Einsamer Planet ohne Sonne?
von Stefan Deiters astronews.com
14. November 2012
Astronomen haben bei Beobachtungen mit dem
Canada-France-Hawaii-Telescope und dem Very Large
Telescope vermutlich einen Planeten ohne
zugehörigen Zentralstern entdeckt. Das lichtschwache Objekt ist lediglich 100
Lichtjahre von uns entfernt und gehört offenbar zu einem Strom aus jungen
Sternen, dem AB-Doradus-Bewegungshaufen.
So stellt sich ein Künstler den einsamen
Planeten im nahen Infrarot vor. Im sichtbaren
Bereich des Lichts würde CFBDSIR2149 nur schwach
rötlich leuchten. Bild:
ESO / L. Calçada / P. Delorme / Nick Risinger (skysurvey.org)
/ R. Saito / VVV Consortium
CFBDSIR2149
(blauer Punkt in der Bildmitte) in einer
Infrarot-Aufnahme des New Technology Telescope der
ESO in La Silla. Bild:
ESO / P. Delorme [Großansicht] |
In den vergangenen Jahren wurden schon mehrfach Planeten entdeckt, die
offenbar ohne zugehörige Sonne durchs All vagabundieren. Manche Astronomen vermuten
sogar, dass es eine große Menge von diesen Objekten gibt, deren Masse der eines
Planeten entspricht, die aber - anders als ein Planet - nicht um einen Stern
kreisen (astronews.com berichtete).
Bislang war es auch nicht möglich, mehr über diese einsamen Welten zu
erfahren und beispielsweise ihr Alter zu bestimmen. Dadurch konnte man auch nicht
sicher unterscheiden, ob man es wirklich mit einem Planeten zu tun hatte oder
nicht doch mit einem Braunen Zwerg, also einem Stern, der nicht über ausreichend
Masse verfügt, um die nuklearen Fusionsprozesse in seinem Inneren dauerhaft zu
zünden.
Eine heute vorgestellte Entdeckung könnte nun ein wenig Licht auf diese
rätselhaften Planeten ohne Sonnen werfen. Bei Beobachtungen mit dem
Canada-France-Hawaii-Telescope spürten Astronomen ein Objekt auf, das offenbar
zu einem nahegelegenen Strom aus jungen Sternen, dem AB-Doradus-Bewegungshaufen,
gehört. Mithilfe des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO
konnte dieses, CFBDSIR2149 genannte Objekte dann genauer untersucht werden.
Der AB-Doradus-Bewegungshaufen ist die der Sonne am nächsten gelegene
Ansammlung von Sternen dieser Art. Man nimmt an, dass die Mitglieder dieser
Sternengruppe alle zur selben Zeit geboren wurden. Wenn CFBDSIR2149 tatsächlich
zu diesem Bewegungshaufen gehört, müsste es sich auch um ein junges Objekt
handeln. Der einsame Planet hätte dann ein Alter von 50 bis 120 Millionen Jahren
und eine Masse, die der vier- bis siebenfachen Masse des Jupiter entspricht.
Seine Effektivtemperatur würde etwa 430 Grad Celsius betragen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass CFBDSIR2149 Teil des Bewegungshaufens ist, geben
die Astronomen nach einer statistischen Analyse der Eigenbewegung des Objekts
mit 87 Prozent an. Mit sogar über 95 Prozent Wahrscheinlichkeit handelt es sich
bei CFBDSIR2149 tatsächlich um ein Objekt mit nur planetarer Masse. Die Chance,
dass man es hier also wirklich mit einem Planeten ohne Sonne zu tun hat und nicht
mit einem sehr kleinen Braunen Zwerg, ist also recht groß.
Dieser relativ nahegelegene Planet bietet den Astronomen
faszinierende Möglichkeiten für Untersuchungen: "Die Beobachtung eines Planeten, der um eine Sonne
kreist, ist vergleichbar mit der Untersuchung eines Glühwürmchens, das in einem
Abstand von nur einem
Zentimeter von einem entfernten und sehr hellen Autoscheinwerfer sitzt",
vergleicht Philippe Delorme vom Institut de planétologie et d’astrophysique de
Grenoble des CNRS und der Université Joseph Fourier. "Dieser nahegelegene Planet
ohne Sonne bietet nun die Chance, das Glühwürmchen detailliert und ohne Störung
durch das helle Licht eines Autos zu untersuchen." Delorme ist auch Erstautor
eines Fachartikels über den Fund, der heute in der Zeitschrift Astronomy &
Astrophysics erscheint.
Objekte wie CFBDSIR2149 sind entweder wie ganz normale Planeten entstanden
und dann irgendwann aus ihrem Sonnensystem herausgeschleudert worden oder sie
wurden bereits "einsam" geboren, ganz ähnlich wie Braune Zwerge oder die
masseärmsten Sterne. CFBDSIR2149 wäre damit also tatsächlich entweder ein heimatlos
gewordener Planet oder aber eines der kleinsten möglichen Ergebnisse eines Entstehungsprozesses, durch den sich die massereichsten Sterne, normale Sonnen
oder auch Braune Zwerge bilden.
"Diese Objekte sind wichtig, da sie uns entweder mehr darüber verraten
können, wie Planeten aus ihrem Planetensystem hinausgekickt werden oder aber
darüber, wie sich durch Sternentstehungsprozesse so massearme Objekte bilden
können", erläutert Delorme. "Sollte dieses kleine Objekt tatsächlich ein Planet sein, der aus
seinem Entstehungssystem geschleudert wurde, hat man natürlich sofort das Bild von
vielen solcher verwaisten Welten vor Augen, die durch die Leere des
Alls treiben."
Sollte CFBDSIR2149 nicht Teil des AB-Doradus-Bewegungshaufens sein, ist eine
genauere Festlegung der Eigenschaften schwieriger. Bei dem Objekt könnte es sich
dann auch um einen massearmen Braunen Zwerg handeln. "Weitere Untersuchungen
sollten bestätigen, dass es sich bei CFBDSIR2149 um einen ungebunden treibenden
Planeten handelt", hofft Delorme.
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