Ariane 6 soll kommen
von Stefan Deiters astronews.com
4. Dezember 2014
Auf einer Tagung der Minister der 20 Mitgliedsstaaten der
europäischen Weltraumagentur ESA wurden am Dienstag wichtige Entscheidungen für
die zukünftige Entwicklung der europäischen Raumfahrt getroffen. So beschloss
man die Entwicklung einer neuen Trägerrakete und genehmigte Gelder für den
Weiterbetrieb der ISS. Jedoch konnten nicht alle Fragen geklärt werden.

Die geplante
Ariane 6 soll 2020 erstmals abheben.
Bild: ESA / D. Ducros [Großansicht] |
Die ESA-Ratssitzung am Dienstag in Luxemburg, die auf Ministerebene stattfand,
war durch Treffen im Vorfeld gründlich vorbereitet worden. Trotzdem
blieb den Vertretern der 20 Mitgliedsstaaten der europäischen Weltraumagentur
ESA noch ausreichend Gesprächsstoff. Dabei ging es zum einen um viel Geld, zum
anderen aber auch - durch wichtige Entscheidungen zum künftigen
Trägerraketen-Systems Europas - um Weichenstellungen, die für die einzelnen
Mitgliedsstaaten ein Gewinn oder einen Verlust an Arbeitsplätzen bedeuten
könnten.
Insbesondere in der Frage der Zukunft der Ariane-Trägerraketen hatte es im
Vorfeld Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Frankreich gegeben.
Während man in Paris die schnelle Entwicklung einer komplett neuen Trägerrakete
unter der Bezeichnung Ariane 6 favorisierte, setzte man in Berlin auf die
Modernisierung der bewährten, aber langsam in die Jahre kommenden Ariane 5. Ein
wichtiger Faktor bei den Überlegungen war dabei auch die Sicherung von
Standorten in Deutschland, wo entscheidende Komponenten der geplanten
modernisierten Variante hergestellt worden wären.
In Luxemburg wurden nun ein - fast schon typischer - europäischer Kompromiss
gefunden: Ab 2020 soll tatsächlich eine Ariane 6 abheben, die allerdings
deutlich anders aussehen wird, als die Ariane 6, die einmal geplant war: Die
neue Ariane 6 übernimmt nämlich wesentliche Komponenten der modernisierten Ariane 5.
Von der Ariane 6 versprechen sich die Minister entscheidende Vorteile im
Wettbewerb mit anderen Anbietern von Trägerraketen, wie etwa dem amerikanischen
Unternehmen SpaceX, das Satellitenstarts oft zu einem Bruchteil der Kosten
anbieten kann. Die Ariane 6 soll nämlich in zwei Varianten zum Einsatz kommen,
einer leichteren und günstigeren Version mit zwei Feststoffraketen, mit der
beispielsweise nur ein Satellit in den Orbit befördert werden kann und einer
leistungsfähigeren Variante mit vier solchen Boostern, die - wie die Ariane 5 -
zwei Satelliten ins All bringt.
Abheben soll die Ariane 6 erstmals im Jahr 2020. Deutschland wird sich an den
Entwicklungskosten mit etwa 22 Prozent beteiligen und dazu rund 180 Millionen
Euro pro Jahr an die ESA überweisen. Allerdings verlangte Frankreich, so
verschiedene Medienberichte, offenbar überraschend auch eine signifikante
Beteiligung Deutschlands an den Kosten des Ausbaus entsprechender
Starteinrichtungen in Kourou in Französisch-Guayana. Die Forderung hätte
fast zum Scheitern des Treffens geführt, eine konkrete Entscheidung
über die Kosten des Bodensegments konnte dann aber noch auf 2016 vertagt werden.
Doch auch an anderer Stelle ging es am Dienstag ums Geld: So war die weitere Finanzierung der Internationalen Raumstation
ISS ein Thema, deren Betrieb man von ESA-Seite aus eigentlich bis 2020 sicherstellen
wollte. Allerdings war auch hier nur eine Einigung bis 2017 möglich, wobei vor
allem Italien keine zusätzlichen Mittel bereitstellen wollte. Ein Einlenken gab
es hier offenbar erst, als sich Deutschland bereit erklärte, sich stärker am
Programm ExoMars zu beteiligen, das bislang vor allem von Italien bestritten
wird.
Es bleibt also noch einiges zu klären auf ESA-Ebene und wer das Hin und Her bei
den Ratssitzungen verfolgt, ist dann doch ein wenig erstaunt, dass dabei am Ende
trotzdem Missionen wie Rosetta herauskommen, die aller Welt Respekt vor der
Leistung europäischer Raumfahrttechnik abnötigen. Vor Weihnachten steht bei der
ESA nun noch eine wichtige Personalentscheidung an: die Nachfolge des
ESA-Generaldirektors Jean-Jacques Dordain. Einziger Kandidat ist inzwischen der
deutsche DLR-Vorsitzende Prof. Johann-Dietrich Wörner.
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