Die größten Magnetfelder im Universum
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
23. März 2017
An den Rändern von Galaxienhaufen haben deutsche und
US-amerikanische Astronomen mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg in der
Eifel außergewöhnlich geordnete Magnetfelder nachweisen können, die sich über
viele Millionen Lichtjahre erstrecken. Sie stellen die größten bislang bekannten
Magnetfelder im Universum dar.

Das Relikt am Rand des Galaxienhaufens CIZA
J2242+53, das wegen seiner Form den Namen "Wurst"
bekam.
Bild: M. Kierdorf et al., A&A 600, A18 [Großansicht] |
Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen Strukturen im
Universum, mit einer Ausdehnung von etwa zehn Millionen Lichtjahren. Im
Vergleich dazu ist unsere Milchstraße mit nur rund hunderttausend Lichtjahren im
Durchmesser sehr klein. Galaxienhaufen bestehen aus einer großen Zahl von
Sternsystemen wie unserer Milchstraße, heißem Gas, Magnetfeldern, geladenen
Teilchen und Dunkler Materie von unbekannter Zusammensetzung.
Die bei einer Kollision von Galaxienhaufen entstehende Stoßwelle komprimiert das
heiße Gas und die Magnetfelder des Haufens. Die dadurch entstandenen
bogenförmigen Gebilde fallen durch ihre Röntgen- und Radiostrahlung auf und
werden "Relikte" genannt. Sie wurden im Jahr 1970 mit einem Radioteleskop bei
Cambridge in England entdeckt. In rund 70 Galaxienhaufen konnten bislang solche
Relikte nachgewiesen oder Hinweise auf Relikte gefunden werden, aber es
existieren sicher wesentlich mehr. Die Relikte zeugen von gewaltigen
Gasströmungen, die die Struktur des Universums beständig verändern.
Radiowellen eignen sich hervorragend, um Relikte aufzuspüren. Bei der
Kompression werden die magnetischen Feldlinien geordnet, was sich auch auf die
Radiostrahlung auswirkt. Fachleute sprechen hier von linearer Polarisation.
Diesen Effekt konnten Forscher des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie Bonn
(MPIfR), des Argelander-Institutes für Radioastronomie an der Universität Bonn,
der Thüringer Landessternwarte Tautenburg sowie Kollegen aus dem
US-amerikanischen Cambridge in vier Galaxienhaufen nachweisen. Dazu benutzten
sie das 100-Meter-Radioteleskop des MPIfR in der Nähe von Bad Münstereifel-Effelsberg
in der Eifel bei Wellenlängen von drei und sechs Zentimeter.
Diese kurzen Wellenlängen haben den Vorteil, dass die polarisierte Strahlung auf
dem Weg durch den Galaxienhaufen und durch unsere eigene Milchstraße kaum
geschwächt wird. In den vier beobachteten Haufen wurden linear polarisierte
Relikte gefunden, in einem Fall erstmalig. Die Magnetfeldstärken sind etwa so
hoch wie die in unserer Milchstraße. Die gemessenen Polarisationsgrade von bis
zu 50% sind jedoch ungewöhnlich hoch, wie sie nur von geladenen Teilchen in
einem extrem geordneten Magnetfeld erzeugt werden können.
"Mit fünf bis sechs Millionen Lichtjahren Ausdehnung haben wir die bis jetzt
größten zusammenhängenden Magnetfelder im Universum gefunden", so die
Projektleiterin Maja Kierdorf vom MPIfR Bonn, die darüber ihre Master-Arbeit an
der Universität Bonn schrieb. Matthias Hoeft von der TLS Tautenburg entwickelte
für dieses Projekt eine Methode, wie aus dem gemessenen Polarisationsgrad die
Machzahl bestimmt werden kann, also das Verhältnis der relativen Geschwindigkeit
zwischen den kollidierenden Gaswolken zur Schallgeschwindigkeit. Die gefundenen
Machzahlen von etwa zwei bedeuten, dass die Galaxienhaufen mit Geschwindigkeiten
von etwa 2000 Kilometern pro Sekunde aufeinandertreffen, deutlich schneller als
aus früheren Messungen der Röntgenstrahlung abgeleitet.
Die neuen Messungen mit dem Effelsberger Teleskop liefern den Nachweis, dass
sich die Polarisationsrichtung der Radiostrahlung aus den Relikten mit der
Wellenlänge ändert. Dieser nach dem englischen Physiker Michael Faraday benannte
Effekt lässt vermuten, dass geordnete Magnetfelder auch zwischen den
Galaxienhaufen existieren und, im Zusammenspiel mit heißem Gas, für die Drehung
der Polarisationsrichtung verantwortlich sind.
Solche Magnetfelder könnten noch viel größer sein als die Haufen selbst. "Das
Effelsberger Radioteleskop hat sich erneut als ideales Instrument zum Nachweis
von Magnetfeldern im Universum erwiesen", betont Rainer Beck vom MPIfR, der sich
seit über 40 Jahren mit diesem Thema beschäftigt. "Nun können wir Galaxienhaufen
mithilfe der Radio-Polarisation systematisch nach geordneten Magnetfeldern
absuchen."
Die Ergebnisse wurden gestern in der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics veröffentlicht.
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