Das Alter von Sternen und ihre Bahnen
von Stefan Deiters astronews.com
19. Juli 2013
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble ist es
Astronomen gelungen, im Kugelsternhaufen 47 Tucanae zwei Gruppen von Sternen zu
identifizieren, deren Bahnen sich auf charakteristische Weise unterscheiden. Die Sterne der beiden Gruppen
wurden offenbar zu unterschiedlichen Zeiten in der Geschichte des Sternhaufens
geboren.
Der Kugelsternhaufen 47 Tucanae. Rechts der
Bereich, in dem die Astronomen die Bewegung der
einzelnen Haufensterne untersuchten.
Bild: NASA, ESA,
Digitized Sky Survey (DSS; STScI / AURA / UKSTU / AAO),
H. Richer und J. Heyl (University of British
Columbia) und J. Anderson und J. Kalirai (STScI)
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Kugelsternhaufen gehören mit zu den ältesten Bestandteilen der Milchstraße
und ihre Beobachtung gewährt den Astronomen einen Blick in die Entstehungsphase unserer
Heimatgalaxie. Die Sterne eines Kugelsternhaufens werden alle durch ihre
gegenseitige Anziehungskraft zusammengehalten und sollten ungefähr zum
gleichen Zeitpunkt entstanden sein. Dies macht die Untersuchung von
Kugelsternhaufen auch für Forscher interessant, die sich für Sternentwicklung
interessieren.
In den letzten Jahren ist es aber wiederholt gelungen, unter den Sternen eines
Kugelsternhaufens geringe Altersunterschiede nachzuweisen - auch bei 47 Tucanae,
einem der hellsten der ungefähr 150 bekannten Kugelsternhaufen der Milchstraße.
Er hat einen Durchmesser von etwa 120 Lichtjahren und liegt in einer Entfernung
von 16.700 Lichtjahren im Sternbild Tukan. Der entdeckte Altersunterschied der
Sterne des Haufens ist allerdings vergleichsweise gering: 47 Tucanae ist rund
10,5 Milliarden Jahre alt, das Alter seiner Sterne unterscheidet sich um weniger
als 100 Millionen Jahre.
Harvey Richer von der University of British Columbia und seinen Kollegen ist
es nun durch die Kombination von neuen Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop
Hubble mit Archivmaterial aus insgesamt acht Jahren gelungen, die
Bewegung der Sterne in einem Teilbereich von 47 Tucanae zu verfolgen. Die Daten erlaubten es den
Astronomen erstmals eine Verbindung zwischen dem Alter der Sterne und ihren
Bahnen in dem Haufen herzustellen.
"Wenn man die Bewegung von Sternen untersucht gilt: Je länger die Zeitspanne
der Beobachtung der Sterne, desto genauer lässt sich ihre Bewegung messen",
erklärt Richer. "Diese Daten sind so gut, dass wir tatsächlich die Bewegung
einzelner Sterne in dem Haufen erkennen können. Die Daten liefern uns
detaillierte Beweise, um zu verstehen, wie sich verschiedene stellare
Populationen in solchen Haufen bilden konnten."
Dass in Kugelsternhaufen doch nicht alle Sterne exakt die gleiche chemische
Zusammensetzung haben, wie man es erwarten würde, wenn alle Sterne des Haufens
zur gleichen Zeit entstanden sind, weiß man durch spektroskopische
Untersuchungen. Die neuen Hubble-Daten bestätigen diesen Befund, ergänzen ihn
jedoch noch um Informationen über die Bahnen der Sterne.
Richer hatte 47 Tucanae mit seinem Team im Jahr 2010 mit der Advanced Camera
for Surveys beobachtet und zudem 754 Archivbilder ausgewertet, um die
Positionsänderungen von über 30.000 Sternen des Haufens zu bestimmen. Mithilfe
dieser Daten konnten die Astronomen dann ermitteln, wie schnell sich die Sterne
im Haufen bewegen. Außerdem bestimmten die Forscher die Helligkeit und
Temperatur der Sterne.
Auf diese Weise konnten die Astronomen zwei deutlich unterscheidbare
Populationen von Sternen identifizieren: Eine Gruppe besteht aus rötlicheren
Sternen, die etwas älter sind und einen geringeren Anteil an schwereren
chemischen Elementen aufweisen und sich auf zufälligen kreisförmigen Bahnen um das
Haufenzentrum bewegen. Die zweite Gruppe besteht aus etwas blaueren Sternen, die
ein wenig jünger sind, mehr schwerere Elemente enthalten und auf eher
elliptischen Bahnen kreisen.
Die chemische Zusammensetzung der älteren Sternengruppe dürfte damit der
Zusammensetzung des Gases entsprechen, aus dem sich einst der Kugelsternhaufen
gebildet hat. Die massereichsten Sterne dieser Gruppe hatten ihr stellares Leben
aber bald schon wieder hinter sich und haben am Ende ihrer Entwicklung mit schwereren Elementen
angereichertes Gas in den Haufen geblasen. Es vermischte sich mit noch
vorhandenem Gas, aus dem schließlich die zweite Sterngeneration wurde, die sich
vor allem im Zentrum des Haufens konzentrierte. Mit der Zeit wanderten diese Sterne dann
langsam nach außen und gerieten dabei auf elliptischere Bahnen.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal Letters.
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