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MAGIC
Neues
Fenster zum Universum
Redaktion
astronews.com
13. Oktober 2003
Auf der
Kanareninsel La Palma wurde in der vergangenen Woche das weltweit größte
Gammastrahlen-Teleskop offiziell eingeweiht. Mit dem neuen
Großteleskop kann mit extremer Empfindlichkeit die energiereiche Gammastrahlung
von fernen Galaxien und explodierenden Sternen untersucht werden.
Die Astronomen stoßen mit MAGIC ein bislang verschlossenes Fenster zum Universum
auf.
MAGIC,
das "Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov"-Teleskop, auf der spanischen Insel La Palma. Foto:
Max-Planck-Institut für Physik |
MAGIC, das weltweit größte Gammastrahlen-Teleskop, wurde am 10. Oktober 2003 auf
dem Roque de los Muchachos, dem höchsten Berg der spanischen Insel La Palma, in
2.225 Metern Höhe, offiziell eingeweiht. Das Major Atmospheric Gamma Imaging
Cherenkov-Teleskop soll die energiereiche Strahlung von fernen Galaxien,
Quasaren und Supernovae-Resten untersuchen und einige der bisher noch ungelösten
Probleme der Astrophysik ergründen. Dazu registriert MAGIC die Lichtblitze von
"Luftschauern", die beim Eindringen kosmischer Gammaquanten in die Erdatmosphäre
entstehen.
Mit einem Spiegeldurchmesser von 17 Metern ist MAGIC weltweit das größte und
empfindlichste Instrument seiner Art für den bisher weitgehend unerforschten
Energiebereich zwischen 20 und 300 Milliarden Elektronenvolt. Mit der Einweihung
von MAGIC erfolgt zugleich der "Startschuss" für das Europäische
Cherenkov-Observatorium ECO, das in den kommenden Jahren auf La Palma aufgebaut
wird, denn MAGIC ist das erste dieses aus mehreren verbundenen Teleskopen
bestehenden Systems.
MAGIC wird in internationaler Kooperation betrieben: Nahezu einhundert
Wissenschaftler aus Deutschland, Italien, Spanien, Finnland, Polen, der Schweiz,
Armenien, Russland, Südafrika und den USA beteiligen sich an dem Projekt.
Deutschland ist durch das Münchner Max-Planck-Institut für Physik, die
Universität Siegen und die Universität Würzburg vertreten. Die
Max-Planck-Gesellschaft und das Bundesforschungsministerium tragen mehr als die
Hälfte der Investitionskosten von 4,5 Millionen Euro.
Beobachtungen im Gammastrahlen-Bereich des elektromagnetischen Spektrums zählen
zu den jüngsten Zweigen in der langen Geschichte der Astronomie. Da die
Erdatmosphäre für dieses extrem energiereiche Licht undurchlässig ist, erfordern
direkte Beobachtungen den Einsatz von Satelliten oder Raketen. Sie können
allerdings nur Gammastrahlung bis zu Energien von maximal einigen zehn
Milliarden Elektronenvolt registrieren. Für höhere Energien, wie sie in den
Zentren aktiver Galaxien oder in den Überresten explodierter Sterne entstehen,
müssen sich die Astronomen mit einem Trick behelfen, da die Gammaquanten aus dem
Universum nicht bis zur Erdoberfläche vordringen.
Dazu nutzen die Forscher die Tatsache, dass sich ein hochenergetisches
Gammateilchen in den oberen Schichten der Atmosphäre beim Vorbeiflug an einem
Atomkern spontan in ein Elektron und in dessen Antiteilchen, ein Positron,
umwandeln kann. Beide Teilchen erzeugen wiederum in einer Art Schneeballsystem
weitere Sekundär-Teilchen: Eine Teilchenlawine, ein so genannter "Luftschauer",
entsteht. Die elektrisch geladenen Teilchen des Schauers, deren Geschwindigkeit
höher ist als die Lichtgeschwindigkeit in Luft, emittieren Cherenkov-Licht.
Als Cherenkov-Strahlung bezeichnet man eine elektromagnetische Strahlung, die
von schnellen elektrischen Teilchen in elektrisch nicht leitenden Medien erzeugt
wird, wenn ihre Geschwindigkeit größer ist als die Phasengeschwindigkeit der
Strahlung in diesem Medium. Die 1934 von P. A. Cherenkov entdeckte Strahlung
breitet sich in Flugrichtung des ursprünglichen Gammateilchens als blauer Blitz
aus. Auf der Erdoberfläche beleuchtet solch ein Blitz von wenigen Milliardstel
Sekunden Dauer eine Fläche von einigen hundert Metern Durchmesser. Zwar ist
seine Intensität für die Beobachtung mit bloßem Auge viel zu schwach, und selbst
die bisherigen Luft-Cherenkov-Teleskope konnten lediglich Gammateilchen mit
Energien oberhalb von etwa 300 Milliarden Elektronenvolt beobachten.
Das MAGIC-Teleskop wird nun erstmals die Lücke zwischen satellitengestützten und
bodengebundenen Experimenten schließen und den Spektralbereich zwischen 20 und
einigen 100 Milliarden Elektronenvolt untersuchen, der bisher mangels geeigneter
Instrumente einen "weißen Fleck" in der Gamma-Astronomie darstellt. Damit wird
ein neues Fenster in der Gamma-Astronomie aufgestoßen.
