Die Energieverteilung der Kosmischen Strahlung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie astronews.com
29. November 2011
Die kosmische Strahlung, die aus allen Richtungen auf die
Erde einströmt, ist keine Strahlung im eigentlichen Sinne, sondern besteht aus
Atomkernen, die durch ganz verschiedene kosmische Phänomene beschleunigt wurden.
Mit dem KASCADE-Grande-Messfeld in Karlsruhe haben Wissenschaftlern die
Energieverteilung dieser Partikel bestimmt. Manche kommen danach offenbar nicht
aus unserer Galaxie.
Kosmische Strahlung, massive Teilchen aus dem
Universum, lösen in der Erdatmosphäre Schauer von
Teilchen aus, die am Erdboden mit dem Experiment
KASCADE-Grande nachgewiesen werden.
Bild: Tim Otto Roth und KIT /
idw |
Schon seit Jahren beschäftigen sich Astroteilchenphysiker mit der Frage, wie
das sogenannte "Knie", ein Knick im Energiespektrum der kosmischen Strahlung, zustande
kommt. Für leichte Elemente wie Wasserstoff lieferte das Experiment KASCADE auf
dem Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie wichtige Hinweise. Mit der
Erweiterung zu KASCADE-Grande konnten die Wissenschaftler nun Teilchen
mit zehnmal höherer Energie und damit das komplette Knie vermessen: Das Knie
setzt sich aus mehreren Knicks zusammen, mit höherer Energie verschwinden immer
schwerere Elemente aus dem Spektrum der kosmischen Strahlung. Die Ergebnisse
wurden kürzlich in der Zeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
KASCADE-Grande ist ein Messfeld für kosmische Strahlung auf dem Gelände des
Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie. Auf einer Fläche von 700
mal 700 Quadratmetern stehen 37 Detektorstationen. Außerdem wurde das frühere
KASCADE-Experiment integriert. "KASCADE-Grande erweitert den Messbereich des
KASCADE-Experiments um einen Faktor Zehn", erläutert Dr. Andreas Haungs, der das
KASCADE-Grande Projekt im KIT leitet. "Wir können nun Teilchenschauer messen,
die von kosmischen Teilchen mit Energien bis 1018 Elektronenvolt erzeugt
wurden."
1018 Elektronenvolt: das liegt um einen Faktor Hundert über den Energien, die
die zurzeit größten Teilchenbeschleuniger auf der Erde erreichen. Die
Teilchenschauer entstehen dadurch, dass die primären Teilchen der kosmischen
Strahlung auf die Atome der Erdatmosphäre auftreffen und aufgrund ihrer hohen
Energie Sekundärteilchen erzeugen, die wiederum Teilchen erzeugen, die weitere
Teilchen erzeugen, usw. Diese Kaskade aus Teilchen trifft nach
einigen Millisekunden auf den Erdboden auf und kann dort gemessen werden.
"Die
Primärteilchen, massive Atomkerne, die sehr unterschiedliche Energien haben,
können aufgrund ihres geringen Flusses nicht direkt mit Ballon- oder
Satellitenexperimenten gemessen werden", erklärt Haungs. "Bei nur
einem Teilchen pro Quadratmeter und Tag sind wir auf Beobachtungen am Boden
angewiesen." Dabei können nicht nur die Energie und die Richtung des
Primärteilchens bestimmt werden, sondern auch seine Masse. Der Fluss der
kosmischen Strahlung, also der Primärteilchen, die wohl überall im Universum zu
finden sind, nimmt mit zunehmender Energie der Teilchen stark ab. Etwas oberhalb
einer Energie von 1015 Elektronenvolt ändert sich die "Steilheit" der
Energieabnahme: Dadurch entsteht ein Knick im Spektrum, das "Knie" der
kosmischen Strahlung.
Schon mit dem Experiment KASCADE wurde gezeigt, dass die
kosmische Strahlung im Energiebereich bis 1017 Elektronenvolt nicht aus
Photonen, sondern aus massiven Teilchen, Atomkernen, besteht. Die Teilchen
fallen aus allen Richtungen gleich häufig ein - die Strahlung ist isotrop.
Außerdem gab es Hinweise, dass der erste Bereich des "Knies" durch das Wegfallen
leichter Primärteilchen entsteht und sich mit der Masse der Primärteilchen zu
höheren Energien verschiebt.
Dies konnte nun durch die Erweiterung des
Energiebereichs mit KASCADE-Grande vermessen werden: Der Knick für Eisenkerne
liegt bei knapp 1017 Elektronenvolt. "Aus den Ergebnissen von KASCADE-Grande
können wir schließen, dass die primären Partikel der kosmischen Strahlung nur
bis zu Energien um 1017 Elektronenvolt in unserer Milchstraße erzeugt und
gespeichert werden können", fasst Haungs die Auswirkungen auf unser
astronomisches Weltbild zusammen. "Teilchen mit noch höherer Energie haben
demnach ihren Ursprung außerhalb der Milchstraße."
Diese noch energiereicheren
Teilchen der kosmischen Strahlung werden vom Pierre Auger Observatorium in
Argentinien vermessen, an dessen Aufbau und wissenschaftlicher Auswertung das
KIT ebenfalls beteiligt ist. Das KASCADE-Grande Projekt wird durch eine
internationale Kollaboration mit Wissenschaftlern des KIT, sowie der
Universitäten Michoacana (Mexiko), Turin (Italien), Lodz (Polen), Bukarest
(Rumänien), Siegen und Wuppertal (Deutschland), Sao Paulo (Brasilien) und
Nijmegen (Niederlande) betrieben. Nach fünf Jahren Messzeit seit der Erweiterung
von KASCADE, sowie weiteren drei Jahren Betrieb als Testeinrichtung für neuartige
Detektoren wird KASCADE-Grande Ende dieses Jahres endgültig
abgeschaltet.
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