Der Jet von Perseus A
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
4. April 2018
Astronomen ist es gelungen, neu gebildete Plasmajets in der
Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer aktiven
Galaxie mit bisher unerreichter Genauigkeit abzubilden. Durch das
Zusammenschalten von Radioteleskopen auf der Erde und im All wurde eine
Auflösung von nur wenigen Lichttagen erreicht.
Künstlerische Darstellung der
Radioteleskope, die bei der Messung von NGC 1275
beteiligt waren. Das daraus erhaltene Radiobild
zeigt einen neu geformten Jet mit einer Länge von
etwa drei Lichtjahren.
Bild: Pier Raffaele Platania INAF/IRA
(Zusammenstellung); ASC Lebedev Institute (RadioAstron-Bild) [Großansicht] |
Schwarze Löcher mit einigen Milliarden Sonnenmassen treten in den Zentren von
allen massereichen Galaxien auf. Es ist bereits länger bekannt, dass von einigen
dieser massereichen Schwarzen Löcher spektakuläre Plasmajets ausgehen, wobei
fast lichtschnelles Plasma aus dem direkten Umfeld des Schwarzen Lochs
abgestrahlt wird, die sich bis weit außerhalb der Grenzen ihrer Muttergalaxie
erstrecken können. Wie diese Jets sich bilden, ist ein schon lange bestehendes
Rätsel.
Eine der Hauptschwierigkeiten bei dessen Lösung liegt darin, dass es bisher
nicht möglich war, die Strukturen der vom Schwarzen Loch ausgehenden Jets
genügend nahe am Startpunkt abzubilden. Das ist erforderlich für einen direkten
Vergleich der Beobachtungen mit theoretischen Rechnungen und Computermodellen
zur Entstehung der Jets.
Ein internationales Team mit Wissenschaftlern aus acht Ländern hat es nun
geschafft, Bilder des Jets im Umfeld des massereichen Schwarzen Lochs in der
gigantischen Galaxie NGC 1275 (bekannt als Radioquelle unter den Bezeichnungen
Perseus A oder 3C 84) in höchster Winkelauflösung zu erhalten. Damit können
Strukturen im Jet 10-mal näher an der Zentralquelle räumlich aufgelöst werden
als es vorher nur mit erdgebundenen Radioteleskopen möglich war – das lässt
vorher nicht sichtbare Details direkt in der Region der Entstehung des Jets
erkennen.
"Das Ergebnis war erstaunlich. Es zeigt sich, dass die gemessene
Breitenausdehnung des Jets wesentlich größer ist, als von den zur Zeit
favorisierten Modellen zur Jetentstehung zu erwarten wäre. Danach entsteht der
Jet direkt in der Ergosphäre, dem Bereich unmittelbar außerhalb des
Ereignishorizonts eines rotierenden Schwarzen Lochs, in dem der Raum selbst in
eine Kreisbewegung um das Schwarze Loch gezogen wird", erklärt Professor
Gabriele Giovannini vom Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) in
Italien.
"Das könnte andeuten, dass zumindest der äußere Teil des Jets von der
Akkretionsscheibe ausgeht, die das Schwarze Loch umgibt. Unsere Ergebnisse
zeigen noch nicht schlüssig, dass die derzeitigen Modelle, in denen der Jet von
der Ergosphäre ausgeht, falsch sind, aber sie ermöglichen den Theoretikern doch
Einsichten in die Struktur der Jets nahe am Ausgangspunkt und damit Hinweise zur
Weiterentwicklung der Modelle", ergänzt Dr. Tuomas Savolainen von der
Aalto-Universität in Finnland, der Leiter des RadioAstron-Beobachtungsprogramms,
in dessen Rahmen die Ergebnisse erhalten wurden.
Die Untersuchung zeigt weiterhin, dass die Jetstruktur in NGC 1275 deutlich
von der Struktur des Jets in der relativ nahen Galaxie Messier 87 abweicht, der
einzigen anderen Galaxie, in der die Struktur des Jets mit Beobachtungen
entsprechend nahe am zentralen Schwarzen Loch abgebildet werden konnte. Die
Forscher glauben, dass die beobachtete Abweichung auf einen Altersunterschied
zwischen den beiden Jets zurückgeführt werden kann.
"Der Jet in NGC 1275 wurde vor gut zehn Jahren erst neu gestartet und ist
immer noch in seiner Ausformung begriffen. Das bietet eine einzigartige
Gelegenheit, das Wachstum des Jets an einem Schwarzen Loch in einer sehr frühen
Phase zu verfolgen", erklärt Professor Masanori Nakamura von der Academia
Sinica in Taiwan.
"Die Untersuchung des Zentralbereichs von NGC 1275 setzt unser
Forschungsprogramm zu aktiven Galaxienkernen bei höchstmöglicher Auflösung fort.
Mit einer Entfernung von gerade mal 70 Megaparsec oder 230 Millionen Lichtjahren
bis zu dieser Galaxie sind wir in der Lage, die Struktur des Jets in einer
vorher nicht gekannten Genauigkeit von nur einigen Hundert Schwarzschildradien
oder zwölf Lichttagen abzubilden", schließt Professor Anton Zensus, Direktor am
Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Leiter der
VLBI-Forschungsabteilung.
Die deutliche Verbesserung in der Bildschärfe bei den Untersuchungen des Jets
im Zentrum von NGC 1275 wird ermöglicht durch das Weltraum-Radiointerferometer
RadioAstron, das sich aus einem 10-Meter-Radioteleskop in einer Umlaufbahn um
die Erde sowie ca. zwei Dutzend der größten erdgebundenen Radioteleskope
zusammensetzt. Wenn die von den einzelnen Teleskopen aufgenommenen Radiosignale
interferometrisch miteinander kombiniert werden, erzielt dieses Netzwerk die
Winkelauflösung eines virtuellen Einzelteleskops von bis zu 350.000 Kilometern
Durchmesser; das entspricht nahezu dem Abstand zwischen Erde und Mond. Das macht
RadioAstron zu dem Teleskop mit der höchsten Winkelauflösung in der Geschichte
der Astronomie.
Über die Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
Nature Astronomy erschienen ist.
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