Kleine Galaxie, gewaltiges Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
14. Januar 2011
Astronomen haben in einer nahen Zwerggalaxie ein
supermassereiches Schwarzes Loch aufgespürt, wie es sich sonst meist nur in
wesentlich größeren Systemen findet. Die überraschende Entdeckung könnte den
Wissenschaftlern einiges darüber verraten, wie Schwarze Löcher und Galaxien in
der frühen Geschichte des Universums gewachsen sind.
Dieses Bild von Henize 2-10 basiert auf
Beobachtungen von Hubble, Chandra und dem Very
Large Array (VLA). Die Röntgendaten von Chandra
erscheinen violett, die Radiodaten des VLA gelb
und die Hubble-Daten rot, grün und blau. Im
Zentrum der Galaxie ist ein sehr heller Bereich
zu erkennen, bei dem es sich um die Strahlung aus
der direkten Umgebung eines supermassereichen
Schwarzen Lochs handeln dürfte.
Bild: NASA / CXC / University of Virginia
/ A.Reines et al. (Röntgen), NRAO / AUI / NSF
(Radio), NASA / STScI (optisch) [Großansicht]
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Die Galaxie, in der Astronomen jetzt ein supermassereiches
Schwarzes Loch mit der rund einemillionenfachen Masse unserer Sonne entdeckt
haben, liegt etwa 30 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und wird schon
seit vielen Jahren untersucht - unter anderem auch deshalb, weil in dem
System mit Namen Henize 2-10 gerade mit einer hohen Rate neue Sterne entstehen.
Die Zwerggalaxie hat nur eine Ausdehnung von rund 3.000 Lichtjahren. Sie ist
damit deutlich kleiner als unsere etwa 100.000 Lichtjahre durchmessende
Milchstraße. Die Galaxie könnte den Galaxien ähneln, die sich als erstes im
Universum gebildet haben.
"Diese Galaxie verrät uns einiges über die frühe Phase der
Galaxienentwicklung im Universum, die man bislang noch nicht beobachtet hat",
erklärt Amy Reines, eine Doktorandin der University of Virginia. Die
Entdeckung eines so massereichen Schwarzen Lochs in einer so kleinen Galaxie
deutet nach Ansicht der Astronomen darauf hin, dass die supermassereichen
Schwarzen Löcher vor den Galaxien entstanden sein müssen.
Supermassereiche Schwarze Löcher finden sich in den Zentren von nahezu allen
"normalen" Galaxien. In unserem lokalen Universum konnte man zudem feststellen,
dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Masse der zentralen
Materieansammlung einer Galaxien, dem sogenannten Bulge, und der Masse des
supermassereichen Schwarzes Lochs im Zentrum gibt. Daraus folgerten die
Forscher, dass sich das Wachstum der Bulges und der Schwarzen Löcher irgendwie
gegenseitig beeinflussen muss.
Vor zwei Jahren konnten Astronomen dann zeigen, dass massereiche Schwarze
Löcher in den Zentren von Galaxien im frühen Universum deutlich massereicher
waren, als sie nach der in unserer Umgebung entdeckten Gesetzmäßigkeit sein
sollten. Dies deutete nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass die Schwarzen
Löcher vor den Galaxien entstanden sind, in deren Zentrum sie sich
befinden.
"Jetzt haben wir eine Zwerggalaxie entdeckt, die gar keinen Bulge, aber ein
supermassereiches Schwarzes Loch hat", erklärt Reines die Bedeutung des Fundes.
"Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Vermutung, nach der sich
Schwarze Löcher vor dem Bulge einer Galaxie gebildet haben, richtig ist."
Reines und ihre Kollegen hatten Henize 2-10 mit dem Weltraumteleskop
Hubble und dem Very Large Array-Radioteleskop beobachtet und waren
dabei auf eine im Radiobereich sehr helle Region in der Nähe des Zentrums von
Henize 2-10 gestoßen, die die Astronomen an die Radioemissionen von extrem
schnellen Jets erinnerten, die aus der Nähe von supermassereichen Schwarzen
Löchern ins All ausgestoßen werden. Sie untersuchten die Region anschließend mit
dem Röntgenteleskop Chandra und fanden an derselben Stelle auch eine starke
Röntgenabstrahlung. Beides zusammen ist ein deutlicher Hinweis auf einen aktiven
Galaxienkern, in dem sich ein supermassereiches Schwarzes Loch verbirgt.
"Man kennt nicht viele Zwerggalaxien, die supermassereiche Schwarze Löcher
besitzen", so Gregory Sivakoff von der University of Virginia und dem
National
Radio Astronomy Observatory (NRAO). Galaxien, in denen Schwarze Löcher von
vergleichbarer Größe wie in Henize 2-10 gefunden wurden, hatten eine deutlich
regelmäßigere Form. Henize 2-10 hingegen hat nicht nur eine irreguläre Form und
eine sehr geringe Größe, in der Galaxie entstehen darüber hinaus auch noch mit
hoher Rate neue Sterne und dies in zahlreichen sehr dichten "Supersternhaufen".
"Diese Galaxie ähnelt damit vermutlich denen im sehr jungen Universum, als
sich die Galaxien gerade anfingen zu bilden und noch sehr häufig kollidierten", meint
Kelsey Johnson, auch von der University of Virginia und dem NRAO. "Alle ihre
Eigenschaften und auch die des supermassereichen Schwarzen Lochs liefern uns
wichtige Hinweise darauf, wie die Schwarzen Löcher und Galaxien in der damaligen
Zeit entstanden sind."
Die Astronomen berichteten über ihre Beobachtungen in dieser Woche auf einer Tagung der
American Astronomical Society in Seattle und zudem in einem Fachartikel,
der online in Nature erschienen ist.
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