Starkes Magnetfeld am Rand des Ereignishorizonts
von Stefan Deiters astronews.com
17. April 2015
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA haben Astronomen ein
äußerst starkes Magnetfeld in unmittelbarer Nähe des Ereignishorizonts eines
supermassereichen Schwarzen Lochs nachweisen können. Die Beobachtungen dürften
helfen, diese gewaltigen Objekte, die sich in den Zentren nahezu aller Galaxien
befinden, besser zu verstehen.
So könnte die Umgebung eines
supermassereichen Schwarzen Lochs aussehen.
Bild: ESO / L. Calçada [Großansicht]
|
Supermassereiche Schwarze Löcher befinden sich vermutlich im Zentrum nahezu
aller Galaxien. Sie erreichen eine Masse, die die unserer Sonne um das Millionenfache, ja sogar um das Milliardenfache übersteigen kann. Material, das
diesen Schwarzen Löchern zu nahe kommt, stürzt nicht direkt in sie hinein,
sondern sammelt sich zunächst in einer Scheibe rund um das Schwarze Loch - in
der sogenannten Akkretionsscheibe.
Das Material in dieser Scheibe kreist um das Schwarze Loch und kann sich auf
sehr hohe Temperaturen aufheizen. Dies sorgt für eine intensive Strahlung, die
aus den Zentren von aktiven Galaxien beobachtet werden kann. In aktiven Galaxien
verschlingt das supermassereiche Schwarze Loch gerade große Mengen an Material.
Doch nicht alles Material verschwindet irgendwann in dem Schwarzen Loch.
Einiges kann seiner Anziehungskraft wieder entkommen und wird in eng gebündelten
Teilchenstrahlen, in sogenannten Jets, mit hoher Geschwindigkeit ins All
geschleudert. Die Partikel in diesen Jets können sogar annähernd
Lichtgeschwindigkeit erreichen. Wie das Material genau beschleunigt wird, ist
den Astronomen noch nicht ganz klar. Man nimmt aber an, dass gewaltige
Magnetfelder eine Rolle spielen könnten, die es in unmittelbarer Nähe des
Ereignishorizonts des Schwarzen Lochs geben sollte. Der Ereignishorizont ist die
"Grenze" des Schwarzen Lochs. Ist er einmal überschritten, gibt es kein Zurück
mehr.
Bislang war es Astronomen nur gelungen, vergleichsweise schwache Magnetfelder
in relativ großer Entfernung vom Schwarzen Loch - mehrere Lichtjahre -
nachzuweisen. Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array
(ALMA) wurden jetzt aber Signale entdeckt, die direkt auf ein starkes Magnetfeld
in unmittelbarer Nähe des Ereignishorizonts des supermassereichen Schwarzen
Lochs der Galaxie PKS 1830-211 hinweisen. Dabei scheint sich das Magnetfeld genau
an dem Ort zu befinden, wo Material gerade in Form eines Jets beschleunigt wird.
Die Astronomen stellten dabei die Stärke des Magnetfelds durch Untersuchung
der Polarisation des Lichts fest, das sich vom Schwarzen Loch entfernt.
"Polarisation ist eine wichtige Eigenschaft von Licht und wird im Alltag häufig
genutzt, zum Beispiel bei Sonnenbrillen oder 3D-Brillen im Kino", erklärt Ivan
Marti-Vidal vom Onsala Space Observatory in Schweden. "Wenn sie
natürlichen Ursprungs ist, kann Polarisation dazu verwendet werden, um
Magnetfelder zu vermessen, da Licht seine Polarisation ändert, wenn es durch ein
magnetisiertes Medium hindurchläuft. In diesem Fall war das Licht, das wir mit
ALMA aufgenommen haben, durch die Materie direkt am Schwarzen Loch
hindurchgelaufen, einem Ort voll von hochmagnetisiertem Plasma."
Die Astronomen haben die ALMA-Daten mit einem neuen Analyseverfahren
ausgewertet und festgestellt, dass sich die Polarisationsrichtung der Strahlung
aus dem Zentrum von PKS 1830-211 gedreht hat. Dies weist direkt auf das
Magnetfeld hin. Der Wellenlängenbereich, der für diese Studie benutzt wurde,
erlaubte es dabei, die Region in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs zu
untersuchen.
"Wir haben klare Hinweise auf eine Polarisationsdrehung, die mehr als hundert
mal so groß ist, wie die größte Änderung, die zuvor je im Universum gefunden
wurde", ergänzt Sebastien Muller vom Onsala Space Observatory und der
schwedischen Chalmers University of Technology. Die ALMA-Beobachtungen
seien ein "großer Schritt", da damit das Magnetfeld in einer Entfernung vom
Schwarzen Loch untersucht werden konnte, die gerade einmal einigen Lichttagen
vom Ereignishorizont entspricht. "Diese Erkenntnisse und zukünftige
Untersuchungen werden uns dabei helfen, die Vorgänge in der unmittelbaren
Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern tatsächlich zu verstehen," so
Muller.
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
|