Sylter Muschelzellen im Weltall
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
12. Januar 2015
Mit dem Raumfrachter Dragon sind heute auch
Fresszellen aus Miesmuscheln auf die ISS gekommen, die im vergangenen Jahr auf
Sylt gesammelt wurden. In einem Experiment soll mit ihrer Hilfe geklärt werden,
wie genau die Schwerelosigkeit das Immunsystem beeinflussen kann. Die Frage ist
vor allem für längere Aufenthalte im All von Bedeutung.
Der Dragon-Raumfrachter wurde heute an die
ISS angedockt. Bild:
NASA TV |
Am Sonnabend ist der fünfte reguläre ISS-Versorgungsflug eines
Dragon-Raumfrachters von Cape Canaveral in Florida aus gestartet. Heute hat das
unbemannte Raumschiff die Internationale Raumstation ISS erreicht. Mit an Bord:
Fresszellen (Hämozyten) des Immunsystems der gemeinen Miesmuschel (Mytilus
edulis).
Diese Hämozyten sind die Hauptakteure in einem neuen Experiment, das in
der nächsten Zeit auf der ISS durchgeführt werden soll. Von dem Experiment TripleLux-B erhoffen sich die Forscher wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich
der Aufenthalt im Weltraum auf das Immunsystem der Astronauten auswirkt.
Entwickelt wurde TripleLux-B an der Technischen Universität Berlin von Prof.
Dr. Peter-Diedrich Hansen und Dr. Eckehardt Unruh. "Das Experiment soll helfen,
die zellulären Abläufe im Immunsystem wirbelloser Tiere unter den Bedingungen
der Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung besser zu verstehen", erklärt Hansen.
Die Hämozyten sind Zellen des Immunsystems. Sie bewegen sich durch den Körper
der Muschel und fressen dabei die Mikroorganismen, die eingedrungen sind und das
Immunsystem des Organismus angreifen könnten. Während die Hämozyten die
Mikroorganismen fressen, zersetzen sie sie. Um dies tun zu können, benötigen sie
reaktiven Sauerstoff. Dieser reaktive Sauerstoff wird mit dem Farbstoff Luminol
in Form von Lichtblitzen sichtbar gemacht. Die Stärke der Lichtblitze ist ein
direkter Indikator für die Menge an gebildetem reaktivem Sauerstoff und sagt
somit etwas darüber aus, wie "fit" das Immunsystem ist.
Um diesen Prozess unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit erforschen zu
können, reisten die Hämozyten nun zur Internationalen Raumstation ISS –
tiefgefroren und in Titanröhrchen verschlossen. Die Hämozyten stammen aus
Muscheln, die im September vergangenen Jahres auf Sylt gesammelt wurden. Die
Hämozyten wurden am Alfred-Wegener-Institut von Wissenschaftlern der TU Berlin
gewonnen und durch Gefrieren konserviert. Dadurch bleibt die Vitalität der Zellen
erhalten.
Im BIOLAB des Columbus-Raumlabors der ESA an Bord der ISS werden die
gefrorenen Zellen zunächst aufgetaut und 48 Stunden der Schwerelosigkeit
ausgesetzt. Danach wird die Phagozytose, also der "Fressprozess", mit
zertrümmerten Hefezellen stimuliert. Die Hämozyten reagieren auf die
zertrümmerten Hefezellen genauso wie sie auf Bakterien und andere Fremdpartikel
reagieren würden.
Zur Messung der Lichtblitze wird ein hochempfindliches, weltraumtaugliches
Messgerät verwendet. Es wurde von Airbus Defence and Space im Auftrag der ESA
und unter Mitarbeit von Hansen und Unruh entwickelt und gebaut. "Um exakt zu
sein: Wir messen die Anzahl der Photonen. Die gibt uns Aufschluss darüber, wie
stark oder schwach die Phagozytose abläuft. Daraus wiederum können wir
Rückschlüsse ziehen, wie stark oder schwach das Immunsystem beeinträchtigt
wird", erläutert Hansen.
Neben dieser Messung in der Schwerelosigkeit wird noch eine Referenzprobe
unter den Bedingungen der Simulation der Erdschwerkraft im BIOLAB gemessen. Eine
weitere Referenzmessung findet auf der Erde statt. Erwartet wird, dass beide
Messungen unter Erdschwerkraft die gleichen Ergebnisse liefern. Das
Forschungsprojekt ist Teil des ELIPS-Programms der ESA (European Programme
for Life and Physical Sciences) und wird vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) begleitet und vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie gefördert.
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