Schwarze Löcher drosseln Sternentstehung
von Stefan Deiters astronews.com
15. Mai 2012
In Galaxien, deren supermassereiches Schwarzes Loch
besonders aktiv ist, entstehen weniger Sterne als in Systemen mit einem nicht so
aktiven Schwarzen Loch. Dies ergaben jetzt Beobachtungen mit dem europäischen
Infrarot-Weltraumteleskop Herschel. Für die Astronomen ist der Fund ein Hinweis
darauf, wie Schwarze Löcher die Entwicklung ihrer Galaxien beeinflussen können.
Eine aktive
Galaxie mit einem hellen Zentrum und einem
gewaltigen Jet, was auf ein besonders aktives
Schwarzes Loch hindeutet.
Bild: NASA/JPL-Caltech
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"Uns interessiert, welchen Zusammenhang es zwischen Sternentstehung und der
Aktivität des Schwarzen Lochs gibt", erläutert Mathew Page vom Mullard Space
Science Laboratory des University College in London, der auch Erstautor eines
Fachartikels über die Studie in der Wissenschaftszeitschrift Nature ist. "Beide
Prozesse scheinen bis zu einem bestimmten Punkt zunächst stärker zu werden, die
energiereichsten Schwarzen Löcher würgen dann aber offenbar die Sternentstehung
ab."
Astronomen vermuten, dass sich in den Zentren nahezu aller großen Galaxien
supermassereiche Schwarze Löcher verbergen, deren Masse die unserer Sonne um das
viele Millionenfache übersteigt. Befinden sich in ihrem unmittelbaren
Einflussbereich größere Mengen an Material, können sie in verhältnismäßig kurzer
Zeit relativ große Mengen an Gas verschlucken. Man nennt diese Schwarzen Löcher dann
"aktiv" und spricht auch von einem "aktiven Galaxienkern".
Bevor das Gas jedoch auf Nimmerwiedersehen in den Schwarzen Löchern
verschwindet, heizt es sich auf extreme Temperaturen auf und sendet dadurch eine
starke und energiereiche Strahlung aus. Im jungen Universum, das haben
umfangreiche Himmelsdurchmusterungen ergeben, gab es deutlich mehr aktive und
oft auch deutlich hellere Galaxienkerne sowie eine merklich höhere
Sternentstehungsaktivität.
Die Untersuchung von nahegelegenen aktiven Schwarzen Löchern hatte in den
letzten Jahren Hinweise dafür geliefert, dass die Aktivität von Schwarzen
Löchern Sternentstehung in der jeweiligen Wirtsgalaxie unterdrücken kann. Offenbar sorgt die Energie rund um die aktiven
Schwerkraftfallen dafür, dass das kalte Gas der Galaxie aufgewärmt und verteilt
wird. Dieses kalte Gas aber ist die Grundvoraussetzung für die Entstehung neuer
Sterne. Die bisherigen Untersuchungen konnten allerdings immer nur einen
zeitlichen "Schnappschuss" liefern, so dass der generelle Zusammenhang zwischen
aktiven Galaxienkernen und der Sternentstehung im Verlauf der Geschichte des
Universums offen blieb.
"Um zu verstehen, wie aktive Galaxienkerne die Sternentstehung im Verlauf der
Geschichte des
Universums beeinflussten, haben wir die Epoche betrachtet, in der die
Sternentstehung am heftigsten war, nämlich vor acht bis zwölf Milliarden
Jahren", so Teammitglied James Bock vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.
"Damals verlief die Sternentstehung in den Galaxien zehnmal heftiger als
durchschnittlich heute. Viele dieser Galaxien sind unglaublich hell, mehr als 1.000-mal
heller als unsere Milchstraße."
Für ihre Untersuchung haben Page und sein Team Daten des europäischen
Infrarot-Weltraumteleskops Herschel von insgesamt 65 Galaxien analysiert und die
Sternentstehungsraten in den Systemen bestimmt. Ihre Resultate haben sie dann mit
Röntgendaten des NASA-Weltraumteleskops Chandra verglichen, die ihnen etwas über
die Aktivität der supermassereichen Schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien
verraten haben.
Der Vergleich ergab, dass bei weniger hellen Systemen die Helligkeit der
aktiven Galaxienkerne zusammen mit der Sternentstehungsrate ansteigt. Bei den
energiereichsten zentralen Schwarzen Löchern allerdings, fällt die
Sternentstehungsrate merklich ab. Die Forscher vermuten, dass sehr aktive
Schwarze Löcher in ihrer Umgebung eine so intensive Strahlung erzeugen und
dadurch verhindern, dass sich das Rohmaterial zu neuen Sternen zusammenfinden
kann.
"Da wir jetzt den Zusammenhang zwischen aktiven supermassereichen Schwarzen
Löchern und Sternentstehung kennen, wollen wir natürlich wissen, wie dieser
Prozess funktioniert", so Bill Danchi, der am NASA-Hauptquartier in Washington
für Herschel zuständige Wissenschaftler. "Wurde die Sternentstehung von Anfang
an mit der Bildung der hellsten Galaxien dieses Typs unterdrückt oder sorgen
vielmehr alle aktiven Schwarzen Löcher irgendwann für das Ende von Sternentstehung,
nur die besonders aktiven einfach schneller als die weniger aktiven?"
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