Gefräßige Schwarze
Löcher im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
25. Juli 2007
Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra haben
jetzt gezeigt, dass supermassereiche Schwarze Löcher offenbar schneller wachsen,
wenn sie sich in jungen Galaxienhaufen befinden. Diese gefräßigen
Schwerkraftfallen können die Entwicklung ihrer Muttergalaxien und ihrer
Galaxienhaufen entscheidend beeinflussen.
So stellt sich ein Künstler einen aktiven
Galaxienkern vor. Es handelt sich um ein
supermassereiches Schwarzes Loch, das enorme
Mengen an Material verschlingt.
Bild: NASA / CXC / M.Weiss |
Mit Hilfe des Weltraumteleskops Chandra haben Astronomen eine
Reihe von Galaxienhaufen untersucht und in jedem Haufen die Zahl der Galaxien
bestimmt, die über einen aktiven Galaxienkern verfügen. Bei solchen aktiven
Galaxienkernen (Active Galactic Nuclei kurz AGN genannt) handelt es sich
um supermassereiche Schwarze Löcher, die mit einer sehr hohen Rate Material
verschlingen. Die Chandra-Daten haben nun gezeigt, dass solche aktiven
Galaxienkerne häufiger in jungen und entfernteren Galaxienhaufen zu finden sind,
als in älteren und uns näheren Haufen.
Der Fund ist durchaus vereinbar mit der Vorstellung über die Entwicklung des
Universums: Bei Galaxienhaufen handelt es sich um die größten Strukturen im
Universum. Sie bestehen aus zahlreichen Galaxien von denen nur einige über einen
aktiven Galaxienkern verfügen. Im jungen Universum enthielten die Galaxien
deutlich mehr Gas als heute, es konnten Sterne entstehen und auch die zentralen
Schwarzen Löcher "gefüttert" werden. Dadurch konnten die Schwarzen Löcher in
jungen Haufen schneller wachsen, als die supermassereichen Schwarzen Löcher in
Galaxienhaufen in unserer Umgebung.
"Die Schwarzen Löcher in den frühen Haufen sind wie Piranhas in einem gut
gefüllten Aquarium", vergleicht Jason Eastman von der Ohio State University.
Eastman ist auch Hauptautor der Veröffentlichung über die Arbeit, die in diesen
Tagen in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters
erschienen ist. "Dabei schnappen sie sich nicht etwa gegenseitig das Futter weg,
sondern es ist so viel vorhanden, dass sie alle genug bekommen, um schnell und
deutlich zuzunehmen."
Die Astronomen haben mit Chandra nach aktiven Galaxienkernen in vier
Galaxienhaufen gefahndet, die so weit von uns entfernt sind, dass wir sie zu
einer Zeit sehen, in der unser Universum nur 58 Prozent seines heutigen Alters
hatte. Sie verglichen die gefundenen Werte mit dem Anteil in uns nähergelegenen
Galaxienhaufen. Diese sehen wir zu einem Zeitpunkt, zu dem das Universum 82
Prozent seines heutigen Alters hatte.
In den entfernteren Haufen fanden die Wissenschaftler einen 20-mal höheren
Anteil von aktiven Galaxienkernen als in den uns näher gelegenen Haufen. Bei
Galaxien, die sich nicht einem Haufen zuordnen lassen, ist der Unterschied zwar
vorhanden, aber nicht so deutlich: Statt eines Faktors 20 stellt man hier nur
einen Faktor zwei bis drei fest.
"Es war schon immer vorhergesagt worden, dass es solche schnell wachsenden
Schwarzen Löcher in Haufen geben würde, aber es gab bislang dafür keine guten
Beweise", macht Co-Autor und Kollege Paul Martini die Bedeutung der
Beobachtungen deutlich. "Die Entdeckung kann dabei helfen, eine Reihe von ungelösten
Fragen in Bezug auf Galaxienhaufen zu klären."
Zu diesen Fragen gehört etwa, warum es in den Haufen im jungen Universum
vergleichsweise viele bläuliche Galaxien gibt, in denen in großem Umfang Sterne entstehen. Sind
hier die aktiven Galaxienkerne schuld, die das Gas in ihrer Muttergalaxie
zerstören und so die Sternentstehung abwürgen? Nachdem die hellen, blauen,
massereichen Sterne erloschen sind, würden so nur die alten, rötlichen Sterne
zurückbleiben. Eine andere noch nicht geklärte Frage ist der Mechanismus, durch
den die Temperatur des heißen Gases in den Galaxienhaufen bei ihrer Entstehung
reguliert wird. Auch hier könnte eine Heizung durch aktive Galaxienkerne eine
Rolle spielen.
"In einigen naheliegenden Galaxienhaufen gibt es Hinweise auf gewaltige
Eruptionen, die von den supermassereichen Schwarzen Löchern verursacht werden",
so Eastman. "Aber dies mag harmlos sein im Vergleich zu dem, was sich in den
jüngeren Haufen abspielt."
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