Blick ins Zentrum eines Quasars
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
29. März 2016
Mithilfe eines 10-Meter-Radioteleskops an Bord des
russischen Satelliten Spektr-R und mehrerer Radioteleskope auf der Erde
ist es Astronomen gelungen, einen detaillierten Blick auf die Radiostruktur der
Zentralregion des Quasars 3C 273 zu werfen. Dabei haben sie extreme Temperaturen
gemessen, die nicht zu den aktuellen Theorien passen.
Künstlerische Darstellung eines Quasars: ein
supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum wird
von einer Materiescheibe "gefüttert". Senkrecht
dazu ein Jet mit fast lichtschneller Materie. Bild:
Wolfgang Steffen, Institute for Astronomy, UNAM,
Mexico [Großansicht] |
Supermassereiche Schwarze Löcher mit millionen- bis milliardenfacher Masse
unserer Sonne befinden sich in den Zentren der meisten Galaxien. Diese Schwarzen
Löcher bilden den Motor für energiereiche Materiestrahlen oder Jets, deren
Abstrahlung oft die von sämtlichen Sternen in der Galaxie zusammengenommen
übertrifft.
Aber es gibt eine physikalische Grenze für die Gesamthelligkeit der Jets – wenn
nämlich die Elektronen eine Temperatur von rund 100 Milliarden Grad übersteigen,
entsteht eine Wechselwirkung mit ihrer eigenen Abstrahlung, wobei Röntgen- und
Gammastrahlen gebildet werden und das Ganze sehr schnell abkühlt. Im Fall der
aktuellen Radiobeobachtungen des Quasars 3C 273 scheint eine verblüffende
Verletzung dieses lange akzeptierten theoretischen Grenzwerts aufzutreten.
"Wir messen eine Effektivtemperatur von mehr als zehn Billionen Grad im
Zentralbereich dieses Quasars", erläutert Yuri Kovalev vom Astro Space
Center des Lebedev-Physikinstituts in Moskau, der RadioAstron-Projektwissenschaftler.
"Dieses Ergebnis stellt eine große Herausforderung für unsere derzeitigen
Annahmen dar, wie relativistische Jets in Quasaren ihre Energie abstrahlen."
Um diese Ergebnisse zu erhalten, hat das Forscherteam Beobachtungen mit dem
Weltraum-Interferometer RadioAstron in drei verschiedenen Wellenlängen
durchgeführt. Dieses Instrument besteht aus einem Radioteleskop auf einer
Umlaufbahn um die Erde, das mit einigen der größten Radioteleskope auf der Erde
verbunden wird: dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg, dem
110-Meter-Green-Bank-Radioteleskop, dem 300-Meter-Arecibo-Teleskop sowie den
Radioantennen des Very Large Array (VLA) in den USA. Im
Interferometriebetrieb zusammengeschaltet, erreichen diese Observatorien die
höchste direkte Winkelauflösung überhaupt in der Astronomie, einige Tausend Mal
höher als die des Hubble-Teleskops in optischen Wellenlängen.
"RadioAstron hat so extreme hohe Strahlungstemperaturen bereits in
einer ganzen Reihe von Objekten gemessen, darunter auch, wie erst kürzlich
berichtet, im Galaxienkern von BL Lacertae", sagt Andrei Lobanov, der Koordinator
der RadioAstron-Aktivitäten am Bonner Max-Planck-Institut für
Radioastronomie (MPIfR). "Das weist in der Tat darauf hin, dass wir neue
physikalische Annahmen zur Erklärung der Energiequellen für die Strahlung in
Quasaren benötigen."
Aber die unglaublich hohen Temperaturen stellten nicht die einzige Überraschung
bei der Analyse der RadioAstron-Messergebnisse von 3C 273 dar. Das
Forscherteam entdeckte noch einen weiteren Effekt, der bisher nie in einer
extragalaktischen Quelle sichtbar wurde: das Radiobild von 3C 273 zeigt
Unterstrukturen, die vom Durchgang der Strahlung durch sehr stark verdünntes
interstellares Plasma in unserer Milchstraße hervorgerufen werden.
"So ähnlich wie ein Bild bei der Betrachtung durch die heiße turbulente Luft
über einer Kerzenflamme verzerrt wird, verzerrt auch das turbulente Plasma in
unserer Milchstraße die Bilder von weit entfernten astrophysikalischen Quellen
wie zum Beispiel Quasaren", erklärt Michael Johnson vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics (CfA). "Die Details in der Struktur des turbulenten
Materials sind so kleinräumig, dass wir diese Verzerrungen vorher überhaupt
nicht wahrnehmen konnten. Erst die erstaunlich hohe Winkelauflösung von
RadioAstron gibt uns ein Werkzeug in die Hand, um sowohl die extreme Physik
in der unmittelbaren Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern in den
Zentren von fernen Galaxien zu erforschen als auch das diffuse Plasma in unserer
Milchstraße."
"Unser Forschungsteam ist schon sehr lange dabei, die VLBI-Technik auf
Weltraum-Radioteleskope zu erweitern, um so Basislinien zu erhalten, die den
Durchmesser der Erde bei weitem übertreffen", ergänzt Anton Zensus, Direktor und
Leiter der Forschungsabteilung Astronomie/VLBI am MPIfR. "Die neuen Entdeckungen
zu 3C 273 sind ein wunderbares Beispiel für unsere erfolgreiche Zusammenarbeit im
Rahmen des RadioAstron-Projekts."
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in zwei Fachartikeln, die in
der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen sind.
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