Das Gesundheitsrisiko für Weltraumtouristen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
22. August 2013
Mit privaten Anbietern können Interessierte mit dem nötigen
Kleingeld bald eine Spritztour ins All unternehmen. Doch welches Risiko gehen
die Weltraumtouristen dabei ein? Wie reagiert ein vielleicht nicht ganz gesunder
Körper auf die Belastungen während eines Raumflugs? Beim DLR suchen
Raumfahrtmediziner nach Antworten - und setzten Probanden in eine Zentrifuge.
In der
Langarmzentrifuge des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) sitzen die Probanden in
einer geschlossenen Kabine an einem sechs Meter
langen Arm.
Foto: DLR |
Die ersten Tickets an Weltraumtouristen sind bereits verkauft. Auch wenn ein
Flug ins All noch deutlich teurer ist, als eine Reise nach Mallorca oder auf die
Kanarischen Inseln, haben sich doch bereits zahlreiche Interessenten für einen
kurzen Trip in den Weltraum gefunden. Die Passagiere werden dabei aber keine
trainierten und körperlich durchweg gesunden Astronauten sein, sondern oftmals
Menschen mit sehr unterschiedlichen gesundheitlichen Voraussetzungen.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
untersuchen deshalb zusammen mit Medizinern der Universität Witten/Herdecke in
einer ersten Pilotstudie, welche Risiken bestehen: In einer Langarmzentrifuge
setzen sie Probanden über 15 Minuten den Kräften aus, die durchschnittlich bei
Start und Landung auf die Weltraumtouristen zukommen. Ziel der Studie ist es,
den Einfluss der erhöhten Schwerkraft auf die Blutgerinnung zu erforschen.
Insgesamt 20 Probanden werden dabei in einer Kabine an einem sechs Meter
langen Arm mit 22 Umdrehungen pro Minute beschleunigt. Bereits 15 Sekunden nach
dem Anfahren erleben die Männer zwischen 25 und 40 Jahren die dreifache
Schwerkraft. "Das Atmen fällt schwerer, da muss man sich erst daran gewöhnen",
erläutert Proband Max Schneider nach seiner Fahrt an der Langarmzentrifuge.
Schon vor der Fahrt hatten Ulrich Limper und Peter Gauger vom DLR-Institut für
Luft- und Raumfahrtmedizin die ersten Blutproben genommen, um den ursprünglichen
Zustand analysieren zu können.
Während die dreifache Schwerkraft auf Max Schneider wirkt, überwachen
Zentrifugen-Operator Hartmut Friedrich und Arzt Jürgen Wenzel die Reaktionen des
Probanden. Eine Kamera überträgt das Gesicht des Probanden in den Kontrollraum.
Regelmäßige Messungen von Blutdruck und Herzschlag zeigen: Dem Probanden geht es
trotz der Belastung gut. Sobald die Kabine nach 15 Minuten stoppt, muss er die
nächsten Blutproben abgeben. "Damit können wir die ganz unmittelbaren
Auswirkungen der erhöhten Schwerkraft feststellen", erläutert Ulrich Limper.
Eine halbe Stunde später werden die letzten Blutabnahmen durchgeführt - weil
einige Reaktionen im Blut erst mit einer Zeitverzögerung ausgelöst werden.
"Bei einem Weltraumtouristen müssen wir davon ausgehen, dass er älter ist,
vorher vielleicht Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Beinvenen-Thrombosen hatte -
aber dennoch ins Weltall fliegen möchte und sich dafür den körperlichen
Belastungen aussetzt", sagt Mediziner Limper. Die privaten Anbieter der Flüge
werden dabei einem möglichst breiten Publikum die Reise in die mehrminütige
Schwerelosigkeit anbieten wollen. "Dafür muss man die Risiken kennen, ein
effektives medizinisches Durchchecken vor dem Start festlegen oder in einem
nächsten Schritt auch Lösungen für die Risiken anbieten."
Nehmen Passagiere beispielsweise Medikamente, die nach einem Schlaganfall
oder einer Lungenembolie die Fähigkeit zur Blutgerinnung heruntersetzen, könnte
deren Wirkung während des Flugs vermindert werden. "Dieses Risiko muss definiert
werden - damit es minimiert werden kann", erläutert Limper das das gemeinsame
Forschungsprojekt von DLR und der Universität Witten/Herdecke.
Eine erste Tendenz der Studie liegt bereits vor: "Die erhöhte Schwerkraft
erhöht sehr wahrscheinlich die Gerinnbarkeit des Blutes." Bisher wurde dieser
Effekt lediglich an menschlichen Blutzellen in einer Zentrifuge oder auch an
Tieren untersucht. Die Arbeit mit Probanden ermöglicht den Wissenschaftlern
allerdings genauere Untersuchungen: "Die Blutgerinnung steht unter anderem in
einem engen Zusammenhang mit dem menschlichen Gefäßsystem - das kann man mit
Blutproben in einer Zentrifuge nicht berücksichtigen."
Um möglichst eindeutige Ergebnisse zu erhalten, wurden die Probanden nach
einem strikten Schema ausgewählt: Nur wer die Untersuchung der Fliegerärztlichen
Untersuchungsstelle des DLR bestand und keine Auffälligkeiten bei der
Blutgerinnung hatte, wurde zur Studie zugelassen. Die Probandengruppe soll
möglichst einheitlich sein, so dass die festgestellten Ergebnisse zur
Blutgerinnung auch ausschließlich auf die Zentrifugenfahrt zurückzuführen sind.
Ausfälle gibt es aber auch hier: "Bei einigen müssen wir die Fahrt abbrechen -
auch wer einen gesunden Körper hat, kann manchmal nicht mit seinem Kreislauf die
Auswirkungen der erhöhten Schwerkraft ausgleichen."
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