Wachstum im All durch Turbulenz
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
13. August 2013
Magnetfelder spielen im Universum eine wichtige Rolle, unter
anderem auch beim Wachstum von Sternen und Schwarzen Löchern. Dresdner Forscher
haben nun die Vorgänge in protoplanetaren Scheiben detailliert untersucht und
konnten zeigen, wie Magnetfelder auch in Regionen für Turbulenzen sorgen können,
in denen man das bislang nicht für möglich gehalten hatte.

Künstlerische Darstellung einer protoplanetaren
Scheibe.
Bild: Pat Rawlings / NASA |
Wie sich Sterne und Schwarze Löcher im Universum aus rotierender Materie
bilden können, ist eine der großen Fragen in der Astrophysik. Unstreitig ist,
dass Magnetfelder hier eine entscheidende Rolle spielen. Diese können nach
bisheriger Auffassung aber nur wirken, wenn die Materie elektrisch gut leitfähig
ist, was jedoch etwa in protoplanetaren Scheiben nicht überall der
Fall ist. Physiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) konnten
jetzt zeigen, wie Magnetfelder auch in solchen "toten Zonen" (dead zones)
Turbulenzen hervorrufen können und so wesentlich zum Verständnis der
Entstehungsprozesse von kompakten Objekten im Kosmos beitragen.
Als
Johannes Kepler Anfang des 17. Jahrhundert seine Bahngesetze aufstellte, konnte
er die bedeutende Rolle kosmischer Magnetfelder für die Entstehung von
Planetensystemen nicht erahnen. Heute wissen wir, dass sich ohne Magnetfelder
Masse gar nicht in kompakten Gebilden wie Sternen und Schwarzen Löchern
konzentrieren könnte. Unser Sonnensystem etwa bildete sich vor 4,6 Milliarden
Jahren durch den Einsturz einer gigantischen Gaswolke. Von der Schwerkraft der
Wolke wurden die Teilchen in das Zentrum gezogen und so entstand schließlich
eine große Scheibe.
"Solche Akkretionsscheiben sind aus hydrodynamischer
Sicht extrem stabil, weil der Drehimpuls gemäß der Kepler'schen Bahngesetze nach
außen hin anwächst. Man spricht hier von der Kepler-Rotation", erklärt Dr. Frank
Stefani vom HZDR. "Um die hohen Wachstumsraten von Sternen und Schwarzen Löchern
zu erklären, muss es einen Mechanismus geben, der die rotierende Scheibe
destabilisiert und damit gleichzeitig dafür sorgt, dass Masse nach innen und der
Drehimpuls nach außen transportiert wird."
Magnetische Felder können, wie
bereits 1959 von Evgenij Velikhov theoretisch vorhergesagt, in einer stabilen
Strömung Turbulenz entfachen. Die fundamentale Bedeutung dieser sogenannten
Magneto-Rotationsinstabilität (MRI) für die kosmische Strukturbildung wurde
durch die Astrophysiker Steven Balbus und John Hawley aber erst 1991 erkannt,
wofür sie im September 2013 den mit einer Million Dollar dotierten "Shaw Prize"
für Astronomie erhalten.
Damit die MRI funktioniert, müssen die Scheiben
aber eine minimale elektrische Leitfähigkeit aufweisen. In Gebieten geringer
Leitfähigkeit, wie etwa in den toten Zonen protoplanetarer Scheiben oder in den
weit außen liegenden Gebieten der Akkretionsscheiben um supermassive Schwarze
Löcher, ist die Wirkung der MRI numerisch nur schwer nachzuvollziehen und
deshalb auch umstritten. Von Wissenschaftlern des HDZR, die sich bislang vor
allem mit der experimentellen Untersuchung der MRI beschäftigt hatten, kommt nun
aber ein neuer theoretischer Erklärungsansatz.