Das Potential von MAGIC beruht auf dem konzertierten Einsatz neuester
Technologien in den zentralen Komponenten des Teleskops, die eine effizientere
Lichtsammlung ermöglichen. So war Leichtbau bei allen bewegten Teilen der
Schlüssel dazu, um einen Spiegeldurchmesser von 17 Metern realisieren zu können,
ohne dabei Kompromisse bei der Positionierungsgeschwindigkeit - wichtig für die
Beobachtung kurzzeitiger Phänomene wie Gammastrahlungs-Ausbrüche - eingehen zu
müssen. Erstmals bei einem Cherenkov-Teleskop wird eine ultraleichte
Kohlefaser-Gitterrahmenstruktur als Spiegelträger eingesetzt. Auch die 934
Spiegelsegmente bestehen aus Gewichtsgründen nicht aus Glas sondern aus
Aluminium, dessen Oberfläche mit diamantbestückten Werkzeugen geformt worden
ist. Die Spiegelsegmente selbst sind mit einem computergesteuerten
Verstellmechanismus ausgestattet, so dass kleinste Verformungen des
Spiegelträgers, wie sie bei Lageänderungen auftreten, automatisch korrigiert
werden können. Auf diese Weise bleibt die optische Qualität des Teleskops
unabhängig von der Positionierungsrichtung stets gewährleistet.
Die vom Spiegel gesammelten Photonen werden auf eine aus 577 Lichtsensoren
bestehende elektronische Kamera fokussiert, die im Brennpunkt des Teleskops
angebracht ist und ultrakurze Belichtungszeiten von wenigen Milliardstel
Sekunden erlaubt. Für die Kamera nutzt man speziell entwickelte
Photomultiplier-Röhren, deren spektrale Empfindlichkeit an das zu beobachtende
Cherenkov-Licht angepasst ist. Der Signaltransfer geschieht über ein
ultraschnelles optisches Glasfaser-System, das eine nahezu verlustfreie
Analog-Übertragung der in der Kamera erzeugten Impulse ermöglicht. Auf diese
Weise kann in der Kamera selbst auf schwere Digitalisierungselektronik
verzichtet und die Beeinträchtigung durch ein mechanisches Nachschwingen des
Kameragehäuses minimiert werden.
Die durch kompromisslose Nutzung technologischer Neuentwicklungen erreichte
Empfindlichkeit und schnelle Positionierbarkeit machen MAGIC zum einem weltweit
einzigartigen Instrument für die Beobachtung bisher weitgehend ungeklärter
astrophysikalischer Prozesse. Damit wird es möglich, bis zu 8 Milliarden
Lichtjahre weit ins Universum zu schauen. Wichtige Objekte des
Beobachtungsprogramms sind daher auch einige der rätselhaftesten und
exotischsten Himmelskörper: Quasare und andere aktive Zentren von Galaxien,
Schwarze Löcher, Pulsare und die Überreste von Supernovae, den gewaltigen
Explosionen, die dem Lebenszyklus massereicher Sterne ein Ende setzen.
Die wissenschaftlichen Fragestellungen, auf die sich die Physiker dabei
Antworten erhoffen, zählen zu den Brennpunkten der modernen Grundlagenforschung.
Dazu gehören etwa die Frage, welche Mechanismen die Teilchen der kosmischen
Strahlung auf die enormen Energien beschleunigen, aber auch ein besseres
Verständnis der Prozesse, die zur Bildung der ältesten Objekte im Kosmos geführt
haben, oder die Untersuchung der infraroten Hintergrundstrahlung im Universum
und die Überprüfung des Gültigkeitsbereichs der speziellen Relativitätstheorie
sowie die Suche nach Effekten der Quantengravitation. Auch die rätselhafte
Dunkle Materie, die das Universum erfüllt und über deren Natur bisher nur wenig
bekannt ist, könnte für MAGIC beobachtbare Spuren hinterlassen.
Das Teleskop wurde unter Federführung des Münchner Max-Planck-Instituts für
Physik in den Jahren 2001 bis 2003 gebaut und in internationaler Kooperation von
rund einhundert Wissenschaftlern aus zehn Ländern betrieben. Es ist zugleich das
erste Instrument des auf La Palma geplanten Europäischen
Cherenkov-Observatoriums ECO. MAGIC soll dazu in den nächsten beiden Jahren
durch ein weiteres, weitgehend baugleiches Teleskop ergänzt werden. Dadurch
werden dann auch stereoskopische Beobachtungen von Luftschauern möglich, was
seine Empfindlichkeit weiter erhöht. Für einen späteren Zeitpunkt ist ein
drittes Cherenkov-Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 34 Metern geplant.
Die Untersuchung der kosmischen Strahlung ist zeitaufwändig und erfordert die
Beobachtung zahlreicher Himmelsobjekte. MAGIC ist daher in ein weltumspannendes
Netz aus satellitengestützten und bodengebundenen Beobachtungsstationen
eingebunden.
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