Unzählige Planeten ohne Sonne?
von Stefan Deiters astronews.com
19. Mai 2011
Planeten, die sich frei in der Galaxie bewegen und nicht um
einen Stern kreisen, könnten häufiger sein als Sterne selbst. Zu diesem Schluss
kommt nun ein internationales Astronomenteam nach Auswertung einer in den Jahren
2006 und 2007 durchgeführten Himmelsdurchmusterung. Die Planeten wurden nach
Ansicht der Forscher aus ihrem Planetensystem geschleudert.
So stellt sich ein Künstler einen der jetzt
entdeckten Planeten vor.
Bild: NASA/JPL-Caltech |
Die heute in der Wissenschaftszeitschrift Nature
veröffentlichte Studie basiert auf den Beobachtungen eines Astronomenteams aus
den Jahren 2006 und 2007. Die Forscher hatten bei der Kartierung einer
Himmelsregion in Richtung des Zentrums der Milchstraße Hinweise auf zehn etwa
jupitergroße Planeten gefunden, die keinem Stern zuzuordnen sind. Sie befinden
sich zwischen 10.000 und 20.000 Lichtjahren von der Erde entfernt.
Nach Ansicht des von Takahiro Sumi von der Universität im japanischen Osaka
geleiteten Teams könnte es noch deutlich mehr dieser "freifliegenden" Planeten
geben: Die Forscher schätzen sogar, dass ihre Zahl doppelt so groß ist, wie die
Anzahl der Sterne in der Milchstraße. Es sollte zudem mindestens genauso viele
von ihnen geben, wie an Sterne gebundene Planeten. Damit beliefe sich die
Gesamtzahl dieser "freifliegenden Planeten" auf einige Hundert Milliarden.
"Unsere Untersuchung ist so etwas wie ein Bevölkerungszensus", vergleicht
Teammitglied David Bennett von der amerikanischen University of Notre Dame.
"Wir beobachten dabei einen Teil der Galaxie und schätzen auf Grundlage dieser
Daten die Gesamtzahl in der Galaxie ab." Die Astronomen konnten mit ihrer
Methode allerdings nur Planeten aufspüren, die mindestens die Größe von
Jupiter oder Saturn haben. Es sollte aber auch zahlreiche masseärmere Planeten
dieser Art geben, da diese noch deutlich leichter aus einem entstehenden
Planetensystem hinausgeschleudert werden dürften.
Über freifliegende Planeten wird schon seit einigen Jahren diskutiert. Man
hatte nämlich bereits früher in jungen Sternhaufen planetenähnliche Objekte
entdeckt, die offenbar an keinen Stern gebunden waren (astronews.com
berichtete). Allerdings vermuteten die Astronomen damals, dass es sich eher um
sternenähnliche Objekte geringer Masse handelt, also um sogenannte Braune
Zwerge. Sie entstehen wie normale Sterne, haben aber keine ausreichende Masse,
um dauerhaft nukleare Fusionsprozesse in ihrem Inneren zu ermöglichen. Die Grenze
zwischen den
kleinsten Braunen Zwerge und den größten Gasplaneten scheint fließend zu sein.
Wissenschaftler haben jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass es in
der turbulenten Frühphase eines Planetensystems des öfteren passieren sollte,
dass Planeten aus dem System geschleudert werden und anschließend ohne Sonne um
das Zentrum der Milchstraße kreisen. Die jetzt präsentierte Entdeckung von zehn
Planeten ohne Sonne scheint diese Theorie zu bestätigen. "Wenn die
freifliegenden Planeten wie Sterne entstanden wären, hätten wir in unserer
Durchmusterung nur zwei und nicht zehn Planeten sehen dürfen", so Bennett.
"Unser Ergebnis spricht also dafür, dass Planetensysteme sehr häufig instabil
sind und Planeten aus ihrem Geburtsort gekickt werden."
Die Astronomen können allerdings nicht ausschließen, dass einige der
entdeckten Planeten doch in einem sehr weiten Orbit einen Stern umkreisen.
Jupiterähnliche Planeten auf extrem weiten Bahnen um eine Sonne sollten
allerdings, darauf deuten zumindest andere Untersuchungen hin, relativ selten
sein.
Das Team nutzte für ihre Studie das 1,8-Meter-Teleskop des Mount John
University Observatory in Neuseeland. Hier beobachteten sie die Sterne in
Richtung des Zentrums unserer Milchstraße und hielten dabei nach dem sogenannten
Mikrolinseneffekt Ausschau, zu dem es kommt, wenn ein Objekt wie ein Stern oder
ein Planet genau durch die Sichtlinie von uns zu einem noch entfernteren Stern
wandert. Das Objekt krümmt durch seine Masse das Licht des entfernteren Objektes
ein wenig und dieses wird dadurch heller. Bei massereicheren Objekten, die das
Licht stärker ablenken, kann sich dieses Hellerwerden über mehrere Wochen
erstrecken. Masseärmere Objekte wie Planeten sorgen hingegen nur für ein Aufleuchten von
wenigen Tagen.
Mehrere Mikrolinsen-Ereignisse, die das Team von Neuseeland aus beobachten
konnte, wurden auch von einer Gruppe beobachtet, die im Rahmen des Optical
Gravitational Lensing Experiment (OGLE) nach Mikrolinsen-Ereignissen
Ausschau hält. Dadurch konnte die Analyse von Sumi und seinem Team unabhängig
bestätigt werden.
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