Gespanntes Warten auf Beginn der Mission
Redaktion
/ Pressemitteilungen der Universität Kiel und des MPS astronews.com
7. August 2012
Die geglückte Landung des Marsrovers Curiosity
feierte man gestern nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, wo
zahlreiche Wissenschaftler an verschiedenen Experimenten an Bord des Rovers
beteiligt sind. Sie können es nun kaum erwarten, mit der Erforschung des
Gale-Kraters zu beginnen, werden sich aber noch ein wenig gedulden müssen.
Die erste
Farbaufnahme von Curiosity. Im Hintergrund ist
der nördliche Rand des Gale-Kraters zu sehen. Das
Bild entstand mit dem Mars Hand Lens Imager
(MAHLI), der am Roboterarm des Rovers angebracht
ist. Der Staubschutz der Kamera wurde noch nicht
entfernt, weshalb das Bild verschwommen wirkt.
Foto: NASA / JPL-Caltech / Malin Space
Science Systems [Großansicht] |
Mit der gestrigen Landung des Marsrovers Curiosity im
Gale-Krater des Mars beginnt eine neue Ära der Marsforschung. Mit einem Gewicht
von 900 Kilogramm und zehn wissenschaftlichen Instrumenten an Bord ist
Curiosity nicht nur das größte, sondern auch das leistungsfähigste
wissenschaftliche Labor, das jemals unseren Nachbarplaneten erforscht hat. Zu
den Wissenschaftlern, die an der Mission Mars Science Laboratory der
amerikanischen Weltraumagentur NASA teilnehmen, zählen auch Forscher aus
Deutschland, etwa vom Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) im
niedersächsischen Katlenburg-Lindau oder von der Universität Kiel. Die
MPS-Wissenschaftler wollen dem roten Planeten in zweifacher Hinsicht auf den
Grund gehen: Neben der Suche nach organischen Verbindungen im Marsboden,
interessieren sie sich vor allem für Zusammensetzung und Beschaffenheit des
Gesteins. Die Kieler Forscher interessieren sich für die Strahlenbelastung auf
der Marsoberfläche.
Der Mars ist der meistbesuchte Planet in unserem Sonnensystem: Seit den
Landepionieren Viking 1 und 2, die 1975 im roten Marssand
aufsetzten, haben vier weitere Raumsonden Daten von der Oberfläche des Planeten
zur Erde gefunkt. Derzeit befinden sich drei funktionsfähige Satelliten in der
Mars-Umlaufbahn. Dennoch birgt unser Nachbarplanet noch immer zahlreiche Rätsel:
Enthält der Marsboden kohlenstoffhaltige organische Substanzen, die gemeinhin
als Grundbausteine des Lebens gelten? Gibt es gar Hinweise auf bakterielle
Aktivitäten? Welche Prozesse haben das heutige Gesicht des Mars geformt? Und
welche Rolle spielte dabei das Wasser, das einst in gewaltigen Flussbetten über
den Planeten floss und stellenweise noch heute als Eis im Boden schlummert?
"Der Gale-Krater ist ein perfekter Ausgangspunkt, um diesen Fragen
nachzugehen", urteilt Dr. Walter Goetz vom MPS, der als Mitglied des
Wissenschaftsteams an der Mission teilnimmt. Der Krater mit einem Durchmesser
von 154 Kilometern, der auf der südlichen Halbkugel ganz in der Nähe des
Äquators liegt, entstand vor mehr als 3 Milliarden Jahren bei einem
Meteoriteneinschlag. Vor allem die Schichtstruktur des hohen Berges in der
Kratermitte erlaubt Einblicke in vergangene Epochen der Marsevolution. Aufnahmen
aus dem Orbit zeigen zudem Anzeichen für Erosion im unteren Teil des Berges.
"Form und Mineralogie des Berges (soweit von Orbit-Daten bekannt) legen nahe,
dass flüssiges Wasser die Strukturen, die wir heute sehen, mitgeprägt hat", so
Goetz. Goetz wird in erster Linie Messdaten der Kamera Mars Hand Lens Imager
(MAHLI) nutzen. Das Instrument, das eine Auflösung von 20-30 Mikometern pro
Pixel bietet, ermöglicht es dem Geologen, einzelne Sandkörner des Marsbodens
unter die Lupe zu nehmen. Mit MAHLI wurde auch schon das erste Farbbild von der
Landestelle gemacht, das den Kraterrand des Gale-Kraters im Hintergrund zeigt.
