Kalt und dunkel genug für Eis?
von Stefan Deiters astronews.com
30. Januar 2012
Astronomen haben jetzt ein neues Modell über die
durchschnittliche Temperaturverteilung und die globalen Beleuchtungsverhältnisse
auf Vesta vorgelegt. Danach könnte sich in den Polarregionen des Asteroiden
durchaus Wassereis im Untergrund erhalten haben. Permanent
schattige Krater wie auf dem Erdmond dürfte es auf Vesta allerdings nicht geben.
"In der Nähe des Nord- und Südpols scheint es Bedingungen zu
geben, die die Existenz von Eis unterhalb der Oberfläche ermöglichen sollten", fasst
Timothy Stubbs vom Goddard Space Flight Center der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA die Ergebnisse der Modelle über den Asteroiden Vesta
zusammen, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Yongli Wang vom Goddard Planetary Heliophysics Institute der
University of Maryland in der Januar-Ausgabe der
Fachzeitschrift Icarus vorstellt. Grundlage der Modelle sind
Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen, darunter auch Daten des
Weltraumteleskops Hubble.
Vesta ist nach dem Zwergplaneten Ceres das massereichste Objekt im
Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Allerdings ist es nach Ansicht der
Autoren nicht sehr wahrscheinlich, dass es auf der Oberfläche des rund 516
Kilometer durchmessenden Brockens Regionen gibt, die permanent im Schatten
liegen - auch nicht innerhalb des gewaltigen Kraters am Südpol des Asteroiden.
Die Rotationsachse von Vesta ist nämlich mit rund 27 Grad noch stärker geneigt
als die der Erde, weswegen es auf dem Asteroiden Jahreszeiten gibt. Im Verlauf
eines Jahres dürfte somit auf jeden
Punkt der Oberfläche einmal Sonnenlicht fallen. Unser Mond hingegen hat
nur eine um 1,5 Grad geneigte Rotationsachse, so dass es Krater an den Polen
geben kann, deren Boden dauerhaft im Schatten liegt.
Die Existenz oder Nichtexistenz von Wassereis liefert Wissenschaftlern
wichtige Informationen über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte eines
Objektes, etwa darüber, wie oft es in der Vergangenheit von Kometen getroffen
wurde und zu welchen Wechselwirkungen mit seiner kosmischen Umgebung es gekommen ist. Da
ähnliche Prozesse auf vielen Objekten des Sonnensystems, wie beispielsweise auf
dem Mond, auf Merkur oder auf anderen Asteroiden, abgelaufen sein sollten,
können die Daten von Vesta auch für unser Verständnis des gesamten Sonnensystems von
Bedeutung sein. Wassereis ist zudem eine wichtige Ressource für die weitere
Erkundung des Sonnensystems.
Die Temperaturen auf Vesta dürften nach dem neuen Modell in den
Regionen rund um den Nord- und Südpol des Asteroiden durchschnittlich unter minus
129 Grad Celsius liegen. Dies ist gerade die kritische Durchschnittstemperatur,
unterhalb der sich Wassereis in der lockeren Gesteinsschicht einige Meter unter
der Oberfläche, im sogenannten Regolith, halten können sollte. Rund um den
Äquator liegt die Temperatur hingegen mit minus 124 Grad Celsius im Schnitt etwas höher, so
dass die Experten hier kein Wassereis dicht unter
der Oberfläche erwarten.
"Im Durchschnitt ist es an Vestas Polen etwas kälter als in der Nähe des
Äquators, von daher wären dies gute Plätze für die Existenz von Wassereis", so
Stubbs. "Aber auch sie sind im Sommer über einen längeren Zeitraum dem
Sonnenlicht ausgesetzt, was für die Erhaltung des Wassereises nicht von Vorteil
ist. Wenn es also Wassereis in diesen Regionen geben sollte, dann dürfte es sich
unter einer relativ dicken Schicht aus trockenem Regolith befinden."
Das Modell der Astronomen deutet auch darauf hin, dass es auf den Böden
mancher Einschlagkrater für die meisten Zeit eines Vestajahres so kalt sein
könnte, dass Wassereis hier sogar auf der Oberfläche existieren kann. "Irgendwann im
Sommer würde die Sonnenstrahlung dann dafür sorgen, dass es von der Oberfläche
verschwindet, es entweder verlorengeht oder aber sich woanders absetzt", erklärt
Stubbs.
Bislang deuteten alle Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen darauf hin,
dass Vesta eine sehr trockene Welt ist. Die NASA-Sonde Dawn, die seit
Sommer 2011 um den Asteroiden kreist, kann aus nächster Nähe deutlich
detaillierter nach Hinweisen auf
Wasser suchen. So lassen sich mit dem Instrument GRaND (Gamma-ray and Neutron
Detector) Regionen erkennen, in denen es sehr viel Wasserstoff gibt, was
wiederum auf Wassereis hindeuten könnte.
Auf GRaND hoffen auch Stubbs und Wang: "Die Dawn-Mission verschafft der
Wissenschaft die seltene Möglichkeit, Vesta für einen längeren Zeitraum zu
untersuchen, etwa für die Dauer einer Jahreszeit", so Stubbs. "Innerhalb
der kommenden Monaten werden wir hoffentlich erfahren, ob das Spektrometer GRaND Hinweise
auf Wassereis im Regolith von Vesta gefunden hat. Dies ist schon eine wichtige
und spannende Zeit für die Erkundung von Planeten." Dawn soll Vesta noch bis zum Sommer
umkreisen und den Orbit des Asteroiden dann wieder verlassen, um mit dem
Zwergplaneten Ceres ein zweites Ziel im Asteroidengürtel anzusteuern.
|