Schlanke Galaxien
mit fetten Schwarzen Löchern
von Stefan Deiters astronews.com
17. Januar 2008
Im Zentrum von fast jeder Galaxie vermuten Astronomen
supermassereiche Schwarze Löcher. Die einzige Ausnahme waren bislang ganz
bestimmte, sehr schlanke Spiralgalaxien. Doch auch in diesen, so ergaben jetzt
Beobachtungen mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer, scheint es
diese gewaltigen Schwerkraftfallen zu geben. Müssen die Wissenschaftler nun ihre
Theorien anpassen?
Auch schlanke Spiralgalaxien ohne Bulge
(Vordergrund) können genau wie Spiralgalaxie mit
Bulge (oben links) supermassereiche Schwarze
Löcher im Zentrum beherbergen.
Bild: NASA / JPL-Caltech
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Galaxien gibt es in ganz unterschiedlichen Formen und Größen.
Unsere Milchstraße etwa ist eine Spiralgalaxie, bei der sich die Sterne in
relativ dünnen Spiralarmen um eine zentrale, grob kugelförmige Ansammlung von
Sternen, den sogenannten Bulge, gruppieren. Elliptischen Galaxien
fehlen die filigranen Spiralarme. Sie sind praktisch ein einziger riesiger
Bulge.
Es gibt aber auch Spiralgalaxien, die im Zentrum keinerlei Bulge
haben und genau diese, so dachten Astronomen bisher, sind auch die einzigen
Galaxien, die über kein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum verfügen.
Alle anderen Spiralgalaxien und elliptischen Galaxien, auch unsere Milchstraße,
haben im Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch. Die Astronomen waren
sogar davon ausgegangen, dass ein Bulge Grundvoraussetzung dafür ist,
dass Schwarze Löcher überhaupt wachsen können.
Genau diese Ansicht könnten nun neue Beobachtungen des
Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer infrage stellen: Astronomen haben
mit Spitzer insgesamt 32 Spiralgalaxien ohne Bulge anvisiert und in
sieben von ihnen gewaltige Schwarze Löcher entdeckt. Damit spielt offenbar der
Bulge nicht die entscheidende Rolle bei der Entstehung von Schwarzen
Löchern, die ihm bisher zugedacht wurde.
"Diese Resultate stehen im Widerspruch zu unserer bisherigen Überzeugung",
erläutert Shobita Satyapal von der George Manson University. "Die
Tatsache, dass wir Galaxien ohne Bulge aber mit supermassereichen
Schwarzen Löchern gefunden haben, bedeutet, dass der Bulge nicht
entscheidend sein kann. Vielleicht ist die Dunkle Materie, die sich im Halo um
die Galaxien befindet für die frühe Entwicklung von supermassereichen Schwarzen
Löchern viel wichtiger."
Lange Zeit schien der Zusammenhang zwischen supermassereichen Schwarzen
Löchern und dem Vorhandensein eines Bulges durch Beobachtungen gut
bestätigt zu werden: So konnten die Astronomen nachweisen, dass die Masse der
Schwerkraftfallen im Zentrum von Galaxien fast immer 0,2 Prozent der Masse ihres
Bulges entsprach. Je massereicher also der Bulge, desto
massereicher das Schwarze Loch. "Wissenschaftler nahmen daher an, dass es eine
Verbindung zwischen dem Bulge einer Galaxie und dem zentralen Schwarze
Loch gab", erläutert Satyapal.
Schon vor rund vier Jahren gab es erste Zweifel an dieser These: Damals wurde
ein relativ "kleines" supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie
ohne Bulge entdeckt. Im vergangenen Jahr dann spürten Satyapal und ihre
Kollegen ein weiteres zentrales Schwarzes Loch in einer Bulge-losen
Galaxie auf. In ihrer neuesten Arbeit, die im April in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal erscheinen wird, berichteten die Astronomen nun
von der Entdeckung sechs weiterer "schlanker" Galaxien mit gewaltigen
supermassereichen Schwarzen Löchern.
Die Schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien ohne Bulge waren
bislang nicht entdeckt worden, weil Galaxien ohne Bulge in der Regel
sehr viel Staub enthalten, der die verräterische Strahlung aus dem Zentrum der
Galaxie verschluckt. Das Infrarotteleskop Spitzer kann aber durch
diesen Staub hindurchsehen und so die typischen Fingerabdrücke eines zentralen
Schwarzen Lochs aufspüren.
"Ein Schwarzes Loch, das gerade Material verschlingt, sendet dabei eine Menge
hochenergetischer Strahlung aus, die das Gas im Zentrum der Galaxie ionisiert",
erklärt Satyapal. "In diesem Fall konnten wir mit Spitzer
hochionisiertes Neon nachweisen. Nur aktive Schwarze Löcher können die Energie
erzeugen, die nötig ist, um Neon so zu ionisieren." Wie massereich genau die neu
entdeckten Schwarzen Löcher sind, wissen die Astronomen allerdings nicht.
Statt auf den Bulge tippen Satyapal und ihre Kollegen nun auf die
Dunkle Materie im Halo einer Galaxie als entscheidenden Faktor für die
Entstehung von Schwarzen Löchern. Dunkle Materie macht bis zu 90 Prozent der
Masse einer Galaxie aus. "Vielleicht ist der Bulge nur so eine Art
Proxy für die Dunkelmaterie-Masse", so Satyapal. "Aber der wirklich wichtige
Faktor ist eben die Dunkle Materie."
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