Der Ausbruch eines Mikroquasars
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
7. März 2016
Astronomen haben mit dem ESA-Weltraumteleskop Integral
einen Ausbruchs des Mikroquasars V404 Cygni beobachtet und dabei erstmals in unmittelbarer Umgebung des Schwarzen Loches das lange
vermutete Elektron-Positron Paar-Plasma nachweisen können. Die Messungen
lieferten den Forschern Informationen aus dem Innenbereich der Akkretionsscheibe
um das Schwarze Loch.
Künstlerische Darstellung eines sogenannten
Mikroquasars. Er besteht aus einem stellaren
Schwarzen Loch, das Materie von einem
Begleitstern abzieht und dabei eine
Akkretionsscheibe sowie Jets bildet.
Bild:
NASA / ESA [Großansicht] |
Schwarze Löcher sind ein bedeutender Forschungszweig in der Astrophysik. Neben
den massereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien gibt es auch die
stellaren Schwarzen Löcher, die durch die Supernova eines massereichen Sterns
entstehen. War dieser Stern vor seinem explosiven Ende Teil eines
Doppelsternsystems, kann sich ein sogenannter Mikroquasar bilden.
In einem Mikroquasar besitzt das Schwarze Loch in der Regel die vielfache Masse
unserer Sonne und zieht Materie von seinem Begleitstern ab. Der Materiestrom
bildet eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch. Diese wird auf hohe
Temperaturen aufgeheizt, so dass sie hell und im Röntgenbereich strahlt. Zudem
verdeckt sie den Innenbereich, wo Materie hinter dem Ereignishorizont
verschwindet und es werden heiße Plasmajets mit hoher Geschwindigkeit
ausgestoßen.
Die meiste Zeit verbringt ein Mikroquasars eher ruhig. Langsam und stetig wird
Materie von der Innenkante der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch abgezogen.
In diesen Phasen, aber noch mehr während der gelegentlichen, plötzlichen
Ausbrüche, bleibt der Innenbereich in der Nähe des Schwarzen Lochs sogar für
hochenergetische Gammastrahlen undurchsichtig. Es war daher lange Zeit praktisch
unmöglich zu untersuchen, wie die Akkretion von Materie tatsächlich zu diesen
beobachteten Phänomenen führt.
Der im vergangenen Juni mit dem ESA-Weltraumteleskop Integral
beobachtete Mikroquasar V404 Cygni befindet sich nur 8.000 Lichtjahre entfernt
im Sternbild Schwan. Die Parameter dieses Doppelsternsystems sind den Astronomen
daher gut bekannt. Nach 26 Jahren mit eher ruhiger Akkretion und Strahlung
flackerte das System im Sommer 2015 plötzlich hell auf. In der Zeit zwischen 17.
und 30. Juni 2015 beobachteten die Astronomen intensive Röntgen- und
Gammastrahlung, um ein Vielfaches stärker als der Krebsnebel, der normalerweise
die hellste Lichtquelle am Hochenergie-Himmel ist. Zudem ist V404 Cygni ein
besonderes Objekt: "Nach den Daten verschiedener Wellenlängenbereiche scheint
der Jet hier gerade auf uns zu gerichtet zu sein", sagt Jerome Rodriguez vom
CEA in Paris.
"Solch ein extrem starker Ausbruch sollte zur Bildung von großen Mengen an
Paar-Plasma führen, also zu Materie- und Antimaterie-Teilchen, die nach
Einsteins Formel E=mc2 aus der freigesetzten Energie entstehen",
erklärt Roland Diehl am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik. "Viele dieser Teilchen zerstrahlen sofort wieder
miteinander und senden eine sehr charakteristische, energiereiche Strahlung. Und
genau diese Linie, mit den erwarteten kinematischen Verzerrungen, konnten wir
beobachten. Dies ist das erste Mal, dass wir ein klares Signal von Positronen
aus einem gut bekannten Doppelsternsystem mit einem Schwarzen Loch sehen!"
Die Daten wurden in drei Epochen von etwa drei Tagen gruppiert, und in jeder
Epoche wurde ein signifikanter Überschuss an Leuchtkraft im gesuchten
Energiebereich entdeckt. Theoretische Arbeiten zeigen, dass sich dieses Signal nur durch die Produktion von Elektronen und Positronen und deren Annihilation
erklären lässt. Diese Paare von Teilchen und Anti-Teilchen werden in der Nähe
des Schwarzen Lochs von der hochenergetischen Gammastrahlung während
intensivierter Phasen der Akkretion erzeugt.
Aufgrund der geringen Größe der Quelle ist dieser Prozess offenbar sehr
effizient. Das Paar-Plasma wird kontinuierlich erzeugt und auf dem Weg nach
außen vernichtet, immer noch relativ nahe am Schwarzen Loch. Bei V404 Cygni war
die zerstrahlende Positronen-Menge nun groß genug, um dieses Gammasignal zu
erkennen. Das während "Epoche 3" beobachtete Signal ist etwas verwirrend, da es
eher auf Positronium-Atome hinweist, das heißt auf exotische Atome aus einem
Positron als Atomkern und einem Elektron. Derartige
Positronen-Annihilations-Strahlung wurde von den Max-Planck-Wissenschaftlern mit
Integral in der gesamten Galaxie seit Jahren im Detail vermessen,
allerdings tritt sie normalerweise in einer viel kälteren und weniger dichten
Umgebung auf.
"Sobald das besondere Röntgensignal von V404 Cygni nach dem Aufflackern
verblasste, verschwand auch das Annihiliationssignal", so Max-Planck-Forscher
Thomas Siegert. "Diese Messung gibt uns Informationen aus dem Innenbereich der
Akkretionsscheibe, von Prozessen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen
Lochs. Unsere Analyse stellt zudem eine natürliche Verbindung her zwischen dem
Prozess der Paarbildung und dem später beobachteten Plasmastrom in den
Radiojets, die viel weiter von der inneren Quelle entfernt sind. "
Das Paar-Plasma kann leicht beschleunigt werden und erreicht dabei eine hohe
Geschwindigkeit, was man durch Radiobeobachtungen erkennen kann. Dieser
Ausstoß von Elektron-Positron-Paaren macht Mikroquasare außerdem zu effizienten
Produktionsstätten von Antimaterie. Diese wurde schon seit längerem als mögliche
Quellen für das ausgedehnte diffuse Leuchten der gesamten Galaxie im Licht von
Annihilations-Gammastrahlen diskutiert. Die jetzigen Ergebnisse werfen ein neues
Licht auf die Positronen-Emission von Mikroquasaren und können helfen zu
verstehen, warum diese diffuse Positronen-Vernichtungsstrahlung in unserer
Milchstraße so hell ist, insbesondere in der zentralen Region.
Über ihre Beobachtungen berichteten die Astronomen in der vergangenen Woche in der
Zeitschrift Nature.
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