Knie und Knöchel der kosmischen Strahlung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) astronews.com
3. Mai 2013
Die Auswertung von Daten des KASCADE-Grande-Experiments am
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat neue Hinweise auf die Herkunft der
hochenergetischen Partikel der kosmischen Strahlung geliefert. Im
Energiespektrum der leichteren Teilchen entdeckten die Forscher nämlich nicht
nur ein sogenanntes Knie, sondern auch einen Knöchel - ein Indiz für die
extragalaktische Herkunft der Teilchen?
Mit dem Messfeld KASCADE-Grande auf dem
Gelände des KIT untersuchten die Wissenschaftler
Teilchenschauer, die durch Kosmische Strahlung
ausgelöst werden.
Foto: KIT |
KASCADE-Grande war ein Messfeld für kosmische Strahlung auf dem Gelände
des Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Das mit 37
Detektorstationen erweiterte KASCADE-Experiment konnte über mehr als ein
Jahrzehnt Teilchenschauer messen, die von hochenergetischer primärer kosmischer
Strahlung ausgelöst werden (astronews.com berichtete).
Die Teilchenschauer entstehen dadurch, dass die primären Teilchen der
kosmischen Strahlung auf die Atome der Erdatmosphäre auftreffen und aufgrund
ihrer hohen Energie Sekundärteilchen erzeugen, die wiederum Teilchen erzeugen,
die weitere Teilchen erzeugen, usw. Diese Kaskade aus Teilchen trifft nach
einigen Millisekunden auf den Erdboden auf und kann dort gemessen werden.
"Mit KASCADE-Grande konnten Schauer von Sekundärteilchen gemessen werden, die
von Primärteilchen kosmischen Ursprungs mit Energien von 1014 bis 1018
Elektronenvolt erzeugt wurden", erklärt Dr. Andreas Haungs, der das
KASCADE-Grande-Projekt am KIT leitet. 1018 Elektronenvolt liegt um
mehrere Größenordnungen über den Energien, die die größten Teilchenbeschleuniger
auf der Erde erreichen.
Das Experiment wurde im vergangenen Jahr endgültig abgeschaltet und
wird derzeit abgebaut. Die Analyse der Daten dauert aber an. Schon seit längerer
Zeit weiß man, dass der Fluss der kosmischen Strahlung, also der Primärteilchen
mit zunehmender Energie der Teilchen stark abnimmt. Ewas oberhalb einer Energie
von 1015 Elektronenvolt ändert sich die "Steilheit" der
Energieabnahme: Dadurch entsteht ein Knick im Spektrum, das sogenannte "Knie"
der kosmischen Strahlung.
Mithilfe der Daten von KASCADE-Grande konnte man zeigen, dass das Knie für
leichte und schwere Elemente bei unterschiedlichen Energien auftritt, und dass
dieser Unterschied mit der Ladung zusammenhängt. So findet sich das mit
KASCADE-Grande detektierte "Eisen-Knie" bei 26-mal höherer Energie als ein Knie
im Spektrum der Wasserstoffkerne. Die aktuelle Analyse der Daten des
KASCADE-Grande-Experimentes zeigte nun ein Abflachen (auch "Anti-Knie" oder
"Knöchel" genannt) des Spektrums leichter Primärteilchen oberhalb einer Energie
von 1017 Elektronenvolt.
Doch woher kommt das Knie und warum ist dessen Ursache abhängig von der
Ladung des kosmischen Teilchens? Eine mögliche Erklärung hierfür geben die
Magnetfelder in der näheren Umgebung der kosmischen Beschleuniger. Diese
funktionieren zu hohen Energien hin effektiver für Teilchen mit höherer Ladung.
Zudem besitzt unsere eigene Galaxie eine magnetische Hülle, die ein Entweichen
eines Großteils der Teilchen aus unserer Milchstraße verhindert.
Aus den bisherigen Ergebnissen von KASCADE-Grande konnte geschlossen werden,
dass die primären Partikel der kosmischen Strahlung nur bis zu Energien um 1017
Elektronenvolt in unserer Milchstraße erzeugt und gespeichert werden können.
Teilchen mit noch höherer Energie haben demnach ihren Ursprung außerhalb der
Milchstraße. Der Übergang von einer galaktischen zu einer extragalaktischen
kosmischen Strahlung wird im Energiebereich von knapp oberhalb 1018
Elektronenvolt, beim sogenannten "Knöchel" des Spektrums vermutet.
Folgt man der obigen Theorie zur Entstehung des Knies, sollte der Übergang zu
einer überwiegend extragalaktischen kosmischen Strahlung zuerst im
Energiespektrum der leichten Primärteilchen sichtbar werden, da zunächst diese
aus ihrer Heimatgalaxie entweichen. Die jetzt gelungene Identifizierung einer
knöchelartigen Struktur in der leichten Komponente schon bei relativ niedrigen
Energien spricht für Theorien, die einen frühen Beitrag der extragalaktischen
kosmischen Strahlung vorhersagen.
"Ob es sich bei den von KASCADE-Grande gemessenen hochenergetischen leichten
Primärteilchen tatsächlich um Atomkerne aus einer anderen Galaxie handelt, kann
aber erst durch die Hinzunahme zukünftiger Ergebnisse anderer Experimente, die
das Spektrum bei den höchsten Energien untersuchen, bestätigt werden", so Sven
Schoo, der als Diplomand am KIT federführend die Analyse durchgeführt hat. Dies
ist etwa mit dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien möglich, an dessen
Aufbau und wissenschaftlicher Auswertung das KIT ebenfalls beteiligt ist.
Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler kürzlich in der Fachzeitschrift
Physical Review D veröffentlicht.
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