Detaillierter Blick auf aktiven Galaxienkern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
3. Juli 2012
Radioastronomen haben mit einem Radioteleskop im Erdorbit und dem
100-Meter-Teleskop in Effelsberg erstmals interferometrische
Beobachtungen eines aktiven Galaxienkerns in rund 900 Millionen
Lichtjahren Entfernung durchgeführt. Von dem neuen Verfahren erhoffen
sich die Wissenschaftler unter anderem detailliertere Einblicke in die
Zentren ferner Galaxien.

Zentralbereich der aktiven Galaxie BL
Lacertae. Es handelt sich um die erste Detektion
von BL Lacertae bei interferometrischen
Beobachtungen mit dem 100-Meter-Radioteleskop in
Effelsberg und dem Satellitenteleskop von
RadioAstron. Die unterschiedlichen Farben zeigen
die Intensität des gemessenen interferometrischen
Signals.
Bild: MPIfR/J. Anderson |
Die Interferometrie ist ein in der Radioastronomie schon fast
routinemäßig angewandtes Beobachtungsverfahren. Radioteleskope werden
dazu oft über Kontinente hinweg zusammengeschaltet, um so ihr
Auflösungsvermögen dramatisch zu verbessern. Dieses entspricht dann
nämlich dem eines einzelnen Instruments mit der Größe des Abstands der
zwei verbundenen Teleskope. Im Rahmen des Projekts RadioAstron
soll versucht werden, diese als Very Long Baseline Interferometry
(VLBI) bezeichnete Methode auch auf den Weltraum auszudehnen.
Dafür steht dem vom russischen Astro Space Center (ASC) in Moskau
geleiteten Projekt ein 10-Meter-Satelliten-Radioteleskop an Bord des russischen
Satelliten Spektr-R zur Verfügung. Dieser wurde im Juli 2011 gestartet
und umkreist die Erde auf einer elliptischen Umlaufbahn mit einem maximalen
Abstand von 350.000 Kilometern. Theoretisch ließe sich also damit das
Winkelauflösungsvermögen eines Radioteleskop erreichen, dessen Größe in etwa dem
Abstand der Erde vom Mond entspricht. Solche Beobachtungen könnten
beispielsweise ganz neue Details über die Vorgänge rund um weit entfernte
supermassereiche Schwarze Löcher, aber auch über Neutronensterne, Dunkle Materie
oder die Dunkle Energie liefern.
Bei interferometrischen Beobachtungen in der Radioastronomie werden mit
jeweils zwei Radioteleskopen die Radiosignale einer bestimmten Quelle am Himmel
aufgezeichnet. Diese Signale werden dann in einem Prozess, den man "Korrelation"
nennt, elektronisch miteinander verglichen. Die so entstehenden
interferometrischen Signale nennen die Radioastronomen "fringes". Je größer der
Abstand zwischen den beiden Teleskopen ist, desto genauer kann man die Position
der Quelle am Himmel aus den Messungen ableiten.
Da durch die Trägerrakete Größe und Gewicht eines Satelliten eingeschränkt
sind, musste der Durchmesser des Teleskopspiegels für das RadioAstron-Projekt
auf zehn Meter begrenzt werden. Das Teleskop ist durch diese vergleichsweise
geringe Größe nicht sehr empfindlich für die Aufnahme von sehr schwachen
Radiosignalen. Dadurch ist die Zusammenarbeit mit einem möglichst großen und
empfindlichen Radioteleskop auf der Erde umso wichtiger - wie etwa mit dem
100-Meter-Radioteleskops des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR)
bei Bad Münstereifel-Effelsberg.
Erste "fringes" im Rahmen des RadioAstron-Projekts konnten
bereits Ende 2011 aufgezeichnet werden (astronews.com berichtete). Schon damals
wurden Daten aus dem All und die des Effelsberger Teleskops am Korrelator des
Astro Space Center in Moskau ausgewertet. Bei den jüngsten
Beobachtungen nahmen die Astronomen die aktive Galaxie BL Lacertae ins Visier,
die sich in einer Entfernung von rund 900 Millionen Lichtjahren im Sternbild
Eidechse befindet. Mit ihrer starker Variabilität und deutlicher Polarisation in
optischen Wellenlängen stellt BL Lacertae den Prototyp für eine ganze Klasse von
Galaxien mit aktiven Galaxienkernen dar.
"Ein wichtiger neuer Aspekt dieser Analyse liegt darin, dass wir die Daten
nicht wie bisher mit einem Hardware-Korrelator auswerten, sondern mit dem DiFX-Software-Korrelator,
der auf den VLBI-Computerstationen in unserem Institut in Bonn zum Einsatz
kommt", erläutert Anton Zensus, Direktor am MPIfR. "Unsere Wissenschaftler in
Bonn haben in Zusammenarbeit mit den Experten von RadioAstron den
Programmcode des DiFX-Softwarekorrelators so umgeschrieben, dass er auch für die
Auswertung von interferometrischen Satellitenbeobachtungen, also Weltraum-VLBI,
eingesetzt werden kann."
Normalerweise sind VLBI-Beobachtungen auf erdgebundene Radioteleskope
beschränkt. Die Software musste nun so umgeschrieben werden, dass das Programm
die Bewegungen des Satelliten im Orbit mit einbezieht und außerdem den
unterschiedlichen Ablauf der Zeit auf der Erde und im Weltraum berücksichtigt.
Das sind winzige Unterschiede auf der Basis von Vorhersagen der Allgemeinen
Relativitätstheorie, die aber entscheidend für die Entdeckung von interferometrischen Signalen zwischen beiden Teleskopen sind.
Der DiFX-Korrelator ist ein offenes Software-Projekt, an dem eine Reihe von
Radioastronomen und Geodäten aus unterschiedlichen Ländern beteiligt sind. Sie
kommen aus Australien, wo dieses Projekt ursprünglich entwickelt wurde, aus
Europa und aus den Vereinigten Staaten. Damit wird es nun möglich, das
RadioAstron-Projekt mit einer Reihe von erdgebundenen Radioteleskopen zu
verbinden und weltweit mit radioastronomischen Instituten zusammenzuarbeiten.
Ein weiterer großer Vorteil der Verarbeitung von RadioAstron-Daten mit dem
DiFX-Korrelator liegt darin, dass die normalerweise zum Einsatz kommenden
Programme zur Analyse interferometrischer Daten das Datenformat von DiFX
erkennen und damit eine unmittelbare Weiterverarbeitung der Daten im jeweils
bevorzugten Software-Paket der Wissenschaftler möglich wird.
"Das ist eine aufregende neue Entwicklung für die RadioAstron-Mission,
damit wird die erfolgreiche Weiterverarbeitung und Analyse der Daten im
astronomischen und physikalischen Sinne möglich", sagt James Anderson vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Wir können jetzt anfangen, Radiobilder
unserer Forschungsobjekte bei Auflösungen im Mikrobogensekundenbereich zu
erstellen, und das ist etwas, wozu wir bisher noch nicht in der Lage waren."
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