Rolle von Magnetfeldern bislang unterschätzt?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
5. Juni 2014
Schwarze Löcher gelten in der Regel als Schwerkraftmonster,
deren Anziehungskraft allen anderen auftretenden Kräften weit überlegen ist.
Eine neue Studie zeigt aber nun, dass die magnetischen Kräfte in der Umgebung
von Schwarzen Löchern die gleiche Stärke erreichen können wie die Schwerkraft.
Für die Beobachtung und Interpretation Schwarzer Löcher könnte dies Folgen
haben.
Computersimulation
von Gas (gelb), das in Richtung eines zentralen
Schwarzen Lochs (zu klein, um auf dieser Skala
sichtbar zu werden) einströmt. Nach oben und nach
unten ist jeweils ein durch Magnetfelder stark
gebündelter Materiestrahl oder Jet mit
Magnetfeldlinien zu sehen.
Bild: Alexander Tchekhovskoy (LBNL) |
Von Schwarzen Löchern ist bekannt, dass sie ihre Umgebung durch ihre extrem
hohe Schwerkraftwirkung dominieren. Im direkten Umfeld von Schwarzen Löchern
wirken aber auch andere Kräfte, von denen man bisher annahm, dass sie im
Vergleich zur Gravitation deutlich schwächer sind. Dazu gehören Kräfte, die vom
Druck des einfallenden heißen Gases verursacht werden oder auch von
Magnetfeldern.
Jetzt ergab eine Studie von Forschern des Bonner Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie (MPIfR) und des amerikanischen Lawrence Berkeley National
Laboratory (LBNL), dass die magnetischen Kräfte in der Umgebung von
Schwarzen Löchern die gleiche Stärke erreichen können wie die Schwerkraft.
Bei einer Reihe von Schwarzen Löchern, die interstellares Gas aus ihrer
Umgebung aufsaugen, wird ein kleinerer Teil des Gases nicht verschluckt, sondern
in Form von zwei entgegengesetzt gerichteten stark gebündelten Materiestrahlen
wieder ins All beschleunigt. Man findet diese sogenannten Jets etwa bei
supermassereichen Schwarzen Löcher in den Zentren von aktiven Galaxien. Sie
verraten sich durch ihre Radiostrahlung. Genau solche Schwarzen Löcher haben die
Astronomen in ihrer Untersuchung betrachtet.
"Wir haben festgestellt, dass wir mit der Radiostrahlung der Jets von einem
Schwarzen Loch die Magnetfeldstärke in der direkten Umgebung des Schwarzen Lochs
bestimmen können", erläutert Mohammad Zamaninasab, der seine Arbeiten in seiner
Zeit am MPIfR durchgeführt hatte. "Es gab einen richtigen Aha-Effekt, als wir
die Resultate unserer Magnetfeldmessungen mit denen der Schwerkraft in der Nähe
von Schwarzen Löchern verglichen und feststellten, dass sie von der Größe
vergleichbar sind."
Von einem theoretischen Standpunkt aus kann die Möglichkeit, dass die
Magnetkraft im Bereich von Schwarzen Löchern vergleichbar wird mit der
Schwerkraft, mithilfe moderner Computersimulationen nachvollzogen werden.
"Sobald das einfallende Gas in unseren Simulationen ein genügend starkes
Magnetfeld mit sich führt, wird der Einfluss des Magnetfelds in der Nähe des
Schwarzen Lochs so stark, dass er mit der Gravitation ins Gleichgewicht kommt",
erklärt Alexander Tchekhovskoy vom LBNL. "Dadurch wird das Verhalten des Gases
im Bereich des Schwarzen Lochs grundlegend verändert."
Die Magnetfeldstärke bei diesen exotischen Objekten ist kurioserweise
vergleichbar mit dem Magnetfeld, das in uns vertrauter Umgebung hier auf der
Erde erzeugt wird, nämlich bei der Kernspintomografie im Krankenhaus oder in
einer Arztpraxis. Sowohl Schwarze Löcher mit der milliardenfachen Masse unserer
Sonne als auch Kernspintomografen erzeugen Magnetfelder, die rund 10.000 mal
stärker sind als das Magnetfeld unserer Erde, wie es in einem normalen Kompass
angezeigt wird.
Die Messung der Magnetfeldstärke in der Umgebung des Schwarzen Lochs beruht
auf einem Verfahren, mit dem der Anteil der Radiostrahlung bestimmt wird, der an
verschiedenen Messpunkten im Bereich der Jet-Basis absorbiert wird. "Solche
Daten gibt es bereits für rund 100 Galaxien aus früheren Projekten einer ganzen
Reihe von international besetzten Forschungsteams, die dafür das Very Long
Baseline Array oder VLBA genutzt haben, ein Netzwerk von über die ganzen
Vereinigten Staaten von Hawaii bis zu den Virgin Islands verteilten
Radioteleskopen", erläutert Tuomas Savolainen vom MPIfR, der auch zum Team
gehörte. "Ein großer Teil der Messungen ist erst seit kurzem allgemein
zugänglich, auf der Grundlage eines umfassenden Beobachtungsprogramms namens
MOJAVE zur systematischen Überwachung von Hunderten solcher Jets, die durch
supermassereiche Schwarze Löcher erzeugt werden."
Die Magnetfeldstärke im Bereich des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs
wirkt sich direkt auf die Stärke der Jets aus und damit, zumindest nach einer
verbreiteten Theorie, auch auf deren Leuchtkraft in Radiowellenlängen. Das würde
erklären, warum die ausgesprochen leuchtkräftigen Radiojets in den Zentren
aktiver Galaxien gerade von solchen Systemen von Schwarzen Löchern herrühren, in
denen Magnetfelder vergleichbar stark mit der Gravitation auftreten. Diese
Ergebnisse könnten zu einer Änderung in der Interpretation der Beobachtungen von
Schwarzen Löchern führen.
"Wenn unsere Vorstellungen einer genaueren Überprüfung standhalten, dann
müssten die bisherigen Annahmen der Astronomen zur Messung der Eigenschaften von
Schwarzen Löchern geändert werden", schließt Eric Clausen-Brown vom MPIfR. "Die
Untersuchung ändert außerdem unsere Erwartungen darüber, wie leistungsstark die
Schwarzen Löcher ausfallen können. Da die Jets darüber hinaus ihre
Trägergalaxien und ihre Umgebung beeinflussen, könnte es sogar dazu führen, dass
wir unsere Grundannahmen über den Einfluss von Schwarzen Löchern auf ihre
Umgebung überdenken müssen."
Über ihren Ergebnisse berichten die Astronomen jetzt in der Wissenschaftszeitschrift
Nature.
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