"Größe, Form, Farbe und mineralogischer Zusammensetzung der Partikel lassen
Rückschlüsse zu, wie sich das Terrain in den vergangenen Milliarden Jahren
entwickelt hat - etwa ob die Teilchen an Ort und Stelle gebildet wurden oder ob
Wind sie in den Gale-Krater transportierte", erklärt der Wissenschaftler, der
die Mission in den nächsten drei Monaten am Jet Propulsion Laboratory
(JPL) in Pasadena (Kalifornien), dem Sitz des Kontrollzentrums der Mission,
begleiten wird.
Ergänzend setzt der MPS-Wissenschaftler auf Messdaten des Spektrometers
Chemistry and Mineralogy (CheMin), das die Bodenproben mit Hilfe von
Röntgenstrahlung untersucht. "Das Wissenschaftsteam in Pasadena wird die Daten
aller Instrumente täglich sichten, um dann die Route des Rovers für den nächsten
Tag zu bestimmen", beschreibt Goetz die Aufgaben des Teams während der Mission.
Vom MPS aus unterstützt zudem Dr. Fred Goesmann die Mission. Der Physiker ist
als Wissenschaftler am Instrument Sample Analysis at Mars (SAM)
beteiligt. "SAM ist kein einzelnes Instrument, sondern vielmehr ein komplexes,
automatisiertes Labor", beschreibt der Forscher. Eine ausgeklügelte Abfolge von
Sieben, Öfen, Spektrometern und weiteren Messgeräten erlaubt es, Gas- und
Bodenproben umfassend zu analysieren. Hauptaufgabe des 38 Kilogramm schweren
Komplexes ist es dabei, nach organischen Verbindungen zu suchen. "Sollte es
einst Leben auf dem Mars gegeben haben, müsste es Spuren dieser Art hinterlassen
haben", erklärt Goesmann.
Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung war seit 1996 an fünf
Marsmissionen der amerikanischen und europäischen Weltraumbehörden beteiligt.
Vor vier Jahren etwa spielte das Institut eine maßgebliche Rolle bei der
Landemission Phoenix der NASA. Die Kamera an Bord, der erstmals
Aufnahmen gefrorenen Wasers im Marsboden gelangen, hatten Wissenschaftler und
Ingenieure des MPS entwickelt und gebaut. Für die geplante Mission ExoMars
der ESA entwickeln Wissenschaftler des MPS derzeit ein Instrument, dass
organische Moleküle auf der Marsoberfläche untersuchen soll.
Auch an der Universität Kiel verfolgte man gestern Morgen gebannt die
Übertragung aus dem Kontrollzentrum in Amerika. "Wir sind begeistert, dass diese
hoch komplizierte Landung erfolgreich war", freute sich Professor Robert Wimmer-Schweingruber
vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), dessen Arbeitsgruppe den
Sensorkopf für das Strahlenmessgerät an Bord des Marsrovers entwickelt hat. Fast
500 Gäste waren der Einladung der beteiligten Physikerinnen und Physiker zu der
frühmorgendlichen Landeveranstaltung "Wake up on Mars" gefolgt und hatten das
Ereignis live verfolgt.
"Jetzt geht es für uns erst richtig los", blickt Wimmer-Schweingruber voraus.
Nach der erfolgreichen Landung erhalten die Kieler Forscherinnen und Forscher
nun endlich Strahlenmessdaten von der Marsoberfläche. Damit wollen sie
herausfinden, welcher Strahlenbelastung Astronauten auf dem Mars ausgesetzt
wären. Dieses Wissen ist für eine zukünftige, bemannte Mars-Mission wichtig. Die
Sensoreinheit des Instruments Radiation Assessment Detector (RAD) wurde
gemeinsam vom Institut für Angewandte und Experimentelle Physik der CAU in Kiel
und dem Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR in Köln entwickelt und
durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert.
Bis die eigentliche Mission von Curioisty beginnen kann, werden
allerdings noch einige Wochen vergehen: Im Gale-Krater des Mars werden die
einzelnen Komponenten des Rovers in den kommenden Tagen nach und nach aktiviert.
Priorität hat dabei zuerst das Ausrichten der Antenne, um zur Kommunikation mit
der Erde nicht mehr auf Überflüge anderer Marssonden angewiesen zu sein. Morgen
soll dann der Mast mit dem Hauptkamerasystem ausgefahren werden, so dass
eventuell bereits Ende der Woche erste hochaufgelöste Farbbilder der Landestelle
vorliegen. Über den Fortgang der Inbetriebnahme berichten wir täglich aktuell in
unserem
Missionslog.
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