Detaillierter Blick auf Eta Carinae
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. Oktober 2016
Astronomen ist es erstmals gelungen, das Doppelsternsystem
Eta Carinae mithilfe der Nahinfrarot-Interferometrietechnik zu untersuchen. Die
neuen Aufnahmen zeigen spektakuläre Details der Region zwischen den beiden
Riesensternen, wo die jeweiligen Sternwinde kollidieren. Die Beobachtungen
sollten helfen, solche Riesensterne besser zu verstehen.

Der detaillierte Blick auf Eta Carinae.
Bild: ESO / G. Weigelt [Großansicht] |
Eta Carinae ist ein Doppelsternsystem mit zwei massereichen Komponenten in etwa
7500 Lichtjahren Entfernung. Die Energie in diesem System erzeugt spektakuläre
Effekte. Der Doppelstern wird umgeben von dem eindrucksvollen Homunkulus-Nebel,
dem Überrest von Material, das 1843 in einem gewaltigen Ausbruch
herausgeschleudert wurde. Eta Carinae ist ein guter Kandidat für die nächste
Supernova in unserer Milchstraße.
Die Primärkomponente von Eta Carinae ist rund 100 Mal massereicher und fünf
Millionen Mal leuchtkräftiger als unsere Sonne. In den Spätphasen ihrer
Entwicklung geben derart massereiche Sterne riesige Mengen von Gas in Form von
Sternwinden ab, bevor sie schließlich als Supernovae explodieren. Die
Untersuchung dieses dramatischen Massenverlusts ist entscheidend für unser
Verständnis der Entwicklung von massereichen Sternen.
Beide Komponenten des Doppelsternsystems Eta Carinae sind extrem leuchtkräftig.
Ihre gewaltige Strahlung stößt große Mengen von Material in Form von schnellen
Sternwinden von der Oberfläche ab. Diese Hochgeschwindigkeits-Sternwinde stoßen
nun im Raum zwischen beiden Sternen miteinander zusammen. Das führt zu extremen
physikalischen Prozessen in der zentralen Region zwischen beiden Sternen, wo der
Sternwind der Sekundärkomponente mit einer Geschwindigkeit von rund 3000
Kilometern pro Sekunde, das sind über zehn Millionen Kilometer pro Stunde, in
den dichten Sternwind der Primärkomponente kracht. Im Kollisionsgebiet steigt
die Temperatur auf viele zehn Millionen Grad - das ist heiß genug zur Erzeugung
von Röntgenstrahlung.
Bis jetzt war es nicht möglich, genau diese zentrale Region räumlich aufzulösen,
da ihre Winkelausdehnung selbst für die größten existierenden Teleskope zu
gering war. Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Gerd
Weigelt vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) hat nun mit
einer neuartigen Bildverarbeitungstechnik auf der Grundlage von
interferometrischen Beobachtungen mit großen Basislinien extrem hochaufgelöste
Bilder von Eta Carinae erhalten.
Dazu wurde das Licht von drei oder mehr Teleskopen zu Multi-Teleskopbildern oder
Interferogrammen kombiniert. Aus einer großen Anzahl solcher Interferogramme
können mit ausgefeilten Bildrekonstruktionsmethoden extrem scharfe Bilder
gewonnen werden. Mit dieser Methode werden Winkelauflösungen erreicht, die
proportional zum Abstand zwischen den einzelnen Teleskopen sind.
Die neuen Beobachtungen von Eta Carinae wurden mit dem
Interferometrie-Instrument AMBER am Very Large Telescope Interferometer (VLTI)
der Europäischen Südsternwarte ESO gewonnen. Die in drei der beweglichen
1,8Meter-VLTI-Teleskope einfallende Infrarotstrahlung wurde mit AMBER
kombiniert. Mit einem maximalen Abstand von 130 Metern zwischen den Teleskopen
konnte eine Winkelauflösung erreicht werden, die diejenige der größten
Einzelteleskope um das Zehnfache übersteigt.
"Damit sind unsere Träume wahr geworden, da wir nun Bilder mit extrem hoher
Auflösung im Infrarotbereich zur Verfügung haben", freut sich Weigelt. "Das
ESO-VLTI-Teleskop bietet uns einzigartige Möglichkeiten, unser physikalisches
Verständnis von Eta Carinae und einer Reihe von weiteren astronomischen
Schlüsselobjekten zu vergrößern."
Die Anwendung der Bildtechniken zur Erzeugung von Infrarotbildern mit extrem
hoher Auflösung hat es dem Forscherteam zum ersten Mal ermöglicht, direkte
Abbildungen sowohl von der Sternwindzone um den Primärstern als auch von der
Kollisionszone beider Sternwinde zwischen Primär- und Sekundärstern zu erhalten.
Da die Bildverarbeitung neben der hohen räumlichen Auflösung gleichermaßen eine
hohe spektrale Auflösung liefert, war es möglich, Spektralbilder bei mehr als
100 unterschiedlichen Wellenlängen innerhalb der Brackett-Gamma-Linie des
Wasserstoffs zu erhalten. Das ist für astrophysikalische Untersuchungen von Eta
Carinae von großer Bedeutung, da solche Multifrequenzaufnahmen sowohl die
Strahlungsintensität als auch die Geschwindigkeitsverteilung direkt in der
Kollisionszone zeigen. Die Geschwindigkeiten werden dabei aus
Frequenzverschiebungen über den Dopplereffekt abgeleitet.
Die Ergebnisse dienen dazu, physikalische Modelle der Sternwind-Kollisionszonen
zu verbessern und besser zu verstehen, wie extrem massereiche Sterne im Zuge
ihrer Entwicklung Masse in Form von Sternwinden abgeben. Die Modelle zur
Sternwind-Kollision, die zur Interpretation der neuen Resultate angewendet
werden, wurden von Tom Madura an der San Jose State University und
seinen Mitarbeitern erstellt. "Die neuen VLTI-Beobachtungen werden eine wichtige
Rolle für zukünftige Modellrechnungen spielen, da wir nun Informationen bei
wesentlich höherer Auflösung als jemals zuvor haben, um die Modelle anzupassen",
erklärt Madura.
Karl-Heinz Hofmann vom MPIfR betont: "Unsere Rekonstruktionsmethode für
Multifrequenzbilder hat es ermöglicht, unerwartete Strukturen in einem weiten
Geschwindigkeitsbereich zu erfassen. Es ist klar, dass die
Infrarot-Interferometrie die Infrarotastronomie revolutionieren wird."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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