Wachstumsbremse bei Schwarzen Löchern
von Stefan Deiters astronews.com
27. März 2009
Neue Beobachtungen des NASA-Röntgenteleskops Chandra
könnten erklären helfen, wie es einer bestimmten Klasse von Schwarzen Löchern
gelingt, in unregelmäßigen Abständen einen gebündelten Teilchenstrahl, einen
sogenannten Jet, ab- und wieder einzuschalten. Die Ergebnisse lassen vermuten,
dass diese Schwarzen Löcher über einen Mechanismus verfügen, der regelt, mit
welcher Rate sie wachsen.
Die
Himmelsregion, in der der Mikroquasar GRS
1915+105 zu finden ist, im Optischen und
Infraroten sowie ein Chandra-Bild des Objektes
(Kasten).
Bild: NASA / CXC /Harvard / J. Neilsen
(Röntgen) / Palomar DSS2 (Optisch & IR)
[Großansicht] |
Schwarze Löcher gibt es in unterschiedlichen Größenklassen: Da
sind zum einen die gewaltigen Schwerkraftfallen in den Zentren von Galaxien, die
über die Millionen- bis Milliardenfache Masse unserer Sonne verfügen können. Und es
gibt die sogenannten stellaren Schwarzen Löcher, deren Masse bei vielleicht der sieben- bis 25-fachen Masse unserer Sonne liegt. Von einigen dieser
stellaren Schwarzen Löcher schießen gebündelte Teilchenstrahlen, sogenannte
Jets, ins All. Da sie damit ein ähnliches Verhalten zeigen wie die Quasare, also
aktive supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum einer Galaxie, nennt man
diese Miniaturausgabe auch "Mikroquasare".
Die neue, jetzt vorgestellte Untersuchung beschäftigt sich mit einem recht
prominenten Mikroquasar in der Milchstraße, der die Bezeichnung GRS 1915+105
trägt. Die Beobachtungen konzentrierten sich auf einen Bereich in der Nähe des
sogenannten Ereignishorizonts, also der "Grenze" um ein Schwarzes Loch, ab der
es kein Zurück mehr gibt. GRS 1915+105 besteht aus einem Schwarzen Loch mit der
etwa 14-fachen Masse unserer Sonne und einem Begleitstern, von dem das Schwarze
Loch Material abzieht. Dieses sammelt sich, bevor es im Schwarzen Loch
verschwindet, in einer Scheibe um die Schwerkraftfalle. Die Astronomen nennen
solche Scheiben Akkretionsscheiben.
Das System ist für die Astronomen vor allem deswegen interessant, da
sein Verhalten alles andere als vorhersagbar ist: Durch bislang kaum verstandene
Wechselwirkungen zwischen der Akkretionsscheibe und einem Jet im Radiobereich
kommt es zu einer Variabilität des Objektes, die sich auf Zeitskalen abspielt,
die von Sekunden bis hin zu Monaten reichen. Insgesamt konnten die Astronomen 14
verschiedene Variabilitätsmuster ausmachen.
Mit seinem Spektrographen hat Chandra GRS 1915+105 seit 1999
insgesamt elf Mal beobachtet. Eine Auswertung dieser Daten deutet darauf hin,
dass der Jet von GRS 1915+105 immer dann verschwindet, wenn ein im
Röntgenbereich sichtbarer heißer Wind von der Akkretionsscheibe ausgestoßen
wird. Die Forscher vermuten, dass die Partikel des Windes, dem Mechanismus, der
den Jet antreibt, fehlen und dieser dadurch zum Erliegen kommt. Ist der Wind
verschwunden, erscheint der Jet aufs Neue.
"Wir glauben, dass es hier ständig einen Wettkampf zwischen Wind und Jet
gibt", erläutert Joseph Neilsen, ein Doktorand an der Harvard University und
Hauptautor eines Fachartikels, der jetzt in der Zeitschrift Nature über die
Resultate erschienen ist. "Manchmal gewinnt der eine und dann, aus einem Grund,
den wir nicht verstehen, bekommt der andere die Oberhand."
Die jüngsten Daten zeigen auch, dass durch den Wind und den Jet in etwa die
gleiche Menge von Material aus der Umgebung des Schwarzen Lochs wegtransportiert
wird. Dies werten die Astronomen als Hinweis darauf, dass das Schwarze Loch
irgendwie die Materiemenge reguliert, die es aufnimmt. Der
Mechanismus, durch den dies geschieht, könnte etwas mit dem Wechsel vom Jet zum
Wind und wieder zurück zu tun haben. Eine solche Selbstregulierung ist den
Astronomen schon von den supermassereichen Schwarzen Löchern bekannt, bei
stellaren Schwarzen Löchern konnte sie aber hier erstmals klar nachgewiesen
werden.
"Es ist faszinierend, dass wir eventuell gerade dabei sind, zwei Rätsel auf
einmal zu lösen, nämlich wie der Jet eines Schwarzen Lochs ausgeschaltet werden
kann und wie die Schwarzen Löcher ihre Akkretionsrate regulieren", meint
Julia Lee, die als Assistenzprofessorin am Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics arbeitet und auch eine Autorin des Nature-Fachbeitrags ist.
"Vielleicht können sich Schwarze Löcher besser selbstregulieren als der
Finanzmarkt."
Obwohl sich Mikroquasare und Quasare in ihrer Masse um Faktoren von vielen
Millionen unterscheiden, glauben die Astronomen doch, dass man grundsätzliche
Ähnlichkeiten finden kann, wenn man die unterschiedlichen Größenordnungen
berücksichtigt. "Sollten sich Mikroquasare und Quasare sehr verschieden
verhalten, haben wir ein Problem das zu erklären, weil die Gravitation sie
eigentlich gleich behandelt", so Neilsen. "Unsere Ergebnisse sind deswegen sehr
beruhigend, weil sie eine weitere Gemeinsamkeit zwischen diesen verschiedenen
Typen von Schwarzen Löchern zeigen."
Die wesentlichen Unterschiede zwischen den "großen" und "kleinen" Schwarzen
Löchern sollten die Zeitskalen betreffen, auf denen sich bestimmte Prozesse
abspielen: Beobachtet man beispielsweise bei GRS 1915+105 Änderungen in jeder
Stunde, entspräche dies Schwankungen bei supermassereichen Schwarzen Löchern auf Zeitskalen von
rund 10.000 Jahren. "Bei supermassereichen Schwarzen Löchern ist es sehr
unwahrscheinlich, dass wir so detaillierte Beobachtungen bekommen", meint Lee.
"Deswegen können wir jede Menge über Schwarze Löcher lernen, wenn wir stellare
Versionen wie dieses hier untersuchen."
Noch gar nicht verstanden haben die Astronomen, wieso der Jet wieder
"anspringt", wenn der Wind von der Akkretionsscheibe nachgelassen hat. "Jedes
größere Observatorium im Weltall und auf der Erde hat dieses Schwarze Loch in
den vergangenen zwei Jahrzehnten untersucht", so Neilsen. "Noch immer haben wir
nicht alle Antworten, aber wir glauben, dass unsere Resultate ein wichtiger
Schritt in die richtige Richtung sind."
|