Moleküle mit vier oder fünf Atomen
anwenden, wo Schwingungen und Rotationen noch sehr viel komplexer sind als beim
dreiatomigen Amid.
Über ihre Untersuchung berichten die Forscher in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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