Immunsystem von Astronauten im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
22. April 2014
Mit dem Raumfrachter Dragon, der die Internationale
Raumstation ISS am Ostersonntag erreicht hat, gelangte auch ein biologisches
Experiment an Bord, mit dem untersucht werden soll, warum das Immunsystem von
Astronauten im All schwächer wird. Ein weiteres Experiment ist der
Krebsforschung gewidmet.
Start des Dragon-Raumfrachters am
Freitag.
Foto: NASA |
Im All ist alles anders: Jede noch so kleine Zelle unseres Körpers merkt,
dass die Schwerkraft fehlt, unsere Körperfunktionen sind verändert. So schwächt
ein Aufenthalt im All auch das Immunsystem der Astronauten. Warum das so ist,
wollen Forscher der Universität Magdeburg in zwei vom Raumfahrtmanagement des
DLR organisierten Experimenten auf der Internationalen Raumstation ISS
herausfinden. An Bord eines Dragon-Raumschiffs der US-amerikanischen Firma
SpaceX sind am Freitag zwei
Zellkulturen vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral zur ISS gestartet.
Außerdem hat das Raumschiff eine weitere für das DLR wichtige Fracht an Bord:
das HDEV-Experiment (High Definition Earth Viewing) der NASA. "Das ist eine Box
mit vier HD-Videokameras, die am europäischen Columbus-Modul der ISS angebracht
werden", berichtet Johannes Weppler vom DLR Raumfahrtmanagement. Die Kameras
werden als "Augen" von Columbus Bilder von der Erde aufnehmen, die für das
Schülerprojekt "Columbus Eye" im Rahmen der ISS-Mission des nächsten deutschen
ESA-Astronauten Alexander Gerst-Mission genutzt werden können. Gerst soll am 28.
Mai 2014 zu einem sechsmonatigen Aufenthalt zur ISS starten.
Die beiden
biologischen Experimente der Universität Magdeburg "dienen dazu, zu erforschen,
wie menschliche Fresszellen und Schilddrüsenkrebszellen in Schwerelosigkeit
reagieren. Nach 30 Tagen auf der ISS sollen die Zellkulturen in kleinen
Experimentkammern mit der Dragon-Kapsel wieder zur Erde zurückgebracht werden,
hier können die Wissenschaftler die Proben dann analysieren", erklärt
DLR-Projektleiter Dr. Markus Braun.
Für Transport und Durchführung der
Experimente wurde erstmals ein kommerzieller Dienstleister beauftragt. Die Firma
Nanoracks wurde 2008 gegründet, um die Nutzung der ISS zu kommerzialisieren und
in den USA für weitere Nutzer zu öffnen. Heute kommt etwa ein Viertel der
Einnahmen von der NASA, der weitaus überwiegende Teil aber von Kunden aus aller
Welt. Das DLR testet mit der Cellbox-Mission - zusätzlich zur ISS-Nutzung über
die ESA und über bilaterale Kooperationen - neue Wege, um deutschen
Wissenschaftlern vergleichsweise schnell und kostengünstig
Experimentiermöglichkeiten im Weltraum anzubieten.
Im Cellbox-Experiment werden
dabei zwei unterschiedliche Zelltypen eingesetzt: Zum einen Makrophagen, die
sogenannten "Fresszellen" des Immunsystems, zum anderen menschliche
Schilddrüsenkrebszellen. Vor dem Start werden die Zellen im Labor vorbereitet
und in die Probenkammern eingefüllt. Die Wissenschaftler werden dabei durch ein
Team von Airbus Defence & Space vor Ort unterstützt.
"Makrophagen wandern durch
den Körper und 'fressen' eingedrungene Mikroorganismen und andere körperfremde
Substanzen. Im Experiment werden insbesondere bestimmte Oberflächenmoleküle, die
für die Erkennung von Fremdkörpern und die Kommunikation zwischen den Zellen
zuständig sind, in Schwerelosigkeit und unter erdähnlichen Bedingungen
analysiert. Außerdem sollen das Zellskelett und bestimmte Sekretionsprodukte wie
beispielsweise Cytokine, die unter anderem Wachstum und Differenzierung von
Zellen regulieren, untersucht werden", fasst Braun
zusammen.
Auf diese Weise können der Zustand der Zellen festgestellt und
eventuelle Veränderungen präzise erfasst werden. Denn nur, wenn die zellulären
Ursachen für die Immunschwäche in Schwerelosigkeit erkannt sind, können
Gegenmaßnahmen in Form von Therapien oder Medikamenten entwickelt werden.
Vorversuche bei DLR-Parabelflügen deuten darauf hin, dass die Aktivität der
Makrophagen durch veränderte Schwerkraftbedingungen beeinflusst ist. Dies könnte
eine Ursache für die beeinträchtigte Immunfunktion beim Menschen im All sein.
Bei dem zweiten "Cellbox"-Experiment stehen Schilddrüsenkrebszellen im Fokus.
"Es geht darum, zelluläre und molekulare Veränderungen der Funktionsweise dieser
Zellen zu untersuchen, die entstehen, weil die Schwerkraft fehlt. Dieses Wissen
wollen die Zellbiologen der Universität Magdeburg nutzen, um neue therapeutische
Ansätze für die Tumorbekämpfung zu finden", erklärt Braun. Die
Krebszellen bilden in Schwerelosigkeit dreidimensionale kugelförmige
Ansammlungen aus mehreren Tausend Tumorzellen, die dem ursprünglichen Tumor
ähneln.
Aus Weltraumexperimenten wie dem deutsch-chinesischen SIMBOX-Projekt
wissen die Forscher, dass die Schilddrüsentumorzellen in Schwerelosigkeit die
Produktion verschiedenster Proteine aus unterschiedlichen physiologischen
Prozessen verändern. So sind Krebszellvermehrung und Metastasierung genauso
beeinflusst wie Zelltod, Zellbewegungen und Reizverarbeitung. Diese Ergebnisse
sollen nun im Cellbox-Experiment bestätigt und erweitert werden.
Außerdem ist
die Neigung der Zellen, in Schwerelosigkeit als kugelförmige Ansammlungen zu
wachsen, auch in einem ganz anderen Zusammenhang interessant: "Beim so genannten Tissue Engineering geht es darum, dreidimensionale Gewebe herzustellen",
berichtet Braun. Bisher gelang es den Wissenschaftlern, Gefäß-ähnliche
Strukturen in Schwerelosigkeit zu züchten - daran wollen die Forscher auch im
Rahmen des Cellbox-Experiments weiterarbeiten.
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