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Durch Zusammenschaltung mehrerer Radioteleskope, darunter auch ein Radioteleskop im Weltall, entstand jetzt ein virtuelles Teleskop mit dem achtfachen Durchmesser der Erde. Mit dessen Hilfe beobachteten Astronomen den aktiven Galaxienkern BL Lacertae mit bislang unerreichter Auflösung. Die Daten passen allerdings nicht vollständig zu den Modellen der Forscher über diese Objekte.
Seit 1974 werden im Zuge der “Very Long Baseline Interferometrie” (VLBI) gleichzeitig mit unterschiedlichen über die ganze Erde verteilten Radioteleskopen gemessene Signale von Himmelsobjekten miteinander kombiniert. Dadurch erhält man ein virtuelles Radioteleskop von der Größe des maximalen Abstands zwischen den beteiligten Einzelteleskopen und kann so eine bisher unerreichte Schärfe in den resultierenden Radiobildern erzeugen, die sogar die Winkelauflösung des Weltraumteleskops Hubble im sichtbaren Licht um mehr als das Tausendfache übertrifft. Ein internationales Forschungsteam hat nun durch die Verbindung von 15 bodengebundenen Radioteleskopen mit dem 10-Meter-Weltraumteleskop Spektr-R der vom Astro Space Center in Moskau geleiteten RadioAstron-Mission alle Rekorde gebrochen. Durch die Teilnahme des 100-Meter-Radioteleskops Effelsberg mit seiner großen Sammelfläche wird das Projekt außerordentlich empfindlich für den Nachweis von extrem schwacher kosmischer Radiostrahlung. Die spezielle Analyse (oder "Korrelation") zur Verbindung der Radiomessungen von einzelnen Teleskopen zu einem virtuellen Riesenteleskop wurde dabei am Korrelator des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn durchgeführt. Ziel der Beobachtungen war die Galaxie BL Lacertae (BL Lac), einer aktiven, rund 900 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie im Sternbild Eidechse (lateinisch Lacerta). Von den Daten erhoffen sich die Astronomen neue Erkenntnisse über die Natur dieser Galaxien, bei denen ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum große Mengen an Materie verschluckt. Im Zuge dieses Vorgangs werden hochenergetische Teilchen entlang von Magnetfeldern bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und in Form zweier stark gebündelter Jets in entgegengesetzten Richtungen hinausgeschossen.
Bei entsprechender Geometrie wie bei BL Lac, erscheint die Strahlung des Jets zum Beobachter hin viel heller, während die des entgegengesetzten Jets oft unter der Nachweisgrenze liegt. Die Beobachtung in Radiowellenlängen ist sehr wichtig für die Erforschung der Jets, da bei der fast lichtschnellen Bewegung von hochenergetischen Elektronen in Magnetfeldern Radiostrahlung erzeugt wird. Die meisten aktiven Galaxien mit ausgeprägten Jets liegen allerdings in Entfernungen von mehreren Milliarden Lichtjahren, so dass die Jets eine extrem geringe Ausdehnung am Himmel zeigen. Daher werden Messungen mit höchster Winkelauflösung erforderlich, um die Jets im Detail zu erfassen und Phänomene wie Stoßwellen oder Turbulenz zu untersuchen, von denen es abhängt, wie viel Strahlung dabei jeweils freigesetzt wird. "Die erstmalige Verbindung von bodengebundenen Radioteleskopen mit dem Weltraumteleskop des RadioAstron-Projekts bei höchster Winkelauflösung hat es uns möglich gemacht, mit einem virtuellen Radioteleskop von achtfachem Erddurchmesser eine Winkelauflösung von nur etwa 20 Mikro-Bogensekunden zu erreichen", erläutert José L. Gómez vom Instituto de Astrofísica de Andalucía-CSIC, der Leiter des Forschungsteams. Von der Erde aus gesehen, entsprechen 20 Mikro-Bogensekunden der Größe einer Zwei-Euro-Münze auf dem Mond. Mit derart hoher Winkelauflösung lässt sich die Kernregion von BL Lac in vorher nicht erreichter Genauigkeit untersuchen. Das Zentralobjekt dieser Galaxie ist ein supermassereiches Schwarzes Loch mit 200 Millionen mal der Masse unserer Sonne. Die Kernregionen aktiver Galaxien stellen die energiereichsten Objekte überhaupt im Kosmos dar, angetrieben jeweils durch ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum. Die Anreicherung von Materie in Richtung des Zentralobjekts (die sogenannte Akkretion) führt zur Entstehung einer Akkretionsscheibe, die das Schwarze Loch in extrem geringem Abstand umkreist, sowie zweier Materiejets, in denen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Teilchen in entgegengesetzten Richtungen jeweils senkrecht zur Scheibe herausgeschossen werden. "Die vorher nicht erreichte Winkelauflösung, die uns RadioAstron liefert, ermöglicht einen einzigartigen Blick in die innerste Region der Galaxien, wo der größte Teil der Energie erzeugt wird", bemerkt Yuri Kovalev vom Astro Space Center, Projektwissenschaftler für RadioAstron und ebenfalls Mitglied des BL-Lac-Forschungsteams. Die gängigen Modellannahmen für diese aktiven Galaxienkerne besagen, dass aufgrund der Rotation des zentralen Schwarzen Lochs und der umgebenden Akkretionsscheibe magnetische Feldlinien spiralförmig verbogen werden. Ein derart "aufgerolltes" Magnetfeld begrenzt einen Jet zu einem sehr engen Strahl und beschleunigt die Bewegung der darin enthaltenen Teilchen. Ein solches Modell wird durch die neuen Beobachtungen von BL Lac bestätigt; sie zeigen ein ausgedehntes spiralförmiges Magnetfeld in einem der Jets. Das mit RadioAstron erhaltene Bild zeigt allerdings auch eine ungewöhnlich hohe Intensität der beobachteten Strahlung am oberen Ende des Jets von BL Lac, wie es so noch in keinem anderen AGN beobachtet werden konnte. Das bringt die beteiligten Forscher zu der Frage, ob lange bewährte Annahmen darüber, wie die Radiostrahlung in den Jets erzeugt wird, überhaupt noch gültig sind. "In BL Lac blicken wir sozusagen in die heißeste bisher entdeckte kosmische Feuerstelle, in der Materie extrem effektiv in Energie umgesetzt wird. Es wären Temperaturen von weit mehr als einer Billion Grad erforderlich, wenn wir das hier auf der Erde nachmachen wollten", sagt der ebenfalls am Forschungsprojekt beteiligte Andrei Lobanov vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Unser aktuelles Verständnis darüber, wie Strahlung in den Zentren aktiver Galaxien erzeugt wird, liefert einen eindeutigen Grenzwert für die Stärke des Radiosignals, das über einen längeren Zeitraum in der Kernregion erzeugt werden kann. Die extrem hohe Intensität des in BL Lac beobachteten Signals überschreitet diesen Grenzwert. Entweder sind die Geschwindigkeiten im Jet noch viel näher an der Lichtgeschwindigkeit als bisher von uns angenommen, oder wir kommen nicht umhin, unsere theoretischen Modelle zu ändern", so Gómez. Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der jetzt in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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