Die astrophysikalischen Grundlagen für Leben
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
16. Januar 2012
Neue Statistiken gehen davon aus, dass es in der Milchstraße mehr
Planeten als Sterne gibt. Doch heißt das auch, dass es in unserer
Heimatgalaxie von Leben nur so wimmelt? Welche astrophysikalischen
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um lebensfreundliche und
lebenserhaltende Bedingungen zu schaffen? Ein neues nationales
Forschungsnetzwerk in Österreich soll dies jetzt herausfinden.
Welche Bedingungen müssen im Umkreis von jungen
Sternen herrschen, damit dort Leben entstehen
kann? Österreichische Wissenschaftler wollen es
herausfinden.
Bild: idw / Universität Wien / NASA /
Jenny Mottar |
Sind wir allein im Universum? Zu dieser Frage hat der österreichische
Wissenschaftsfonds (FWF) im Dezember 2011 einer Wissenschaftlergruppe
der Universitäten Wien und Graz sowie der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften ein bis zu acht Jahre dauerndes und mit rund 600.000 Euro
pro Jahr dotiertes astrophysikalisches Großprojekt genehmigt, das
nationale Forschungsnetzwerks "Pathways to Habitability: From Disks to
Stars, Planets to Life". 90 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus
dem In- und Ausland gehen unter der Leitung von Manuel Güdel, Professor
am Institut für Astronomie der Universität Wien, den astrophysikalischen
Voraussetzungen für die Entstehung von lebensfreundlichen und
lebenserhaltenden Umgebungen auf anderen Planeten nach.
Die Forscher interessieren sich dabei unter anderem dafür, welche
physikalischen Bedingungen im Umkreis von jungen Sternen und Planeten
herrschen müssen, damit dort Leben entstehen kann oder wie Sterne,
Sternwinde, Gas- und Staubscheiben, Magnetfelder und Planetenatmosphären
zusammenwirken müssen, um die essentiellen Moleküle und Wasser zu bilden
und auf die Planeten zu bringen. Interessant ist auch, welches die
frühesten Phasen sind, in denen man in der Sternumgebung schon
lebensfreundliche oder lebenserhaltende - sogenannte habitable - Zonen
finden kann, und wie sich diese im Laufe der Zeit verändern.
Die richtige Dosis Sternlicht im richtigen Abstand vom Stern und eine
halbwegs akzeptable Planetenatmosphäre um einen festen Planeten reichen
für eine habitable Umgebung bei Weitem nicht aus. "Der Raum zwischen dem
Stern und den Planeten ist nicht leer. Sternwinde, stark veränderliche
Ultraviolett- und Röntgenstrahlung sowie Magnetfelder des Sterns und des
Planeten wirken in noch wenig erforschter und hochkomplexer Weise
zusammen, kontrollieren die Struktur und Chemie der Planetenatmosphäre
und ihre Evolution. Passt alles, kann eine lebensfreundliche Umgebung
entstehen - sonst nicht", erklärt Güdel.
In dem Forschungsnetzwerk soll nun das gesamte physikalisch-chemische,
gekoppelte System mit zum Teil völlig neuen Methoden erstmals erforscht
werden: So müssen die physikalischen Voraussetzungen bereits in ganz
frühen Phasen der Planetenentstehung gegeben sein, sonst fehlen die
richtigen Moleküle wie etwa Wasser. Sehr wichtig sind die
Hochenergiestrahlung des Sterns, beschleunigte Teilchen und der in ein
Magnetfeld eingebettete Sternwind. Alle wirken ständig und stark
veränderlich auf das Magnetfeld und die Hochatmosphäre des Planeten ein
und können dort - unter ungünstigsten Bedingungen - die ganze
Planetenatmosphäre zerstören. Selbst der Aufbau eines Sonnensystems ist
für die Existenz habitabler Planeten wichtig. Die starken Veränderungen
des Sterns im Laufe der Zeit stellen weitere Herausforderungen an die
Habitabilität dar. Andererseits scheint Leben sehr innovativ und
anpassungsfähig zu sein - auf der Erde kommt es in der Tiefsee, in der
Arktis oder in kochend heißem Wasser vor.
Das Forschungsteam interessiert sich besonders dafür, wie sich
Habitabilität in den frühesten, widrigen Zeiten des Sonnensystems
entwickelt hat, als die Sonne tausend Mal kräftigere Röntgenstrahlung
und dutzende Male stärkere Ultraviolettstrahlung als heute aussandte.
Damals wehten viel stärkere Sonnenwinde, und die Erdatmosphäre war
völlig anders zusammengesetzt. Aber auch extreme Bedingungen in
extrasolaren Planetensystemen, etwa auf Planeten in sehr kleiner
Entfernung vom zentralen Stern, werden unter die Lupe genommen.
Heute sind über 700 extrasolare Planeten bekannt, die unter mannigfachen
Bedingungen ihre Bahn um andere Sterne ziehen. Dabei hat sich in letzter
Zeit gezeigt, dass Planeten sich auch in Doppel- oder
Mehrfachsternsystemen bilden - die häufigste Konfiguration, in der
Sterne im Universum vorkommen. Könnte es also auch in solchen
Sternsystemen stabile, habitable Planeten geben?
Das österreichische nationale Forschungsnetzwerk stützt sich auf bereits
bestehende Expertise an verschiedenen Institutionen des Landes und
Forschungsergebnissen, die dort erbracht worden sind. Außerdem soll mit
einem dichten internationalen Netzwerk von Kooperationspartnern
zusammengearbeitet werden.
|