Das Lichtecho der großen Eruption
von Stefan Deiters astronews.com
17. Februar 2012
Eta Carinae gehört zu den massereichsten Sternsystemen
unserer Milchstraße und war Mitte des 19. Jahrhunderts während eines Ausbruchs
für einige Zeit sogar der zweithellste Stern am Nachthimmel. Jetzt ist es
Astronomen gelungen, ein Lichtecho der damaligen Eruption zu beobachten. Dessen
Analyse ergab, dass der Ausbruch offenbar anders verlief als bislang angenommen.
Ein Bild des Carinanebels (links) mit Eta
Carinae (oben) und der Region, in der das
Lichtecho (Bilder rechts) entdeckt wurde
(Kasten). Bild:
NASA, NOAO und A. Rest (Space Telescope Science
Institute) [Großansicht] |
Eta Carinae gehört wohl mit zu den faszinierendsten Systemen in unserer
Milchstraße. Es handelt sich um ein rund 7.500 Lichtjahre entferntes
Doppelsternsystem und eines der massereichsten und hellsten Objekte in unserer
Heimatgalaxie. Bei einem flüchtigen Blick an den nächtlichen Himmel merkt man
davon allerdings derzeit nicht sonderlich viel: Eta Carinae gehört gegenwärtig
nicht zu den hellsten oder auffälligsten Sternen.
Dies war allerdings vor rund 170 Jahren ganz anders: Schon 1837 bemerkten
Astronomen, dass der Stern deutlich heller wurde. Dieser als "große Eruption"
bezeichnete Helligkeitsausbruch dauerte bis 1858 und führte dazu, dass Eta
Carinae zeitweise der zweithellste Stern am Nachthimmel war. Damals verfügte man
jedoch noch nicht über Instrumente, mit denen man die Geschehnisse näher hätte
untersuchen können. Durch einen glücklichen Zufall aber, nahm ein Teil des
Lichtes der "großen Eruption" nicht den direkten Weg zur Erde, sondern erreicht
uns erst jetzt über einen Umweg: Das Licht der Eruption wurde von Staubwolken
reflektiert und kommt damit mit einer Verspätung von rund 170 Jahren auf der
Erde an.
"Als die Eruption vor 170 Jahren auf der Erde zu sehen war, gab es
keine Kameras, die dies hätten aufzeichnen können", so Armin Rest vom Space
Telescope Science Institute, der die Untersuchung leitete. "Alles was
Astronomen bislang über den Ausbruch von Eta Carinae wissen, stammt aus
Augenzeugenberichten. Untersuchungen mit wissenschaftlichen Instrumenten wurden
erst Jahre nach dem eigentlichen Ausbruch gemacht." Die Entdeckung des
Lichtechos der Eruption gleicht nun einer Aufzeichnung der damaligen
Geschehnisse, deren Aufführung die Forscher nun beiwohnen können. "Es ist nun
möglich, die Veränderungen des Ausbruchs von Jahr zu Jahr zu verfolgen."
Die Wissenschaftler vermuten, dass Eta Carinae während der "großen Eruption"
Mitte des 19. Jahrhunderts etwa die 20-fache Masse unserer Sonne ins All
abgestoßen hat. So entstand der noch heute sichtbare Homunculus-Nebel. Vor
diesem Ausbruch dürfte das System etwa die 140-fache Masse der Sonne gehabt
haben. Eta Carinae gehört zu einer Gruppe von Sternen, die Astronomen als
"Leuchtkräftige Blaue Veränderliche" (LBV) bezeichnen. Sie sind dafür bekannt,
dass sich ihre Helligkeit regelmäßig ändert, was man unter anderem auf starken
Massenverlust und eine gewissen Instabilität der alternden Sterne zurückführt.
Durch spektroskopische Analysen des nun entdeckten Lichtechos der damaligen
Eruption stellten die Forscher fest, dass sich Eta Carinae bei diesem großen
Ausbruch deutlich anders verhalten haben muss als die übrigen Sterne dieser
Klasse bei solchen Ereignissen. "Dieser Stern ist wirklich ein Sonderling",
urteilt Rest. "Wir müssen nun unsere Modelle erneut überprüfen, um mit ihnen das
reproduzieren zu können, was wir hier messen." So stellte sich beispielsweise
heraus, dass die Temperatur des Auswurfmaterials damals offenbar deutlich
geringer war als angenommen. Die Geschwindigkeit hingegen passt zu den Modellen:
Das Material muss mit mehr als 700.000 Kilometern pro Stunde ins All
geschleudert worden sein.
Rest hatte das Lichtecho von Eta Carinae erstmals 2010 und 2011 durch den
Vergleich von optischen Beobachtungen entdeckt, die mit dem
Victor-Blanco-4-Meter-Teleskop des Cerro Tololo Inter-American Observatory
in Chile gemacht wurden. Er konnte zudem auf Archivmaterial aus dem Jahr 2003
zurückgreifen. Auf den Aufnahmen war deutlich zu erkennen, wie Licht Staubwolken
aufhellte, die sich in einiger Entfernung von Eta Carinae befanden.
"Ich bin vor Freude in die Luft gesprungen, als ich das Lichtecho gesehen
habe", erinnert sich Rest, der sonst nach Lichtechos von deutlich
leuchtkräftigeren Supernova-Explosionen fahndet. "Ich hatte nicht erwartet, von
Eta Carinae ein Lichtecho sehen zu können, da die Eruption deutlich schwächer
war als eine Supernova." Als die Astronomen dann auf den Aufnahmen verfolgen
konnten, wie sich die Position der aufgehellten Bereiche tatsächlich veränderte,
waren sie sicher, dass es sich nicht um Material handeln konnte, das sich durch
den Nebel bewegt. Dessen Positionsveränderung hätte nämlich erst nach
Jahrzehnten sichtbar sein dürfen.
Auch wenn sich das Licht auf den Bildern mit der Zeit zu bewegen scheint, ist
dies in Wirklichkeit eine optische Täuschung. Jeder Lichtblitz des Echos
erreicht die Erde zu einer anderen Zeit, ganz wie ein akustisches Echo, das in
einem Tal von verschiedenen Wänden zurückgeworfen wird. Das Team um Rest plant,
dass Lichtecho weiter zu verfolgen und hofft schon innerhalb der nächsten sechs
Monate einen erneuten Anstieg der Helligkeit beobachten zu können, der aus dem
Jahr 1844 überliefert ist. Die aktuellen Messungen würden nämlich dem
Helligkeitsverlauf aus dem Jahr 1843 entsprechen.
"Die Große Eruption wurde lange Zeit als Prototyp solcher Ausbrüche von
Sternen dieser Klasse in anderen Galaxien angesehen", so Jose Prieto von der
Princeton University, der auch zum Beobachterteam gehörte. "Aber diese
Untersuchung hat gezeigt, das der Ausbruch ein einzigartiges Ereignis war." Über
ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in der aktuellen Ausgabe der
Zeitschrift Nature.
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