Wachstum Schwarzer Löcher weiter rätselhaft
von Stefan Deiters astronews.com
19. Juni 2012
Was bestimmt das Wachstum von supermassereichen Schwarzen
Löchern in den Zentren von Galaxien? Bislang hatten Astronomen angenommen, dass
die Masse der Ansammlung von Sternen im Zentrum dabei eine wichtige Rolle
spielt. Neue Beobachtungen mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra
scheinen dem aber nun zu widersprechen. Ist stattdessen der Halo aus
Dunkelmaterie entscheidend?

Eine kombinierte Infrarot- und
Röntgenaufnahme von NGC 4342 (oben) und NGC 4291.
Bild: NASA / CXC / SAO / A. Bogdan et al.
(Röntgen), 2MASS / UMass / IPAC-Caltech/NASA/NSF
(Infrarot)
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Im Zentrum fast jeder Galaxie haben Astronomen inzwischen ein
supermassereiches Schwarzes Loch nachweisen können. Diese Schwerkraftfallen
haben in der Regel eine Masse, die die unserer Sonne um das Millionenfache
übertrifft und machen damit trotzdem nur einen winzigen Bruchteil der
Gesamtmasse einer Galaxie aus. Seit einiger Zeit vermuten Astronomen, dass es
einen Zusammenhang zwischen der Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum und der der
zentralen Ansammlung von Sternen einer Galaxie, dem sogenannten Bulge,
gibt. Das Schwarze Loch und der Bulge, so die Vermutung, wachsen im
Gleichschritt - je massereicher der Bulge, desto massereicher das
Schwarze Loch.
Normalerweise haben die Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien etwa 0,2
Prozent der Bulge-Masse. Jetzt haben Astronomen aber mit Hilfe des
NASA-Röntgenteleskops Chandra mit NGC 4342 und NGC 4291 zwei Galaxien
untersucht, deren Schwarze Löcher deutlich massereicher sind, als sie nach
dieser Theorie eigentlich sein sollten. In einem Fall ist das Schwarze Loch
zehnmal massereicher, im anderen Fall sogar 35-mal. Die Chandra-Beobachtungen
ergaben zudem, dass der Halo aus Dunkler Materie, in die die Galaxien
eingebettet sind, auch massereicher ist als eigentlich üblich.
Die Beobachtungen würden damit nahelegen, dass das Wachstum und die
Entwicklung der Schwarzen Löcher nicht mit dem galaktischen Bulge
zusammenhängt, sondern vielmehr mit der sie umgebenden Dunkelmaterie. So gesehen
wären weder die Schwarzen Löcher, noch der Halo zu massereich, sondern die
Gesamtmasse der Galaxien zu gering.
Astronomen haben zahlreiche Hinweise dafür, dass Galaxien nicht nur aus
sichtbarer Materie bestehen, sondern in einen Halo aus Dunkler Materie
eingebettet sind. Nur so lassen sich beispielsweise zahlreiche Beobachtungen,
wie etwa die Bewegung der Sterne in den Galaxien, erklären. "Die Beobachtungen
liefern weitere Hinweise auf eine Verbindung zwischen den beiden mysteriösesten
und dunkelsten Phänomenen in der Astrophysik - Schwarze Löcher und Dunkle
Materie - in diesen Galaxien", so Akos Bogdan vom Harvard-Smithsonian Center
for Astrophysics (CfA), der die Untersuchung leitete.
NGC 4342 und NGC 4291 sind uns mit einer Entfernung von 75 und 85 Millionen
Lichtjahren relativ nah. Schon vor den Chandra-Beobachtungen wusste
man, dass beide Systeme über zentrale Schwarze Löcher verfügen, die eine
vergleichsweise hohe Masse haben. Dies könnte sich allerdings auch durch eine
dichte Begegnung der Galaxien mit einer anderen Galaxie erklären lassen, durch
die in der Vergangenheit die äußeren Bereiche der Galaxien einfach weggerissen
wurden. Astronomen nennen dieses Phänomen "Tidal Stripping".
Mit Chandra untersuchten die Astronomen nun das heißen Gas rund um
die beiden Galaxien, das im Röntgenbereich leuchtet. Es liefert Hinweise auf den
Halo aus Dunkler Materie um die beiden Systeme. Das Gas ist aber offenbar weit
rund um die Galaxien verteilt, was zum einen auf einen ungewöhnlich massereichen
Halo aus Dunkler Materie hindeutet und zudem Tidal Stripping sehr
unwahrscheinlich erscheinen lässt.
"Dies ist der beste Beweis dafür, den wir im näheren Universum haben, dass
Schwarze Löcher schneller wachsen als ihre Wirtsgalaxie", so CfA-Kollege Bill
Forman. "Die Galaxien wurden also nicht durch dichte Begegnungen beeinträchtigt,
sondern waren in ihrer Entwicklung irgendwie gehemmt."
Doch wie kann ein Schwarzes Loch schneller wachsen als die es umgebende
Galaxie? Die Astronomen vermuten, dass sich das Schwarze Loch in der
Anfangsphase zunächst von einer großen Ansammlung von Gas im Zentrum der Galaxie
"ernährt" hat. Je größer es dadurch wurde, desto größer war auch die Menge an
Material, die es verschlungen hat. Bei diesem Akkretionsprozess entstand aber
auch Energie, die, ab einer kritischen Masse des Schwarzen Lochs, dafür sorgte,
dass das Gas der Galaxie nicht mehr ausreichend abkühlen konnte und die
Entstehung von Sternen damit behindert wurde.
"Es ist möglich, dass das supermassereiche Schwarze Loch bereits ein
beachtliche Größe erreicht hatte, bevor es überhaupt viele Sterne in der Galaxie
gab", so Bogdan. "Das ist eine deutliche Abkehr von unserem bisherigen Bild vom
gemeinsamen Wachstum von Galaxien und ihrer Schwarzen Löcher." Die Astronomen
haben ihre Ergebnisse in der vergangenen Woche auf einer Konferenz in Anchorage
in Alaska vorgestellt. Sie werden auch in einem Fachartikel beschrieben, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.
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