Wenn man versucht, die MRI
in einem Flüssigmetall-Experiment mit einem ausschließlich in vertikaler
Richtung angelegten Magnetfeld - so die reine astrophysikalische Lehre -
nachzustellen, dann muss dieses Magnetfeld sehr stark sein. Da gleichzeitig auch
die Rotationsgeschwindigkeit sehr hoch sein muss, sind derartige Experimente
extrem aufwendig und bisher noch nicht von Erfolg gekrönt gewesen.
Mit einem
Trick war es Stefani zusammen mit seinen Kollegen vom HZDR sowie vom
Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam im Jahr 2005 dann erstmalig
gelungen, diesen Prozess im Labor nachzustellen. Indem sie das senkrechte durch
ein kreisförmiges Magnetfeld ergänzten, konnten sie die MRI schon bei wesentlich
geringeren Magnetfeldstärken und Rotationsgeschwindigkeiten beobachten. Ein
Schönheitsfehler dieser "helikalen MRI", so betonen allerdings die
Astrophysiker Steven Balbus und Hantao Ji in der aktuellen Augustausgabe der
Zeitschrift Physics Today, ist die Tatsache, dass sie nur relativ steil nach
außen abfallende Rotationsprofile zu destabilisieren vermag, zu denen die
Kepler-Rotation zunächst einmal nicht gehört.
Diesem gewichtigen
Argument aus der Astrophysik setzen die HZDR-Wissenschaftler nun ihre neuesten
Erkenntnisse entgegen. Die Berechnungen von Stefani und Dr. Oleg Kirillov
zeigen, dass die helikale MRI sehr wohl für Kepler'sche Rotationsprofile
anwendbar ist, wenn nur das kreisförmige Magnetfeld nicht komplett von außen,
sondern wenigstens zu einem kleinen Teil auch in der Akkretionsscheibe selbst
erzeugt wird.
"Dies ist in der Tat ein viel realistischeres Szenario. Im
Extremfall, dass gar kein vertikales Feld vorhanden ist, haben wir es mit einer
Henne-Ei-Problematik zu tun. Ein kreisförmiges Magnetfeld destabilisiert die
Scheibe und die entstehende Turbulenz generiert Komponenten von vertikalen
Magnetfeldern. Die wiederum reproduzieren durch die besondere Form der
Rotationsbewegung der Scheibe das kreisförmige Magnetfeld." Ob mit oder ohne
vertikales Magnetfeld: Die aktuellen Berechnungen zeigen, so die Forscher, dass
die MRI durchaus auch in Gebieten geringer Leitfähigkeit wie etwa in den toten
Zonen möglich sein kann, in denen Astrophysiker sie bisher nicht vermutet
hatten.
Motiviert wurden die HZDR-Wissenschaftler durch ihre langjährige
Erfahrung mit Laborexperimenten zu kosmischen Magnetfeldern, angefangen bei
einem Modell des Erddynamos über die Magneto-Rotationsinstabilität bis hin zur
Tayler-Instabilität. Letztere wird von Astrophysikern unter anderem in Bezug auf
kosmische Jets und die Entstehung von Neutronensternen diskutiert, muss aber
etwa auch bei der Konstruktion großer Flüssigmetall-Batterien beachtet werden.
Derzeit planen die Wissenschaftler ein großes Experiment mit flüssigem
Natrium, das sie im Rahmen des DRESDYN-Projektes in den nächsten Jahren
realisieren wollen. "Wenn wir dieses Experiment, das erstmalig die MRI mit der Tayler-Instabilität kombiniert, zum Laufen bringen, können wir das
Zusammenwirken von unterschiedlichen magnetischen Phänomenen im Kosmos noch viel
besser verstehen", freut sich Stefani.
Egal, wer im freundschaftlichen
Wettstreit die Nase vorne hat, die experimentellen Physiker aus dem
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf oder die theoretischen Astrophysiker aus
Amerika, der Drehimpuls-Transport in der Astrophysik und im Labor dürfte weiter
ein spannendes Thema bleiben. Über ihre jüngsten Ergebnisse berichten Forscher
in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.
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