Strahlung auf der Raumstation im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
21. Dezember 2016
Bei ihrer Arbeit sind Astronauten einer ständigen
Strahlenbelastung ausgesetzt, die deutlich über den Werten auf der
Erdoberfläche liegt. Bei längerem Aufenthalt im All kann dies die Gesundheit der
Raumfahrer beeinträchtigen. Auf der Internationalen Raumstation ISS werden daher
detaillierte Daten über die auftretenden Strahlungsmengen gesammelt - und nicht
nur dort.
Im Inneren des orangenen Päckchens befinden
sich Hunderte von kleinen Detektoren, die im
Forschungslabor Columbus der Internationalen
Raumstation ISS die Strahlung erfassen.
Foto: DLR / ESA [Großansicht] |
Von außen sehen die Päckchen unspektakulär aus - aber in ihrem Inneren
befinden sich jeweils Hunderte von kleinen Detektoren, die in der
Internationalen Raumstation ISS die kosmische Strahlung erfassen. Nun hat der
europäische Astronaut Thomas Pesquet das mittlerweile zehnte Detektoren-Set für
das Experiment DOSIS 3D im Forschungslabor Columbus installiert. An
insgesamt elf verschiedenen Orten im Modul zeichnen die Detektoren für sechs
Monate die Strahlung auf, bis sie wieder eingesammelt und zur Auswertung auf die
Erde transportiert werden.
"So können wir über einen längeren Zeitraum ein dreidimensionales Bild
gewinnen, wo im Forschungslabor welche Strahlung ankommt", erläutert Dr. Thomas
Berger, Strahlenphysiker am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
wissenschaftlicher Leiter des Experiments. Zudem messen die Wissenschaftler die
ganz persönliche Strahlendosis des französischen Astronauten im Auftrag des
Europäischen Astronautenzentrums (EAC) mit einem passiven Personendosimeter
(EuCPD). Erstmals können aber auch mit dem neu installierten System EAD (ESA
Active Dosimeter) die Strahlungsdaten des Astronauten den Strahlenphysikern auf
der Erde in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden.
Auf Menschen auf der Erde - geschützt durch die Atmosphäre und das Magnetfeld
- wirkt eine tägliche Strahlendosis von gerade einmal 0,0025 Millisievert. Für
Astronauten liegt die Belastung an ihrem schwebenden Arbeits- und Wohnort im All
deutlicher höher: Durchschnittlich 0,8 Millisievert am Tag beträgt die
Strahlendosis im Forschungsmodul Columbus auf der ISS. "Unser Ziel ist
es, in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern, der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA, der japanischen Raumfahrtagentur JAXA und dem russischen
Institut für Biomedizinische Probleme IMBP, eine dreidimensionale Karte der
Strahlenbelastung in der gesamten ISS zu erstellen", erläutert Berger.
Jeweils in Abhängigkeit von der Sonnenaktivität oder auch der Flughöhe der
ISS ändere sich die Strahlung, der die Astronauten im Inneren der ISS ausgesetzt
seien. Da vor allem vom Material der ISS die kosmische Strahlung abgehalten
würde, hätten sogar einzelne Experiment-Racks oder andere Ausrüstungsgegenstände
einen Einfluss auf die Strahlendosis. "Alleine innerhalb des Forschungsmoduls
Columbus kann die Strahlendosis an verschiedenen Positionen um 50
Prozent variieren."
Die Erkenntnisse der internationalen Teams sind wichtig für die Gesundheit
der Astronauten. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA setzt beispielsweise
Limits, die ein Astronaut in seiner gesamten Berufskarriere nicht überschreiten
soll: Erreicht ein Astronaut im Laufe seiner Berufskarriere durch mehrere
Missionen im All diesen Wert, sind weitere Einsätze für ihn nicht mehr
vorgesehen. Menschen auf der Erde erreichen in einem Jahr einen
durchschnittlichen Wert von drei bis vier Millisievert, in dem neben der
Reststrahlung, die die Erde erreicht, auch zum Beispiel die Strahlung von
medizinischen Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen oder Computertomographien
enthalten sind.
Wertvoll ist die Erforschung der Strahlenbelastung, der ein Astronaut
ausgesetzt ist, aber auch für die Planung zukünftiger Langzeitmissionen zu Mond
oder Mars. "Dafür ist es entscheidend, die Höhe und auch die Auswirkung der
Strahlenbelastung zu erforschen", sagt Berger. "Nur so kann man auch über Limits
für die Astronauten sprechen, die eingehalten werden müssen." Diese Werte
können jedoch für Langzeitmissionen derzeit nur mit Computermodellen berechnet
werden - die gemessenen Daten an Bord der ISS sind daher eine Möglichkeit, diese
Rechnungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
Mit der Technologie-Demonstration ESA Active Dosimeter (EAD), der
jüngsten Entwicklung zur Erforschung der kosmischen Strahlung auf der ISS,
werden die Möglichkeiten zur Strahlungsmessung während des Aufenthalts der
Astronauten im All und die Wissenschaftler auf der Erde zudem noch erweitert,
erläutert ESA-Projektleiter Dr. Ulrich Straube, der gemeinsam mit Berger das
Team leitet.
Erste Werte für einen Flug und einen Aufenthalt auf dem Mars aber haben die
Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin bereits mit
ihrer Beteiligung am Strahlungsmessgerät RAD (Radiation Assessment Detector) an
Bord des amerikanischen Mars-Rovers Curiosity gewonnen: Erstmals konnte
bereits auf dem fast sechsmonatigen Flug zum Mars ein Instrument die
Strahlenbelastung messen. Seit der Landung am 6. August 2012 zeichnet das Gerät
außerdem die Strahlungsbelastung auf dem Mars auf. "Auf dem Flug betrug die
Strahlung etwa zwei bis drei Millisievert pro Tag, auf dem Mars selbst dann 0,8
Millisievert pro Tag." Die Atmosphäre des Mars würde also einen Schutz ähnlich
wie die Außenhülle der Raumstation ISS bieten. Auch beim Bau zukünftiger
Raumstationen oder Raumschiffe würde von den Messdaten aus der ISS profitiert:
So könnten nicht nur die Belastung für die Astronauten besser eingeschätzt
werden, sondern auch geeignete Materialien und ein besserer Schutz bereits bei
der Entwicklung vorgesehen werden.
Das DOSIS 3D-Experiment läuft bereits seit Mai 2012 mit jeweils elf passiven
Detektorpaketen, die erst auf der Erde ausgewertet werden können, sowie zwei
aktiven Detektoren, deren Werte einmal monatlich zur Erde übertragen werden. Das
passive Personendosimeter EuCPD (European Crew Personal Dosimeter), das erstmals
Astronaut Thomas Reiter 2006 während seines gesamten Aufenthalts auf der ISS am
Körper trug, wird auch von Astronaut Thomas Pesquet getragen und am DLR im
Auftrag der ESA nach seiner Mission ausgewertet. Im Rahmen der
Technologie-Demonstration EAD wird die Überwachung nun auch durch das aktive
Personendosimeter des EAD erweitert.
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