Mikroquasar sendet Gammastrahlung
Redaktion / MPG
astronews.com
24. Mai 2006
Mit Hilfe des Cherenkov-Teleskops MAGIC auf der Kanareninsel
La Palma haben Astronomen erstmals eine periodische hochenergetische
Gammastrahlung nachgewiesen, die von einem Mikroquasar stammt.
Mikroquasare sind Doppelsternsysteme, bei denen ein Schwarzes Loch oder ein
Neutronenstern einen anderen Stern kannibalisiert.
Künstlerische Darstellung eines Mikroquasars. In diesem
Doppelstern-System rotieren ein Neutronenstern bzw. ein
Schwarzes Loch (rechts) und ein massiver gewöhnlicher Stern
(links) umeinander. Durch die extreme Anziehung verliert der
Stern Materie, die sich scheibenförmig um das kompakte Objekt
anlagert. In Teilchenbündeln wird ein Teil der Energie mit
nahezu Lichtgeschwindigkeit entlang der Rotationsachse
abgestrahlt. Im Fall des jetzt beobachteten Mikroquasars LSI +61
303 liegt die Rotationsperiode der beiden Objekte bei etwa 26
Tagen. Bild: Max-Planck-Institut für Physik
Das im Bau befindliche zweite MAGIC-Teleskop (im Vordergrund)
auf dem Gelände des Observatoriums Roque de los Muchachos auf
der kanarischen Insel La Palma. Das erste MAGIC-Teleskop ist im
Hintergrund zu sehen. Foto: Max-Planck-Institut für
Physik |
Forscher des internationalen MAGIC-Projektes (Major Atmospheric Gamma-ray
Imaging Cherenkov) haben erstmals eine periodisch variierende hochenergetische
Gammastrahlung bei einem Mikroquasar - also einem Doppelsternsystem -
nachgewiesen. Zwischen Oktober 2005 und März 2006 hatte das Forscherteam den
Mikroquasar LSI +61 303 zu verschiedenen Zeitpunkten seiner Umdrehungsperiode
beobachtet. Dabei stellten die Forscher fest, dass sich die Strahlungsintensität
periodisch veränderte, was offensichtlich mit der Umdrehungsperiode des
Doppelsternsystems im Zusammenhang steht. Die schwankende Emission
hochenergetischer Gammastrahlung kann also direkt auf die Wechselwirkung der
beiden Objekte zurückgeführt werden. Dabei tritt das Maximum der Strahlung nicht
im Augenblick des kürzesten Abstands der beiden Objekte auf, sondern erst zu
einem etwas späteren Zeitpunkt.
Mikroquasare sind Doppelsterne, in denen sich ein gewöhnlicher massiver Stern
und ein kompaktes Objekt - entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch -
umkreisen. Kommen sich beide ausreichend nahe, wird durch die extreme
Anziehungskraft Materie von dem Stern zu dem kompakten Objekt übertragen. Dort
rotiert diese zunächst in Form einer Scheibe, erhitzt sich und strahlt dabei
Röntgenstrahlung aus. Ein Teil der frei werdenden Gravitationsenergie wird
gebündelt entlang der Rotationsachse in so genannten Jets abgestrahlt.
Die Bildung der Jets von Mikroquasaren gleicht der von Quasaren oder "aktiven
galaktischen Kernen"; allerdings ist das kompakte Objekt im letzteren Fall ein
mehrere Millionen Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie.
Quasare benötigen viele Jahre zur Ausbildung der Jets und die Abstrahlung
beobachtbarer Teilchen ist in erster Näherung konstant. Mikroquasare dagegen
zeigen Änderungen der Strahlungsintensität in viel kürzeren Perioden und sind
dadurch für wissenschaftliche Beobachtungen besonders interessant. Mikroquasare
sind auch mögliche Quellen kosmischer Strahlung, ein seit nahezu 100 Jahren
ungelöstes Rätsel für die Wissenschaft. Derzeit sind von Messungen im Röntgen-
und Radiobereich etwa zwanzig Mikroquasare bekannt.
Hochenergetische Gamma-Strahlung entsteht im Kosmos also nur bei Objekten,
die besonders hohe Energiedichten aufweisen, wie beispielsweise
Supernova-Überreste oder Quasare. Sie erreicht die Erde in extrem geringer
Intensität - mit etwa einem Gammaquant pro Quadratmeter und Woche. Diese
Gammaquanten zerstrahlen in der Atmosphäre in eine Vielzahl elektromagnetischer
Teilchen, die über sehr kurze Zeit (wenige Nanosekunden) eine charakteristische
Sekundärstrahlung erzeugen. Diese Cherenkov-Strahlung wird von Teleskopen wie
dem MAGIC-Teleskop auf La Palma oder dem HESS-Teleskop in Namibia aufgefangen.
Zukünftige MAGIC-Beobachtungen des Mikroquasars LSI +61 303 sowie die
theoretische Interpretation der gewonnenen Daten sollen helfen zu verstehen, auf
welche Weise hochenergetische Gammastrahlung in Mikroquasaren und in
relativistischen Jets im Allgemeinen erzeugt und absorbiert wird.
MAGIC ist mit einem Spiegeldurchmesser von 17 Metern unter den
Cherenkov-Teleskopen das weltweit größte. Es wurde auf La Palma, einer der
Kanarischen Inseln, in den Jahren 2002 bis 2004 installiert und heute von einem
internationalen Team betrieben, in dem das Max-Planck-Institut für Physik in
München eine federführende Rolle einnimmt. Die Astrophysiker kommen aus
Deutschland (Universität Würzburg, Humboldt-Universität Berlin, Universität
Dortmund sowie Max-Planck-Institut für Physik in München), Spanien, Italien, der
Schweiz, Polen, Armenien, Finnland, Bulgarien und den USA. Ein zweites Teleskop
ist an gleicher Stelle im Bau, um die Empfindlichkeit der Anlage weiter zu
verbessern.
Ein wichtiger Schwerpunkt des MAGIC Teleskops ist eine möglichst niedrige
Energieschwelle. Sie erlaubt die Beobachtung sehr weit entfernter
extragalaktischer Quellen. Denn bei weit entfernten Objekten werden die
Gammastrahlen durch das überall vorhandene infrarote Hintergrundlicht
absorbiert. Dieser Effekt ist bei Gammastrahlen höherer Energie wesentlich
stärker als bei niedrigerer Energie. Das Universum wird somit erst bei niedrigen
Gamma-Energien transparent.
Ein spezielles Merkmal der MAGIC-Teleskope ist, dass sie sich sehr schnell
ausrichten lassen. Innerhalb von etwa 40 Sekunden kann jedes Objekt am Himmel
angesteuert werden. Dies ist von großer Bedeutung für die Beobachtung von so
genannten Gammastrahlen-Ausbrüchen (Gamma Ray Bursts). Diese dauern nur einige
wenige bis zu etwa 100 Sekunden. Sie werden zunächst von Satelliten entdeckt,
die diese Information dann binnen 10 bis 20 Sekunden an die bodengestützten
Observatorien weiterleiten.
Um diese Ziele, also eine niedrige Energieschwelle und eine hohe
Drehgeschwindigkeit zu erreichen, wurden für das MAGIC-Teleskop mehrere
innovative Technologien entwickelt und eingesetzt. Dazu gehören eine aktive
Spiegelsteuerung, eine tragende Struktur aus leichtem Kohlefaser-Material, die
analoge Übertragung ultraschneller Signalen über optische Fasern,
diamantgedrehte Aluminium-Spiegel sowie Photosensoren mit hoher Quantenausbeute.
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